Hallo,
in letzter Zeit wurde hier an verschiedenen Stellen viel geschrieben. Bisher kam ich nicht dazu, in einer ruhigen Minute zu antworten, obwohl mir viele Gedanken dazu im Kopf rumgeistern.
Ich lasse das jetzt zusammenfassend mal hier im Thread. Ich hoffe, das ist okay. Das ganze thematisch sortiert in mehrere Beiträge aufzudröseln bekomme ich gerade nicht hin.
Ja, Jacky, du hast recht. Niemand würde einfach an einem Blinden am Straßenrand vorbeigehen.
Niemand, außer mir.
Denn sehr oft sehe ich das Offensichtliche nicht, wenn man es mir nicht direkt sagt.
Das gilt aber ja auch andersrum. Was für mich offenkundig ist, ist deshalb noch lange nicht für Andere ersichtlich. Da wird es dann wohl manchmal schwierig.
Natürlich ist es dadurch leichter, zu verstecken, was man nicht sieht. Denn gerade weil man es doch noch irgendwie kann (wenn auch oft nur mehr schlecht als recht), versucht man es ganz von allein.
Ich schrieb es glaube ich auch schonmal drüben: Ich kann mich aber nicht darüber 'beschweren', nicht wahrgenommen zu werden, wenn ich alles daran setze, daß es so bleibt. Genau das ist ja das eigentliche Problem. Du sagst es ja selber: Erfahrungsgemäß fehlt das Vertrauen in die Gesellschaft, da niemand gerne 'abgestempelt' wird. Aufklärung würde helfen, aber aus genau diesem Grund möchte ich sie nicht leisten. Da schiebe ich die 'Verantwortung' von mir. Gleichzeitig ärgere ich mich dann über die Ignoranz Anderer. Das macht bei näherer Betrachtung keinen Sinn.
Und ja, bei Familie und Freunden ist das natürlich immer ungleich schwieriger. Wenn es mir wirklich mal über einen längeren Zeitraum nicht gutgeht, fällt das schon auf - sehr sogar.
Dann ärgere ich mich über mich selbst, und schäme mich dafür, mich nicht im Griff zu haben. Trotzdem ist der Gedanke daran, das Schneckenhaus zu verlassen, viel zu verstörend.
Andere können nicht wissen, was ich weiß. Oder was 'in mir vorgeht'.
Aber ich mag es auch nicht erklären, das kann ich gar nicht.
Die Frage sollte also nicht sein "Warum sehen die das nicht?", sondern "Warum sage ich nichts?"
Ja, da ist sie dann wieder... die Angst davor, nicht verstanden zu werden.
Warum trinkt ein Trinker? Warum spielt ein Spieler?
Sie wissen es doch eigentlich besser. Kann ja keiner behaupten, sie wüßten nicht um die negativen Folgen.
Doch jeder hat seine eigene Logik, die eigene Sicht auf die Dinge; aber diese zu erfassen, und dann gegebenenfalls ändern, ist manchmal ein wahnsinnig schwieriges Unterfangen, und ab und an sogar schlichtweg unmöglich.
Für Andere ist es Ignoranz, Sturheit, Arroganz, Starrsinn, Verarschung, Verblendung oder Dummheit. Für mich ist es 'normal'. Ich kann nicht mit dem Finger schnipsen, und plötzlich hab ich einen Löffel Erkenntnis für die Erleuchtung.
Nun ja, ich denke aufgrund eurer kürzlichen Unterhaltungen jedenfalls gerade darüber nach, ob es wirklich immer einen 'Grund' gibt, und warum ich glaube, daß die Wahrscheinlichkeit, wieder zu spielen, nicht unerheblich von Äußeren Umständen abhängt - obwohl ich doch eigentlich ganz genau weiß, daß letztlich ich das Problem bin, und niemand sonst. Denn das merke ich ja immer wieder.
Jemand sagte vor ein paar Tagen im Chat, daß die 'Gefahr', wieder zu spielen, für ihn wohl deutlich höher wäre, wenn er Single wäre. Das sehe ich genauso, auch wenn das irgendwie unlogisch ist.
Ja, das ist recht absurd, denn zu Anfang meiner bisherigen Abstinenz war ich Single, und hatte auch sonst nicht mehr viel 'zu verlieren'. Ich würde trotzdem behaupten, daß es für mich nur ohne Beziehung überhaupt möglich war, dauerhaft trocken zu werden.
Von daher ist das irgendwie ein Widerspruch.
Erfahrungsgemäß sind viele meiner Ansichten von Außen betrachtet anscheinend widersprüchlich und schwer nachvollziehbar, auch weit über mein 'ungesundes Spielverhalten' hinaus.
