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Autor Thema: Warum musste ich in eine Sucht flüchten ?

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A
Moin,
ich denke diese Frage stellen sich irgendwann alle Süchtige. Ich habe mir diese Frage jahrelang gestellt, automatisch beim Erstbesuch bei der Ats oder in der stationären Therapie konfrontiert. Das es die Spielsucht geworden ist, war meinem Weltbild geschuldet, Drogen und Alkohol hätte man mir irgendwann angesehen. Der Alkoholkonsum war trotzdem schon groß, aber eben gesellschaftlich anerkannt und immer nur soweit, das die Arbeit nicht litt und ich alle Pflichten erfüllen konnte. Leichte Drogen hab ich auch probiert, die waren aber nix für mich.Mit harten Drogen kam ich "Gott sei dank" nie in Berührung. Damit hatte ich mir schon mal erklärt, warum nun die Spielsucht es gerade sein muss...und nun? was hat mir das Wissen für meine Abstinenz genützt ? erstmal nicht viel, wie ich mir durch meine weitere 3 Jahre Suchtausübung  nach der Therapie zeigte.

Als kleines Kind, so ab 3 oder 4 Jahren stand ich schon immer in der Ecke und habe von einem Bein aufs andere gewackelt, da lief bereits etwas quer. Es wurde im laufe der Jahre nicht besser, nur anders : die Flucht ins Spiel.
Ich konnte also von klein auf an, irgendwas nicht aushalten. Heute weiß ich, ich habe meine Gefühle nicht ernst genommen, ich habe mich als nicht wertgeschätzt selbst gesehen, oder besser als es nicht wert zu sein (was auch immer) empfunden, und schon gar nicht habe ich gelernt für mich einzustehen, ohne  selbst dies alles überhaupt zu verstehen, das habe ich mir beigebracht wie das laufen.... Es entwickelte sich immer weiter, bis letzen Endes ich  nur noch instinktiv handelte um eben genau diese Wertschätzung zu bekommen, dies trat natürlich selten ein. Ich verstand es aber schlichtweg nicht. Ich verstand nicht warum ich mich schlecht fühlte, warum ich weglaufen musste. Ich erkannte überhaupt nicht was ich mein Leben lang trieb, woher auch ?, dachte ich doch es muss alles so sein. Ich wusste wie ich mich zu verhalten habe, zusätzlich immer unterm dem Radar des Entdecken der Sucht. Damit machte ich es mir selbst, ohne es zu merken, noch schwerer. War ich doch noch zusätzlich vernebelt von meiner Sucht.
Dieses " Spiel "  von mir zu erkennen, war schier unmöglich, da es meine Welt war, dass war aber genau meine Aufgabe. Zu Erkennen das ich immer gegen meine eigne Werte gehandelt habe, ohne diese selbst zu kennen. Ich bin froh meinen Weg gegangen zu sein und ihn zu gehen, und aus den anfänglich  unmöglich , ein möglich machte..
Dies  meine heutigen Gedanken dazu, mein "Werdegang".

Lieben Gruß
André
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Hallo Andrè,

ausnahmsweise und auch nur dieses eine mal schreibe ich einmal nicht von mir, sondern von jemand anders.
Ich habe ihn früher immer einmal wieder getroffen beim spielen, auch waren wir ab und zu zusammen im Casino Baden Baden.
Er war in dieser Szene kaum unbekannter als ich.

ich erzähle es Rückwärts und fange an mit seinem Tot.
Ich weiß nicht woran er gestorben ist, jemand hat es mir einst erzählt und ich habe es dann auch noch recherchiert.
Vielleicht auch das einzige mal, dass sein Spielerleben eine Aufmerksamkeit finden wird, wenn auch anonym.
Das letzte mal als ich ihn gesehen habe war er als Taxifahrer beschäftigt.
Davor gab es wohl einige Strafverfahren wegen Unterschlagung, dies erzählte er mir als ich mit ihm das letzte mal geredet habe.
Irgendwo in einer Stadt wo ich ihn zufällig traf und er erzählte mir von seiner Scheidung.
Er hatte früher einen Traumwagen, ein unglaublich schönes Haus und eine bezaubernde Ehefrau...eine welche man nicht so schnell vergisst  in den Gedanken eines Mannes. Eine Tochter, ich habe sie nie gesehen aber auf den Fahrten zum Casino erzählte er mir gerne von ihr.
Sie war wohl gut in der Schule und er war stolz auf sie, es war zu sehen in seinen leuchteten Augen.
Damals arbeite er in der Schweiz in einer führenden Position, dementsprechend auch sein 5 stelliges Monatsgehalt.
Von außen betrachtet ein glücklicher Mann, Vater.

