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Spielsüchtiger Vater - nichts mehr wie vorher

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Maerchen95:
Hallo,
vor 3 Tagen flog meiner Mutter und mir unser Leben um die Ohren als wir heraus fanden, dass mein Vater meine Mutter um +100.000€ betrogen hat. Das ist ein so hoher Betrag, den wird sie ohne Privatinsolvenz niemals mehr los. Warum flog das ganze jetzt erst auf? Vielleicht waren meine Mutter und ich sehr naiv, haben alle Finanzangelegenheiten immer meinem Vater überlassen. Meine Mutter ist was Bankgeschäfte und Finanzen und seit Onlinebanking auch Technik angeht nie sonderlich bewandert gewesen und war deswegen “froh”, dass mein Vater das übernommen hat. Bis vor diesem Jahr hätten wir auch niemals gedacht, dass es um unsere Finanzen schlecht steht - meine Mutter verdient gut, mein Vater ist allerdings bereits seit 4 Jahren arbeitslos (vermutlich hat es dort auch begonnen so schlimm zu werden) - trotzdem waren wir bisher seit ich lebe (28 Jahre) immer im Urlaub, oft auch mehrmals im Jahr, konnten uns alles was wir brauchten erlauben und meine Eltern haben auch mich finanziell unterstützt indem sie meine Miete und meinen Semesterbeitrag gezahlt haben.
Wie flog es nun auf? Anfang des Jahres behauptete mein Vater, dass es Schwierigkeiten bei der Bank gäbe, dass das Onlinebanking nicht funktioniere & deswegen Dinge nicht abgebucht werden. Er fälschte E-Mails der Bank um mich und vor allem meine Mutter in die Irre zu führen, keiner von uns hinterfragte es. Ich bot auch mehrmals an, dass ich mich mal in das Onlinebanking einloggen könnte, aber dort wurde gemauert oder mein Vater gab mir falsche Zugangsdaten. Ich schlug ebenfalls vor zusammen zur Bank zu gehen, auch dies wurde immer ignoriert oder er sagte: Nee ich geh wohl dann und dann selber. Meine Mutter verzweifelte über die Situation keinen Überblick mehr über Finanzen zu haben, vor abgelehnten Daueraufträgen und Mahnungen zu stehen - schließlich brachte sie eine Kollegin auf den Gedanken, dass hier vermutlich nicht die Bank sondern ihr Mann das Problem ist und eine Spielsucht vorliegen könnte. Nachdem meine Mutter mir diesen Verdacht erzählte, sich dabei aber natürlich auch schlecht fühlte und zweifelte, schlug ich ihr vor mit ihr zur Bank zu gehen - dort wurde beim Versuch Kontoauszüge abzuholen ihre EC-Karte eingezogen. Anschließend sahen wir dann zum ersten Mal das Ausmaß des Ganzen. Mein Vater hatte die Karte meiner Mutter im April als gestohlen gemeldet (was sie ja nicht war, die lag im Automaten  :'() und für sich eine neue bestellt - die hatten wir auch mit & dadurch sahen wir dann den riesigen Schuldenberg. Es wurden auch zahlreiche Kredite bei anderen Banken aufgenommen, hunderte Glücksspielausgaben tummelten sich dazwischen.
Meine Mutter entfernte meinen Vater als Mit-Kontoinhaber und bekommt nun neue Zugangsdaten, allerdings hat er ja jetzt noch Kreditkarten bei diversen Banken, da sind wir gerade dabei alle anzuschreiben - schwierig ohne viele Daten zu kennen.
Nun nochmal zu meinem Vater, neben der Spielsucht ist er seit Jahren auch depressiv, liegt oft nur noch bis Abends im Bett, geht kaum raus,  war oft auch gesundheitlich angeschlagen, hat sich uns generell schon lange entzogen - wir haben schon bevor jetzt dieses finanzielle Fiasko rauskam, schon versucht ihn zu einer Therapie gegen Depressionen zu bewegen, er blockte alles ab.
Für meine Mutter, die nun eben mit meinem Vater in einer Wohnung lebt, war auch dieser depressive Zustand natürlich schon sehr schwer. Ich bekam es dadurch, dass ich alleine woanders wohne nur selten bei meinen Besuchen mit.
Als wir meinen Vater also nun mit den Erkenntnissen von der Bank konfrontierten reagierte er zunächst völlig emotionslos und sagte dann er würde ja auch überlegen sich das Leben zu nehmen - also ließen wir ihn abholen und in eine psychiatrische Klinik stecken.
Auch in den letzten Tagen kam von ihm wenig Entschuldigungen, er schickte uns Bilder vom Essen und beschwerte sich noch als ich ihm eine Tasche mit Kram vorbeibrachte, dass dort so wenig drin war (es war das was er wollte)  :-X
Ich schreibe auch nur sporadisch mit ihm, die Enttäuschung sitzt gerade sehr tief. Er wird immer mein Vater bleiben und eigentlich habe ich ihn immer sehr geschätzt und hatte auch in meiner Kindheit ein sehr tolles Verhältnis zu ihm (was viele Freundinnen von mir nicht von ihren Vätern behaupten können) - aber auch ich wurde von ihm belogen und betrogen, natürlich hat er mich auch mal um Geld betrogen, so wie alle in unserer Familie - er fälschte auch die Unterschrift meiner Oma um an Geld zu kommen (es ist wirklich extrem kriminell alles).
Meine Mutter redet nicht mehr mit ihm, wird ihn anzeigen und die Scheidung einreichen. Gerne würde sie auch direkt die Schlösser austauschen, allerdings ist das wohl schwierig.
Die letzten Tage haben wir damit verbracht überall aus dem Messi-Zimmer meines Vaters Zettel herauszukramen und diese abzuheften- jetzt herrscht schonmal ein grober Überblick über Kredite, Kontoauszüge, Verträge usw. Alles zu kündigen und natürlich der Gang zum Anwalt und die “Abbezahlung” der Schulden (die wird meine Mutter wohl zu Lebzeiten nicht mehr los).
Des Weiteren ist ein sorgloses Leben wie wir es kannten natürlich auch nicht mehr möglich. Ich verdiene in meinem Studierendenjob nicht schlecht & kann die Miete und andere Lebensunterhaltungskosten davon tragen, allerdings ist es natürlich auch kein fester Job und falls der mal weg ist oder auch falls irgendetwas größeres gezahlt werden muss, wird es schwierig. Für meine Mutter sieht alles natürlich noch schlechter aus - wie oben erwähnt, muss es vermutlich zur Privatinsolvenz kommen & das obwohl sie Vollzeit arbeitet und gut verdient  :( Wohnungsmässig muss sie sich dann vermutlich auch verkleinern und in den Urlaub werden wir wohl auch nicht mehr so einfach können.
Wie es mit meinem Vater weitergeht, wo er landet nachdem er entlassen wird ist auch schwierig. Meine Mutter will ihn ja verständlicherweise nicht aufnehmen und in meiner kleinen Einzimmerwohnung ist es nicht möglich und gerade will ich das auch nicht. Ob seine Mutter ihn nehmen würde, ist auch fraglich. Woher er Geld bekommt ist ebenfalls fraglich. Ob ihm das alles bewusst ist, dass es so sein wird? Ich glaube nicht.  ???

