Aus dem Quartalsbericht sind dann doch Jahre geworden. Es ist schlimm, dass ich hier nicht mehr aktiv war, wo gerade dieser Ort mir in den Anfängen so viel Halt gegeben hat. Nichtsdestotrotz werde ich meinem Werdegang nun wieder einen Teil hinzufügen. Er hat schöne Passagen und eine ganz bittere...aber knallharte Ehrlichkeit mit mir selbst hat mich damals hierhergebracht und führt mich auch wieder zurück in diesen Forum Thread.
Ein gutes halbes Jahr liegt nun zwischen "altem und neuem" Leben und es fühlt sich an wie neu geboren zu sein!
Damit endete mein letzter Beitrag. Kein Suchtdruck, den Blick nach vorne gerichtet habe ich so weiter gemacht, wie ich es damals für richtig hielt. Ich dachte ich lebe nun endlich den abstinenten Traum und als wir uns sogar für ein zweites Kind entschieden haben, dachte ich mir ich bin am Gipfel des spielfreien Glücks angekommen! Irgendwann kam so viel großartiges Leben dazu, dass die Besuche in der Selbsthilfegruppe keinen Platz mehr hatten und immer unregelmäßiger wurden, ein typischer Anfängerfehler, den jeder von euch sicher direkt mit Alarmglocken liest!
Ich habe die Glocken nicht gehört, und sollte diese auch noch in den nächsten Monaten nicht hören. Das Jahr 2018 lief erstmal turbulent, aber in eine schöne Art: Meine Freundin wurde schwanger. Ich war außer mir vor Glück. Meine radikale und euphorische Entwicklung vom nassen zum abstinenten Spieler wurde mit dem unvorstellbarsten Vertrauensbeweis, welchen man sich vorstellen kann, veredelt.
Wir suchten in diesem Jahr auch ein Haus und zogen um. Von einer Stadtwohnung in einen Vorort, ein Haus mit Garten, ein Zimmer für jedes Kind. All diese Dinge, die gerade mal vor einem Jahr unvorstellbar schienen, geschahen und waren letztendlich nur durch meinen Lebenswandel möglich geworden. Ich konnte kaum fassen, wie gut es uns ging und genoss die Rolle des durchorganisierten und verlässlichen Partners.
Die Schwangerschaftsmonate rasten dahin förmlich dahin, und im Gegensatz zur ersten Schwangerschaft, welche von Ängsten und Selbsthass geprägt waren, konnte ich diese Zeit einfach nur genießen und mich auf den Nachwuchs freuen.
Mein Sohn sollte war für mich jetzt schon das Zeichen meines erfolgreichen Kampfes gegen diese Krankheit, das Happy End in einer einst so traurigen Geschichte.
Aber ein Happy End gibt es noch nicht, denn der Abspann wird (hoffentlich) noch ein paar Jahre auf sich warten lassen… und so musste ich am 29.08.2018 feststellen wie nah Glück und Leid beieinander liegen können.
Um 6.57 hielt ich das erste Mal meinen Sohn im Arm, ein Gefühl, dass man keinem Vater beschreiben muss, und keinem kinderlosen erklären kann. Das pure Glück mit einem Gewicht von 3200 Gramm. Ich nachmittags meine Tochter abholen, die wir bei Freunden gelassen haben, um Ihr das neue Familienmitglied vorzustellen. Nach einer Weile fuhren wir nach Hause, meine Freundin verblieb natürlich noch im Krankenhaus. Ich legte die Kleine ins Bett und fiel selbst erschöpft, aber glücklich auf die Couch.
Und an diesem Abend kam Sie zurück. Dieser hässliche Schatten tief hinten in meinem Kopf. Mit dem Jahre lang um die Oberhand gekämpft habe. Ich hatte ihn vergessen hab ihm zu viel Freiheit gelassen und mich nicht mehr um ihn gekümmert. Und jetzt war er Bereit wieder die Kontrolle zu übernehmen, aus dem Nichts! Oder habe ich ihn einfach nicht kommen sehen? Mit Sicherheit eher letzteres!
Die Tatsache, dass die Geburt meines Sohnes der Tag meines Rückfalles war, hat mich so zerstört, dass ich jede Regel und alles was ich über den Umgang mit Rückfällen wusste über Bord warf und blindlings in eine 2-monatige Phase des Spielens verfiel. Natürlich war meine Freundin mittlerweile wesentlich stärker sensibilisiert und erkannte, dass etwas nicht stimmte. Anders wie bei meiner Abstinenzentscheidung musste ich hier erst „ertappt“ werden, um den erneuten Ausstieg zu schaffen, gestand aber in diesem Moment was geschehen war.
Eine Welt brach zusammen… und ich habe den Hammer geschwungen… Dann kam die Frage, die ich mir selbst nie stellen wollte.
„Wie kannst du an einem der schönsten Tage deines Lebens die Entscheidung treffen wieder zu spielen?“ Eine Frage, die ich selbst nicht beantworten konnte, so sehr ich mich auch angestrengt habe.
Nach Tagen des Schweigens entschloss ich mich zum einzigen Weg, den ich damals nach der Abstinenzentscheidung nicht gegangen bin: Eine Stationäre Therapie die am 14. März 2019 begann.
Um die Länge dieses sowieso schon langen Textes nicht explodieren zu lassen spule ich nun etwas vor. Diese Geschichte ist nun fast zwei Jahre her, ich habe viele meiner Fragen in der Therapie beantworten können, und bin gestärkt in den zweiten Anlauf gestartet, gemeinsam mit meiner wundervollen Familie!
Heute bin sowohl was die Dauer meiner Abstinenz als auch meine Gefühlswelt angeht wieder an dem Punkt, den ich vor der Geburt meines Sohnes erreicht hatte, jedoch mit einem gewaltigen Unterschied: Ich schließe diesen Schatten nicht mehr ein. Ich sehe ihn mir Woche für Woche an, wie er sich verändert, wie er mal größer und auch mal kleiner ist. Aber ich werde Ihn nie wieder versuchen wegzusperren, denn nur so gebe ich ihm nicht die Chance wieder aus dem Hinterhalt anzugreifen.
Ich hoffe meine Begleiter aus der damaligen Zeit verzeihen mir meine lange Abwesenheit und ich grüße jeden der neu in diesem Forum ist! Schön euch zu lesen!
Euer Kevin