Hallo,
Vor 1.5 Wochen habe ich durch Zufall rausgefunden, dass mein Freund (Beziehung seit 7 Jahren, gemeinsame Tochter 2 Jahre) seit 2016 phasenweise extrem Online-Wettspiele betreibt und mittlerweile eine ordentliche Summe Schulden hat.
Ich wollte letzte Woche schon mal hier schreiben, war aber zu emotional, als dass ich einen vernünftigen Gedanken fassen konnte.
Auch jetzt wird es wahrscheinlich eher sehr rational, weil ich die emotional tiefgründigeren Gedanken noch nicht in Worte fassen kann und viele Punkte natürlich auch sehr individuell sind.
Ich möchte meinem Freund auf jeden Fall unterstützen bei seinem Kampf gegen die Sucht, er ist im Moment auch auf der Suche nach einer Therapie, hat sich um eine Selbsthilfegruppe bemüht und war schon bei der Sozialberatung bei uns im Betrieb, die auch eine Suchtberatung machen. Aber natürlich kommt direkt auch der Gedanke auf, macht er das jetzt wirklich weil er sich seiner Lage bewusst ist, seines Problems und es wirklich lösen möchte und seinem generell hohen Suchtpotential auf dem Grund gehen möchte (Neigungen zu Alkoholismus, ehemals kettenraucher und starke Gewichtsveranderungen gehören ebenfalls zu seiner Vita) oder ob der Aktionismus eher betrieben wird, um mir den Gefallen zu tun, um mir zu zeigen dass er für uns kämpft und noch nicht verstanden hat, dass er in erster Linie für sich selbst kämpfen muss.
Vielleicht ist es am Ende auch egal, weil die Hilfe die er bekommt Wirkung zeigt, aber die Zweifel kann ich im Moment nicht abschalten.
Auch wenn ich weiß, dass das Verhalten eines Suchtkranken nicht rational erklärbar ist, kann ich mir im Moment nicht vorstellen, dass man, nachdem das Problem jetzt aufgedeckt wurde, einfach weiter zockt / wettet - aber das ist das denken eines "Gesunden" Verstandes, also frage ich mich ob und wenn ja wie ich mich bei meinem Freund z. Zt. erkundigen soll, ob er weiter gemacht hat oder nicht. Würde er es mir überhaupt erzählen? Ich möchte ihm nicht auf die Nerven damit gehen, weiß aber einfach nicht wie präsent ich das Thema halten soll/ darf. Er ist schon immer eher wortkarg, über seine Probleme spricht er jetzt natürlich auch nicht von selbst, dabei ist es mir wichtig ihn zu verstehen und auch zu sehen was er für Gedanken / Ängste/ Gefühle hat. Oder ist es sinnvoller das Thema im Alltag weitestgehend auszuklammern und darauf zu hoffen, dass er durch die Selbsthilfegruppe und eine mögliche Therapie selbst erkennt, dass er mich als Partnerin mit einbinden kann und sollte um einen Weg aus der Sucht zu finden und vor allem eine gemeinsame Zukunft aufbauen zu können.
Ein weiteres Thema was mich sehr beschäftigt, ist der Umgang mit den Schulden - Stand meines jetzigen Wissens hat mein Freund seine Schulden soweit im Blick, dass er alle Forderungen rechtzeitig begleicht und hat Wert darauf gelegt keinen negativen SchufaEintrag zu bekommen. Ihm war immer wichtig, dass er weder an das Geld unserer Tochter (freien Zugriff da er Kontoinhaber ist) noch an mein Geld geht (getrennte Konten, er hätte nur Zugriff auf meine Aktien gehabt), was ich ihm auf der einen Seite zugute halte, auf der anderen Seite sich aber auch der Gedanke einschleicht, dass die diversen Kreditkarten auch ein Ausweg zum Vertuschen waren, weil ich ein Fehlen der Aktien oder auf dem Konto unserer Tochter eher hinterfragt hätte. Für mich war eigentlich von Anfang der Gedanke, dass ihm nicht geholfen ist, wenn ich seine Schulden begleiche und er bei 0 anfangen kann, abgesehen davon ist natürlich mein Vertrauen auch so geschädigt, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt das Geld nicht überlassen könnte. Durch die Aufstellung seiner Schulden, ist mir jedoch bewusst geworden, dass er jeden Monat über 300 € Zinsen zahlen wird, was natürlich den Schuldenabbau deutlich verlängern wird und mit Blick auf eine gemeinsam angestrebte Zukunft nicht sinnvoll bzw hirnrissig wäre. Deshalb stelle ich mir die Frage, wie ich seine Schulden (oder Teile davon) "vorstrecken" kann um die Zinslast zu minimieren und dennoch auf der sicheren Seite bin, dass ich mein Geld auf alle Fälle zurück bekomme. Muss ich das dann vertraglich festhalten und notariell unterzeichnen lassen oder wie könnte ich mich wenn ich diesen Schritt gehe absichern. Denn natürlich möchte ich die Hoffnung nicht aufgeben, dass wir das gemeinsam schaffen aber ihm das Geld ohne Absicherung vorzustrecken fände ich bei der hohen Summe zu naiv.
Ein weiterer Gedanke der mich beschäftigt, ist die Frage, wie sehr der Schuldenabbau im Alltag Einschnitte machen soll. Mein erster Impuls ist "Schulden = einsparen einsparen einsparen" um möglichst schnell das Geld wieder drin zu haben, und der Gedanke sich was zu "gönnen" wenn doch auf der anderen Seite Schulden zu begleichen sind, ist für mich paradox. Ich weiß also zum Beispiel nicht ob und wie ich den anstehenden Urlaub genießen soll/ kann, wenn das Geld doch eigentlich auch für das Begleichen der Schulden genommen werden kann, aber mein Freund möchte mir den natürlich auch nicht "nehmen" und möchte wahrscheinlich auch selbst gerne diese Auszeit. Aber ich frage mich, ob ein zu harter Sparkurs nicht vielleicht das Rückfallpotential erhöht, weil das Leben dann noch weniger "lebenswert" scheint und dann die vermeintliche Chance auf "schnelles" Geld lockt. Ist der Gedankengang verständlich? Also mir ist eigentlich nur wichtig, dass meine Tochter das bekommt was sie braucht, dass wir ihr nichts verwehren.
Puh, jetzt ist es doch schon einiges an Text geworden und wenn ich ihn nochmal lese, wirkt er für mich so emotionslos und ICH bezogen - in meinem Kopf ist noch so viel mehr los, aber das braucht noch seine Zeit bis ich diese vielen Wieso/Weshalb/Wie Gedanken bündeln kann und im Moment brauche ich vor allem Ratschläge zum "aktiven" Handeln - also vielleicht hat ja einer von euch Ideen, eigene Erfahrungen etc. Die er mit mir zu Fragen teilen möchte.
Einen schönen Abend 😊