Für mich selbst ist es aber nicht unlogisch, auch wenn es wohl so klingt.
Was einen letztendlich zur Sucht trieb wäre schon interessant, wenn jenes auch wieder dazu führen könnte, wieder erneut zu spielen.
Im Gegensatz zu Fred kam es bei mir bei einigen wenigen vergangenen Situationen gelegentlich schon vor, daß ich das innere Gefühlschaos noch deutlich nachempfinden konnte, wenn mich etwas plötzlich daran erinnerte - auch zwei oder fast drei Jahrzehnte später. Das kommt selten vor, aber wenn, dann ziemlich überraschend, und gilt ganz besonders für 'Negatives'. Hilflosigkeit, Überforderung, Unsicherheit... und ja, auch Angst. Er hat aber absolut recht damit: Ich kann es nicht ändern, und es hilft mir nicht weiter. Denn ich bin kein Kind mehr - und auch kein aktiver Spieler; weder abhängig, noch hilflos. Heute habe ich daher ganz andere Möglichkeiten. Diesen Freiraum habe ich mir geschaffen, und das ist gut und wichtig.
Ich habe auch nie nach einem Grund gesucht, da ich mir ziemlich sicher war, daß dies ein fruchtloses Unterfangen wäre.
Es gibt keinen Grund, nein. Keinen Greifbaren oder Spezifischen, kein 'Schlüsselereignis'.
Dennoch gibt es Dinge, die nicht passieren sollten. Sonst habe ich ein 'Problem'.
Denn ich bin nunmal ich. Gefangen in meinem eigenen Kopf war ich schon immer mein unberechenbarster Gegner.
Es gibt Menschen, die würden mir Dinge abnehmen, oder mir helfen. Jederzeit. Ich müßte ihnen nur sagen, wie und wobei. Das zu wissen ist beschämend und ermutigend zugleich. Die Scham ist das, was mir im Weg steht.
Im Gegensatz zu früher kann ich die Frage nach dem 'Wie' heute manchmal sogar beantworten. Mir selbst zumindest. Das ist immerhin etwas, und es hilft schon sehr. Wenn ich schon nicht um Hilfe bitten kann, weiß ich wenigstens, wie ich mir selber gewisse Dinge einfacher machen kann.
Kleine Schritte.
Denn ja, Kausalitätsketten gibt es immer, sich dem komplett zu entziehen ist nicht möglich.
Vorgestern hatte ich eine Unterhaltung über gewisse Adjektive, die man in Bewerbungen verwendet (meine Schwägerin ist gerade auf Jobsuche). Meine bessere Hälfte las ihre Bewerbung, und fragte mich: "Mhh... Schließen sich 'selbständig' und 'teamfähig' nicht gegenseitig aus?"
Ich meinte nur: "Könnte man meinen, ja. Bei mir wäre 'teamfähig' auch tatsächlich eine ziemlich dreiste Lüge. Trotzdem geht es nie ganz ohne, nirgendwo reicht 'selbständig' allein aus. Daher ist auch immer beides gefragt. Je nach Situation sind die Anforderungen an verschiedene Aufgaben ja unterschiedlich."
Beide nickten.
Meine Schwägerin schob dann noch lachend ein, es stimme schon, von den eigenen Kollegen genervt zu sein zeuge nicht gerade von 'Teamfähigkeit'. Ich habe davon abgesehen, ihr zu erklären zu versuchen, daß der Grund dafür bei Weitem nicht so simpel ist. Das ist mir zu anstrengend, und ihre Meinung nicht relevant genug, den Versuch zu unternehmen.
Aber ja, ich bin kein 'Teamplayer', allein bin ich besser darin, Probleme zu lösen - allerdings auch ein Meister darin, sie überhaupt erst zu schaffen. Mich auf mein Bauchgefühl zu verlassen führt erfahrungsgemäß doch eher selten zum Erfolg. Das macht Offenheit notwendig, wenn das Miteinander gelingen soll. Zumindest bei nahestehenden Personen.
Das zu verstehen hat sehr lange gedauert, und die Umsetzung ist alles andere als einfach.
Doch auch wenn es, so wie es ist, besonders momentan oft anstrengend für mich ist, schätze ich die Gefahr, wieder zu spielen, zum jetzigen Zeitpunkt als sehr gering ein. Denn meine Bemühungen sind nicht einseitig, ich bekomme etwas zurück. Und ich verlasse meine Komfortzone, wenn ich es unbedingt muß. Nützt ja nichts.
Mhh... lange Rede, kurzer (oder eher gar kein) Sinn. Sorry für den Roman.
Ich gehe besser schlafen. Gute Nacht.