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Autor Thema: Durch einen Schock aus der Sucht

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A
Durch einen Schock aus der Sucht
OP: 23.03.2023 14:35:41
Hallo zusammen!

Mein Name ist Andy und ich bin 26 Jahre alt. Vor etwa einem halben Jahr bin ich auf dieses Forum gestoßen und habe interessiert die Geschichten weiterer Menschen mit einer Spielsucht gelesen. Nachdem es vor wenigen Monaten in meinem Leben eine Kehrwende gegeben hat und ich seit dem nicht mehr gespielt habe, würde ich gerne meine Geschichte mit euch teilen.
Zuvor möchte ich kurz auf mich und meine Sucht eingehen. Ich habe das Spielen (ausschließlich an Automaten) mit 18 begonnen. Eher zufällig durch einen Freund, der mich nach Feierabend in eine Bar gerufen hat, und mich an einem Automaten mit seinem Geld hat spielen lassen. Anfangs ging ich nur mit Freunden und wir spielten mit Beträgen in Summe unter 50€ pro Abend. Dies geschah damals etwa 1-2 Mal die Woche. Zu diesem Zeitpunkt habe ich studiert und das Geld war knapp, jedoch arbeitete ich jeden Tag, um mir das spielen irgendwie zu finanzieren. Der bezeichnendste Moment in meinem Studium im Zusammenhang mit meiner Spielsucht war das Schreiben meiner Bachelorarbeit. Ich hatte einen begrenzten Zeitraum von 3 Monaten und war jeden einzelnen Tag davon spielen (wie immer wenn ich mich von meinem eigentlichen Leben ablenken wollte). Ich habe meine BA in den letzten 3 Tagen innerhalb von 64 Stunden am Stück geschrieben und irgendwie bestanden.

Nach abgeschlossenem Studium habe ich einen Beruf in der Finanzbranche begonnen. Ich verdiente gutes Geld - verspielte jedoch alles. Aus den zu Beginn genannten 50€ wurden mittlerweile 300-500€ und das täglich. Ich leihte mir von unterschiedlichen Freunden in Summe 40.000€, welche ich komplett verspielt habe. Jedoch habe ich es immer irgendwie geschafft, dass niemand dieser Freunde Verdacht schöpft. Generell weiß absolut niemand aus meinem Verwandten-, oder Bekanntenkreis, dass ich spielsüchtig bin.
Nun aber zu dem eigentlichen Ereignis. Vorab noch die Anmerkung, dass ich deutschlandweit gesperrt bin und legal an keinem Automaten mehr spielen darf.
Es war ein ganz normaler Tag. Ich arbeitete bis um 12, holte 500€ bei der Bank und ging in meinen Stammladen, in welchem ich immer trotz Sperre spielen konnte. Ich zahlte die ersten 10€ ein, verspielte 3 davon und plötzlich hörte ich eine strenge Stimme hinter mir - ein Polizist. Er rief durch den Laden, dass alles stehen und liegen bleiben soll, da unterschiedliche Sachen kontrolliert werden, unter anderem wer spielt und ob die Berechtigung dafür besteht. Kurz nachdem er schrie stand ich direkt auf, warf meine Zigarette auf den Boden und eilte zur Toilette, obwohl ich meinen Platz eigentlich nicht verlassen durfte. Ich kann mich noch genau an diesen Moment erinnern, wie ich in dieser Kabine stand, extrem zitterte und dachte, dass alles auffliegen wird, ich meinen Job verliere und endlich die Strafe erhalte, die mir eigentlich zustehen würde. Aus Unsicherheit möchte ich nicht im Detail darauf eingehen, weshalb ich eine Strafe bekommen hätte, aber ich wäre hundert prozentig meinen Job los, und es hätte darüber hinaus extreme Konsequenzen.
Nach etwa 5-6 Minuten in der Kabine wusste ich es führt kein Weg daran vorbei, ich muss zurück an meinen Platz, da mein Handy, Geldbeutel und Geld dort lag. Ich fasste also all meinen Mut, ging zurück, steckte meine Sachen ein, meldete den Automaten ab.  In dem Moment in welchem ich aufstehen wollte spricht mich eine weibliche Stimme an mit der Aufforderung meinen Ausweis vorzuzeigen. Ich drehte mich um zur Polizistin und realisierte in diesem Moment, dass es eine Bekannte von mir war. Sie war völlig sprachlos, da sie mich niemals in diesem Laden und dieser Situation erwartet hätte. Nach einer der härtesten 5 Sekunden in meinem Leben lächelte sie mich an und meinte, dass wir kurz aus dem Laden gehen sollen. Vor dem Laden angekommen unterhielten wir uns kurz und sie lies mich ohne jegliche Kontrolle und jeglicher Folge gehen.
Auch jetzt, wenige Monate später, läuft es mir absolut kalt den Rücken herunter wenn ich an dieses Erlebnis denke. Ich hatte seit dem Ereignis nicht eine einzige Sekunde ernsthaft das Bedürfnis oder die Sehnsucht nach dem Spielen.
Der Status Quo ist, dass ich nicht in Worte fassen kann, wie befreiend das Gefühl ist nicht täglich immer nur ans spielen zu denken, sondern unbeschwert sein Leben zu leben. Mein geliehenes Geld habe ich größtenteils zurückgezahlt und werde den Rest in etwa 8 Wochen begleichen können.

Ich weiß ehrlicherweise nicht, wie ich meinen Post abschließen soll, außer dass ein spielfreies Leben ein Traum für den es sich zu kämpfen lohnt, egal wie hart der Kampf auch sein mag.

