Hi Anja!
Heute vormittag hatte ich schon einen längeren Beitrag an Dich verfasst, doch leider nahm der Server die Nachricht nicht an - weiss der Geier warum ...
Fred hat es schon gesagt: Wenn man Ausreden finden möchte, dann finden sich auch welche.
Ich kam mir damals beim erstem Mal in der SHG ziemlich komisch vor.
Doch ich hatte vorher angerufen und mir wurde gesagst, dass man sich eine viertel Stunde vor dem Meeting bereits vor der Tür träfe.
Also war ich dort und wurde sofort herzlich begrüßt.
Ich wurde gefragt, ob ich Spieler sei. Ich nickte - mein Gegenüber nickte - das war´s.
Da gab es keinen vorwurfsvollen Blick - da gab es nur einen Ausdruck im Gesicht, der besagte: Herzlich willkommen!
Auch ich habe nur ein dreiviertel Jahr die SHG besucht. Seitdem begegnen mir diese "Ausreden", wie Deine, immer wieder.
Du darfst das nicht mit "normalen" Begegnungen vergleichen, wenn Du mit Suchtunbedarften über die Krankheit und Dich sprichst.
Wir haben alles schon gehört und jeder hat einen Teil seiner Erfahrungen dazu beigetragen.
Es gibt im Meeting keinen Grund sich zu schämen.
Regelmäßig betreibe ich daher Überzeugungsarbeit eine SHG zu besuchen.
Wenn Du Dich hier ein wenig einliest, dann wirst Du auf Personen treffen, die von ihrem ersten SHG-Besuch berichten. Also wirklich fast ausschließlich fühlen sich die Leute dort wohl aufgehoben und gehen auch weiter hin.
Es macht auf der emotionalen Ebene einen großen Unterschied, ob Du Dich hier im Forum verstanden fühlst oder in der SHG.
Hier könnte ich Dir das Blaue vom Himmel vorlügen - in der SHG sprichst Du aber nicht nur durch Deine Worte ...
Diese Erfahrung ist viel intensiver, was Dich motivieren wird an Dir zu arbeiten.
Wie ich hier erfreut lesen darf, reflektierst Du ja super gut, wenn Du Dir die Mühe machst Dich mit Dir zu beschäftigen.
Genau darum geht es aber auf dem Genesungsweg.
Deine "Schandtaten", welche auch immer weswegen Du Dich schämst, werden Dir bald recht schnuppe sein.
Schließlich kannst Du die Vergangenheit nicht mehr ändern - dafür aber die Gegenwart.
Also wirst Du Dich darauf konzentrieren.
Irgendwann wirst Du "erschrocken" feststellen, dass Du Dich in bestimmten Bereichen verändert hast hin zu der Person, die Du sein möchtest - und wirst stolz auf Dich sein!
Seit einigen Jährchen bin ich nun abstinent (und hätte es damals nie für möglich gehalten).
Seitdem bewege ich mich auch so ein bis zwei Mal im Jahr zu Seminaren und den Jahrestagungen von fags.
Dort bin ich also persönlich mit den "Profis", wie ich die Psychologen, Therapeuten, Sozialarbeiter und wie sie auch alle heißen, liebevoll nenne, in einer Gruppe.
(Nächsten Monat geht es in einem Seminar um Gefühlsregulation und im November in einem Workshop um das Thema Scham)
So habe ich letztes Jahr in einem Workshop nur mit den Profis gesessen, während ein Freund in einem Themengleichen nur mit Leuten aus der Selbsthilfe teilnahm.
Das Thema drehte sich um die Beziehung Therapeut-Klient, bzw. der Beziehung zwischen den SHG-Mitgliedern.
Im Anschluss haben mein Freund und ich uns ausgetauscht.
Was soll ich sagen ... im Grunde haben beide Workshops die gleichen Erfahrungen geliefert, sowie die Vorgehensweisen. Die Einen machen es in ihrer Fachterminologie, die Anderen, wie ihnen der Mund gewachsen ist.
Ich habe auch immer gesagt: Mir kann keiner helfen! - eine Ausrede ähnlich wie Deine.
Doch die Begegnungen mit den Profis hat mich Vertrauen in sie wachsen lassen.
Sollte also der hoffentlich nie eintretende Fall eines Rückfalls geschehen, sitze ich sofort am Telefon und mache einen Termin mit einem von ihnen.
Vor knapp 1,5 Jahren habe ich mit einer Therapeutin gesprochen, ob ich selbst noch eine Therapie machen sollte. Das Ergebnis - ich brauche keine mehr.
Doch ich "bilde" mich auch weiterhin weiter - möchte achtsam mit mir umgehen und vorsichtshalber mich nicht in Sicherheit wiegen.
Nun möchte ich Dir die kostenlose Hotline von fags noch ans Herz legen: 0800 - 0776611
(fags = Fachstelle Glückspielsucht NRW e.V.)
Hier könntest Du morgen ab 10 Uhr einfach mal anonym anrufen und über Deine Scham und Deine Ängste sprechen.
Auch kannst Du Dich hier mit Kontaktadressen versorgen lassen, egal für welchen Zweig der Suchthilfe.
Die Jung und Mädels dort beißen nicht ...
Thema Suizid:
Personen mit einer Glückspielsucht stehen oft am Rande des Suizides.
Leider wird dieser auch oft genug vollzogen, wie Du ja erfahren hast.
Erschreckend war es, wie Du von dem Mann gesprochen hast. Und in Deinem ersten Beitrag sprachst Du selbst über solche Gedanken.