Hallo André,
bei mir ist es genau andersrum. Es fällt mir schwer, Emotionen zu erfassen und einzuordnen - sowohl eigene, als auch die Anderer. Das gilt auch für Anspielungen und unterschwellige Hinweise. Ich muß sie also nicht nur abgrenzen und auseinanderhalten, sondern ganz oft überhaupt erstmal als solche erkennen. Dann frage ich mich halt eben: "War das jetzt so gemeint, oder habe ich es nur so verstanden? Eine 'gedankenlose' Aussage aus der schlechten Laune heraus, oder ein bewußter Vorwurf? Und warum ist der überhaupt so aufgebracht?" Da 'stehe ich dann auf dem Schlauch', und denke darüber nach, was der Anlaß gewesen sein könnte, daß ich gerade mal wieder sowas abbekommen habe - oder ob das am Ende doch überhaupt gar nichts mit mir zu tun hatte.
Im Grunde genommen läuft das aber wohl auf dasselbe hinaus wie bei dir. "Was passiert hier gerade? Geht es um mich, oder um mein Gegenüber - oder um etwas völlig Anderes?"
Ich muß immer über alles erstmal nachdenken, daher sage ich lieber gar nichts, zumindest wenn es um 'potentiell gefährliche' Konfliktsituationen (die erfahrungsgemäß damit enden, daß man völlig aneinander vorbeiredet) geht. Bei Fremden antworte ich nicht - oder nicke bloß einfach. Im Alltag, bei Leuten, mit denen ich auskommen muß, zum Beispiel auf der Arbeit, weiß ich hingegen, daß eine sofortige Antwort erwartet wird. Das ist dann aber eher 'ungefährlich, und ich rede einfach drauf los, ohne den Gedanken zuende gebracht zu haben, was wohl manchmal etwas zusammenhanglos wirkt. Herrscht aber grad eine Stimmung, die ich nicht einschätzen kann, lasse ich das alles lieber, und sage erstmal gar nichts. Auch das wird allerdings oft falsch ausgelegt. Ich bin schlichtweg überfordert mit Konfliktsituationen, aber meine (Nicht-)Reaktion scheint die Leute manchmal dazu zu bringen, zu glauben, ich wolle sie provozieren. Irgendwann versuche ich dann manchmal doch, mich zu rechtfertigen... was es nur noch schlimmer macht.
Und ja, ich denke auch, daß ich durch die Spielsucht noch mehr als sowieso schon dazu neige, den Fehler bei mir zu suchen. 'Demut' ist also nicht immer unbedingt hilfreich.
Die Vergangenheit hat mich viel gelehrt, aber nicht jeder Schluß, der sich daraus ziehen läßt, öffnet Horizonte, und nicht für jedes Problem gibt es auch eine Lösung.
Doch so oder so... ich habe nur dieses eine Leben, also mache ich das Beste draus.
Und wenn das bedeutet, daß ich auf dem Weg zu mir selbst ein Leben lang lernen muß, dann sei es eben so.
Es ist, wie es ist.
'Authenzität' ist auch so eine Sache. Meine Umwelt nimmt mich schon als 'seltsam' wahr, aber das ist mir egal, denn ich störe ja niemanden. Anderseits habe ich das Nicht-Auffallen quasi perfektioniert. Im Grunde genommen gehe ich da also wohl einen Mittelweg.
Ich bekomme den Nebel im Hirn nicht ganz weg, aber wenigstens erkenne ich so die meisten Umrisse. Wie ich an anderer Stelle schonmal sagte: Dazugehören ist mir nicht so wichtig, Akzeptanz hingegen macht vieles einfacher. Wenn ich das kann, und die Leute, die mir wichtig sind auch, dann bin ich mit mir selbst im Reinen.
Ja, ich muß gar nichts. Aber ich kann. Die Möglichkeit, eigene Entscheidungen zu treffen, ist ein sehr wichtiger Aspekt in meinem Leben - wie lange auch immer das dauern mag. Nur würde eben keiner verstehen, daß gut gemeinte Ratschläge bei so banalen Enscheidungen wie "einen Kumpel anrufen" oder "Brauche ich wirklich neue Schuhe?" mir genausowenig weiterhelfen würden, wie ein "Ich mach das eben für dich.". Dies führt dann auch oft zu Diskussionen, die keiner haben will, weil sich jemand anscheinend dadurch beleidigt (oder in seiner Rolle als Ehepartner gekränkt) fühlt, daß ich (mehrmals) sage, ich mache das schon selbst - auf meine Art.
Es ist wirklich absurd, wie das manchmal endet. Schon alleine deshalb diskutiere ich sowas nicht.
Das bewußte Wahrnehmen von Dingen, wie Taro oben schon sagte, ist etwas, was ich viel und häufig mache - schon seit meiner Kindheit. Zu meiner Spielerzeit ging das eher in eine destruktive Richtung, und mein Kopf kam da nur selten zur Ruhe. Heute geht das wieder. Ich kann mich wieder stundenlang komplett in etwas verlieren. Das 'erdet' mich in gewisser Art und Weise, von daher ist das schon etwas Positives - unabhängig davon, was Andere davon halten. Es gibt so viele schöne und faszinierende Dinge, an denen Andere einfach vorbeilaufen, ohne sie zu bemerken.
Ich bin mir nichtmal sicher, ob ich weiß, wie das Leben funktioniert. Ich weiß aber zumindest, wie es das nicht tut.
Also ja, wenn es nicht anders geht, muß ich meine Komfortzone verlassen, und einen Weg finden, der für mich 'machbar' ist. Denn auch da weiß ich, was passiert, wenn ich es nicht tue. Wenigstens das habe ich aus meiner Spielerzeit gelernt.
Ich wünsche einen schönen Sonntag.