Also, von was er auch immer geflohen ist.....etwas anderes war wohl unendlich stärker.
Ich kann nicht wissen was alles dahinter steckte, er hat auch nie etwas negatives gesagt.
Und nur süchtige Menschen können es etwas greifen um es zu verstehen.
 

Wir sind am Leben lieber Andrè.
Schöner Beitrag von Dir.

Grüß Dich   

       
 

 
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A
Moin,

was indirekt auch zu diesem Thema gehört, ist die Sucht als solches.
Ich erinnere mich noch gut, wie ich 4 Jahre lang intensiv mit den Ursachen der Sucht, mit dem Leben der Sucht, mit meiner Person, mit Erlebnissen, meinem Verhalten mit allen Möglichkeiten der Suchthilfe beschäftigt und vieles aufgearbeitet habe.
Dennoch spielte ich zum Anfang noch regelmäßig, im letzten Jahr vor der Abstinenz unregelmäßig, aber immer so, dass viele Facetten der Sucht erhalten blieben.( Verstecken der Ausübung der Sucht, Gelddefizite, Schamgefühl, um einige Punkte zu nennen) Und wusste nicht warum überhaupt noch????
Bis ich nochmal auf die Idee kam, das Thema Sucht zu betrachten. Also nicht nur, was mich in die Sucht trieb, usw. sondern was bedeutet überhaupt Sucht ?
Dann fing ich an zu verinnerlichen , dass dieser Gedanke nur 20 Euro oder nur mal kurz oder was auch immer so durch meinem Kopf schwirrte um mir das Spielen zu erlauben, ich eben als Spielsüchtiger überhaupt nicht mehr kann bzw. darf, weil genau das ein Hauptmerkmal der Sucht ist. Nicht aufhören zu können. Das denn endlich zu akzeptieren und zeitgleich zu verstehen was ich mit der Sucht kompensiere, ließ mich von der Sucht, unterm Strich, so blöd es nach 30 Jahren Suchtausübung auch klingen mag, relativ einfach los lassen. Kein Druck, keine Unruhe wenn Geld in der Hand oder aufm Konto, es durfte da liegen.
Mich ließ also ich selbst, mein Werdegang, mein Empfinden oder einfach zusammenfassend gesagt, mein Weglaufen vor dem was ich gar nicht kannte und die Sucht selbst in die Sucht flüchten. Den  zweit genannten Teil hatte ich aber zu wenig Aufmerksamkeit gegeben.

Lieben Gruß

André
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Moin Andrè,

auf die meisten Beiträge antworte ich eh gerne, auf diesen ganz besonders.
Einer der wenigen wo ich keine gradlinige Souveränität wiedergeben kann.

30 Jahre oder mehr aktives Suchtleben.....
Das sind fast zwei Generationen, über 30 mal Weihnachten, Ostern, Geburtstage usw.
Weit über eine viertel Millionen Stunden, an denen man eh nur an eines dachte.

Blechtrommelkind:
Als ich zum ersten male um Geld spielte und ich meine jetzt nicht als ich noch ein Kind war.
Sondern als Jugendlicher der dies dann auch genießen konnte, fand ich ein sehr großes Interesse daran.
Doch fand ich immer noch genug an Ablenkung an anderen Dingen die mir Freude bereiteten.
Dies hörte einmal aber auf und ich war noch keine 18 Jahre alt.
Später kann ich es schon benennen warum ich immer wieder zum spielen wollte ...kein Problem.
Doch für diese erste Zeit und Weiß Gott  fällt es mir wesentlich schwerer.