Andy
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Re: Durch einen Schock aus der Sucht
#1: 23.03.2023 14:55:24
Hi Andy,

herzlich Willkommen hier bei uns im Forum, danke, dass du deine Geschichte mit uns teilst!

Herrlich, dass du den Weg raus aus der Traumwelt gefunden hast! Nur ein Leben ohne den Automaten ist ein wirkliches Leben. Ich rate dennoch zur Vorsicht, denn du scheinst auf dich alleine gestellt zu sein oder hast du mittlerweile jemandem (außer der Polizisten-Bekannten) von deinem Problem erzählt? Die Sucht mit sich alleine auszumachen ist kein guter Ratgeber auch wenn du dich im Moment sicher zu fühlen scheinst!

Grüße, aT
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Re: Durch einen Schock aus der Sucht
#2: 23.03.2023 19:28:47
Hallo Andy und auch von mir ein herzliches Willkommen im Forum,

dieses Mitteilen hier wird auch eine gute Erfahrung für dich sein.
Darüber zu schreiben was dich alles so belastet oder belastet hat.
Einst, so gut es eben ging anonym gespielt zu haben und nun nicht mehr ganz so alleine damit... spielfrei zu sein.
Du vertraust auf dein Erlebnis mit der Polizei und es scheint dir schon bewusst, wie wichtig dir dein Arbeitsverhältnis ist.
Zu wünschen von ganzem Herzen dass es auch immer so bleiben wird und Du nie mehr spielst.
Es gäbe noch viel mehr an Möglichkeiten für einen pathologischen Spieler, sich zu festigen und erfahren
was alles dahinter steckt...in Dir.
In wieweit Du dabei handeln solltest, läge alleine an dir und normalerweise zähle ich so alles mögliche auf.
Aber es ist auch hier im Forum überall zu finden...Hilfeseiten, Anlaufstellen usw.
Vielleicht kommst Du auch selbst auf den "Geschmack"  :) wie entlastend es ist sich auszutauschen.
Wie dann erst in einer Selbsthilfegruppe in deiner Nähe, dann auch direkt auf Augenhöhe.
 
Der Status Quo ist, dass ich nicht in Worte fassen kann, wie befreiend das Gefühl ist nicht täglich immer nur ans spielen zu denken, sondern unbeschwert sein Leben zu leben. Mein geliehenes Geld habe ich größtenteils zurückgezahlt und werde den Rest in etwa 8 Wochen begleichen können.

Motiviert bist Du ja und spürst wie es ist nicht mehr am Tropf dieser Sucht zu hängen.
Spielsüchtig bleibst Du dennoch.....
Schön von dir erfahren zu haben und vielleicht kommt ja noch mehr.

Liebe Grüße     
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« Letzte Änderung: 23.03.2023 20:20:35 von Jacky1 »
 
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Re: Durch einen Schock aus der Sucht
#3: 24.03.2023 08:07:00
Moin Andy,

so ein Schock hilft manchmal von Dingen los zu lassen. Ob der Schock dauerhaft hält, weiß ich nicht.
Beim Lesen Deines Beitrages habe ich mir so gedacht, ob der Andy denn wirklich so anonym gespielt hat wie er glaubt ? Ist schon ein Zufall das gerade dann eine Razzia durchgeführt wird, dann noch mit einer Polizistin die Du kennst und die Dich unbestraft gehen ließ.... wofür Du auch immer noch zur Rechenschaft hättest gezogen werden können, weißt nur Du allein. Wie auch immer, es hat Dich vom  weiteren Spiel abgehalten.  Ich persönlich glaube nicht an Zufälle, wer auch immer da seine Hände mit im Spiel hatte.  ;) es ist aber auch egal.

Es hat Dich ja was am Spiel festgehalten, dass ist immer noch in Dir, denke ich.


Der bezeichnendste Moment in meinem Studium im Zusammenhang mit meiner Spielsucht war das Schreiben meiner Bachelorarbeit. Ich hatte einen begrenzten Zeitraum von 3 Monaten und war jeden einzelnen Tag davon spielen (wie immer wenn ich mich von meinem eigentlichen Leben ablenken wollte). Ich habe meine BA in den letzten 3 Tagen innerhalb von 64 Stunden am Stück geschrieben und irgendwie bestanden.



Wenn auch Deine Sucht augenblicklich kein Thema ist, würde ich mir denn trotzdem diesen Punkt genauer anschauen, was kannst Du denn nicht aushalten, dass Du Dich ablenken musst ? Wie Du es immer in Deinem Leben getan hast, es muss ja nicht immer in einer Sucht enden, ich weiß ja auch nicht in welcher Form Du vor Deiner Suchtphase weggelaufen bist, also womit Du Dich da abgelenkt hast ?. Es ist auch zweitrangig. Ich denke aber für eine bessere Lebensqualität und auch präventiv würde ich mich auf die Reise der Erkenntnis begeben. Ich würde es tun, bzw musste das tun, sonst wäre ich jetzt immer noch haltlos und treibend, gesteuert von Dingen, die ich gar nicht weiß,  geschweige verstanden, mein Verhalten und meine Emotionen selbst nicht nachvollziehen konnte, aber da ist jeder unterschiedlich, manche leben halt damit.

Lieben Gruß

André
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« Letzte Änderung: 24.03.2023 08:22:46 von Andre12 »
Wer etwas will, der findet Wege. Wer etwas nicht will, der findet Gründe….
 
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