Hallo zusammen,
diese große Mitteilungseuphorie bei Stefan ist aus meiner Sicht ganz natürlich am Anfang des Genesungsweges: hier zeigt es sich doch deutlich, in welchen festgeschnürten Fesseln man zuvor "gelebt" hat, ein innerlicher Druck wird gemindert: ich muss hierbei an einen festen Korken denken, der aus einer Sektflasche mit einem großen "Plock" nach oben jagt .... der Sekt schäumt erstmal über und macht eine klebende Sauerei: aber die Flasche ist offen und der Inhalt kann nun "genossen" werden.
Ich würde nach Bauchgefühl handeln, sicherlich gerade am Arbeitsplatz oder bei reinen Bekanntschaften würde ich ebenso vorsichtig sein und/oder die Spielsucht nicht erwähnen .... je wie das Verhältnis ist. Und klar, man ist ja immerhin noch weitaus mehr als ein wandelndes Zockerproblem: ihr seid eine Familie und jeder hat auch das Recht auf ein "spielfreies" Leben, also Hobbies, Arbeit, Freunde, Freizeit etc....
Aber ich finde es genau richtig, dass du, Stefan, mit deiner Frau sprichst. Wohin das Verschweigen die letzten Jahre geführt hat, kann man ja hier überall lesen. Ein Angehöriger merkt, wenn etwas nicht stimmt, Gedanken macht man sich so oder so .... wieder alleine durch die Ängste und Spekulationen gehen zu müssen, wäre doch ab diesem Zeitpunkt eine sich wiederholende Tragödie! Das ist doch die eigentliche Belastung gewesen! Man muss ja nicht täglich stundenlang über das Thema Spielsucht philosophieren, aber bei Bedarf auf alle Fälle sich seiner engsten Bezugsperson mitteilen. Zum einen kann sich das bei Stefan präventativ auswirken und zum anderen erhält seine Frau Fakten, mit welchen sie viel besser umgehen kann als wieder mit den lästigen Vermutungen. Dass die SHG dein Raum ist, wo du z.b. auch Schwierigkeiten mit dem Umgang bezgl. Angehöriger etc. neutral besprechen kannst, bleibt ja bestehen.... aus meiner Sicht wird im Zuge der Abstinenzzeit ohnehin das Bedürfnis, Allen alles mitteilen zu wollen, nachlassen. Frag deine Frau, Stefan: sie kann dir die besten Antworten darauf geben. Denn auch jeder Angehöriger geht individuell damit um - es gibt kein Patentrezept.
Vertrauen: Auch wenn Millionen Psychologen, Philosophen und Google das Konstrukt "Vertrauen" definieren, ist jenes jedoch ebenso individuell. Vertrauen ist ein vom Menschen wichtiger Bestandteil des ureigenen Sicherheitsbedürfnis. Da Vertrauen a.m.Sicht zerstört werden kann, so glaube ich im Gegenzug, dass es natürlich auch langsam wieder aufgebaut werden kann. Sicherlich wird Misstrauen, ein Teil des Vertrauens also, auch immer mit eine Rolle spielen .... andernfalls muss man sich halt einen Safe in die Wohnung bauen, um alle Wertsachen darin einzusperren, aber macht das einen Sinn, nachdem man sich trotz der bekannten Problematik für einen gemeinsamen Weg entschieden hat?! Stefans Aufgabe ist es: offen und ehrlich zu bleiben, um das zerstörte Vertrauen wieder wachsen zu lassen, weiter an seiner Abstinenz hart zu arbeiten ..... jedoch ist es die Hürde des Angehörigen, Vertrauen durch diese Handlungen, auch wieder zulassen zu können. Das eine bedingt das andere .... und all das kostest eben seine Zeit!
Alles Liebe
MiLu
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