Natürlich habe ich im Forum und in meiner SHG darüber geschrieben/gesprochen, auch konnte ich mich in vielen Erzählungen wieder finden....
eigentlich aber irgendwie in jeder.
Jacky1 mag auf alles eine Antwort finden, fällt auch recht leicht in unserem selbst erfahrenem Spektrum hier.   
Wenn auch abstinent, gefestigt und immer mehr zum " konservativen Hang " in vielen Antworten.
Es gibt Hürden ..sie sind viel zu hoch für mich!
Am liebsten ...ich flüchtete in die Sucht weil ich ein Arschloch bin und heute bin ich halt keines mehr.
Jaja, völlig Unakzeptabel.
Aber wer weiß es eigentlich besser als ich...für mich ?
Keiner ist in meinem Kopf.

Da analysiere ich mich am besten doch gleich selbst.
Wohl durch einen Verdrängungsprozess und Angst vor einer Scham vor mir selbst, bemühe ich mich nicht wirklich.
Genau zu erörtern warum ich in den ersten Jahren in die Sucht geflohen bin, danach wie geschrieben waren es eh die gängigen Begründungen.
Es ist halt einfach geschehen, ich hatte mich endschieden innerlich nicht mehr weiter zu wachsen.
Und nicht wie Oskar stürzte ich mich die Treppe runter, sondern ich ging halt spielen dafür...ich Blechtrommelkind.
Was aber wirklich dahinter steckte... sind im Grunde auch nur kränkliche Eigenarten an mir.
Doch komme ich nicht daran vorbei, anderen eine Mitschuld zu geben.
Und dies zu wissen macht es mir bewusst...es ist falsch so zu denken
Es würde weiterhin dazu führen dass alles sich dreht im Hirn und ich Lösungen anstreben würde, die naheliegend wären.
Nicht weil am wahrscheinlichsten ...sondern am bequemsten.

Ich floh in meine Sucht aus Angst vor meiner Realität, es war so einfach sich ein Ziel zu setzen..jeden Tag,
am Ende nur zu spielen.
Ein sumpfiger Morast der immer schlimmer wurde und daher auch immer einfacher weiterhin zu spielen.
Aber ich will nicht davon ausgehen, die ersten Jahre halt gerne gespielt zu haben und mit der Zeit dann darin einfach gefangen.
Ich fand einen Weg der mich befriedigte wieso auch immer und ich bin ihn auch gerne gegangen.

...schuldig!

Liebe Grüße
 

   
 







     
   
 

 
     
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A
Moin Jacky,

schöner Vergleich : Blechtrommelkind. Entschieden zu spielen. Denke die Krux hier ist, dass ich mich nicht bewusst entschieden habe, sondern das ich mich erst ohne Zwang entschied zu spielen,  dann später nur noch meine Sucht alles entschied und dennoch bin ich selbst ja die Sucht.

.
Weit über eine viertel Millionen Stunden, an denen man eh nur an eines dachte


       

Danke nochmal für diesen Hinweis, wenn ich mir das nochmal so vor Augen halte ist das Wahnsinn und doch kann ich es für mich so hinnehmen. Zeigt auch nochmal deutlich, wie sehr ich in allen "gefestigt" in  meiner Sucht dachte, empfand und gesteuert wurde.Etliche  tausende Stunden kommen ja noch dazu, dass ist das was ich nicht verstand und mich doch so prägte, die Kindheit, das Teenageralter ( hier kommt mein und sicherlich auch Dein Gedanke der Mitschuld von außen her)  Zeigt auch nochmal deutlich, dass nur ein Beitrag im Forum, hinsetzen in einer Shg oder ein Gespräch bei der Suchtberatung bei weitem nicht ausreicht um in der Abstinenz zu leben. Sämtliche Gedanken, sämtliches Empfinden,sämtliches Erlerntes und alles was ich als Gegeben, in Stein gemeißelt hinnahm, kannte und akzeptierte zu hinterfragen und ohne Suchtwahrnehmung neu zu bewerten, teilweise neu zu erlernen. Als Erwachsener die Verantwortung für mein Leben selbstbestimmt zu übernehmen. Das Bedarf schon vieles an "eignes" zu tun.

Hätte ich nur meine EC- Karte abgegeben und sonst nix, hätte ich gewartet bis ich sie wieder habe. Na, ja  hatte sie ja  eh behalten.

In diesem Sinne , einen sonnigen Tag

Lieben Gruß

André
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