Das war jetzt alles sehr lang. Ich musste mir es mal von der Seele schreiben, mir geht es selber auch sehr schlecht. Ich schlafe und esse kaum, zittere und fühl mich kotzübel. Diese ganzen Veränderungen und der “Verlust” eines geliebten Menschens wiegen sehr schwer.

Falls ihr nachdem ihr diesen Roman gelesen habt, Tipps für uns habt - für egal was - lasst es uns wissen!

Jacky1:
Hallo Maerchen95 und herzlich Willkommen im Forum,

sehr gerne kann ich dir erst heute Abend schreiben.
Darum erst einmal schön dass du hier geschrieben hast, ich weiß nicht inwieweit es zufriedenstellende Lösungen gäbe.
Aber ganz sicher, es gibt Wege dorthin.

Liebe Grüße   

Jacky1:
Hallo Maerchen95,

deinen Vater anzuzeigen und euch  einen genaueren Überblick des Schadens zu verschaffen sind gute Schritte.
Es stehen ja Betrug ( Unterschrift - Dokumentenfälschung ) nachweislich im Raum, da müsste dann geklärt werden inwieweit
auch die Banken selbst einer Sorgfaltspflicht, insbesondere bei Vertragsabschlüssen nachkam.   
Auch wäre ein event. kulantes Entgegenkommen der Banken  denkbar, dies alles wird sich entwickeln und der Anwalt
die Möglichkeiten schon abwägen.   

Bei einer nun anstehenden Scheidung könnte event. dann auch von einem schwereren Härtegrad ausgegangen werden.
Würde einiges Beschleunigen, Kosten ersparen und schneller zu einem Abschluss führen.

Ein enormer Vertrauensbruch deines Vaters, mit einem fatalen Ergebnis für euch alle.
Er ist nun an einem tiefen Punkt angekommen und wohl ziemlich am Ende seines Leidensdrucks.
Seine psychische Erkrankung mit all den schlimmen Folgen wird hoffentlich zu einem Erkennen/Umdenken bei ihm führen.
Das Leben birgt oft viele Überraschungen, schwere Tage scheinen dann unendlich zu sein.   

Nun zu dir Maerchen,
du kannst kaum weglaufen von der emotionalen Bindung zu deinem Vater.
Sein Kreislauf führte ihn immer tiefer ins Verderben und nun bist du darin direkt involviert.
Nun zählt es aber auch unbedingt, an dich und deine Mutter zu denken.
Dein Vater wird lernen müssen wieder Verantwortung tragen zu können, aufgeben wäre keine gute Option.
Wir wissen es nicht wie es bei ihm weitergehen wird.
Darüber hinaus, auch wenn diese Enttäuschung eh bleibt, zählt für euch wieder eine Grundordnung zu erschaffen.
Parallel mit dem Abarbeiten eurer zukünftig finanziellen Aufgaben, wird sich auch wieder eine alltägliche Zufriedenheit einstellen.

Für den heutigen Moment gilt es durchzuatmen, es ist sehr verständlich wie es dir nun geht.
Manchmal schäme ich mich auch für andere pathologische Spieler, bin ja selbst einer.
Aber grundsätzlich tun sie mir sehr leid, wobei dies sich auch in Grenzen hält, je nach betriebener krimineller Energie an seiner eigenen Familie.
Leider blieb euch dies nicht erspart, es bleibt aber weiter deine Familie.
Ändert die Dinge die ihr nun auch ändern könnt, ihr seit ja dabei.
Verliere dadurch nicht das Vertrauen in Menschen die immer zu dir stehen werden. 
Leicht wird es nicht ...für keinen.
   
Aber es wird wieder besser werden, ganz sicher liebe Maerchen, Kopf hoch.
Bilde mit deiner Mutter eine Gemeinsamkeit, die euch beide immer weiter stärken wird.
Grabt euch nicht damit ein und es gäbe keine Vorwürfe, ihr wurdet leider hintergangen.
Seine Spielsucht mag die Begründung sein, mehr aber auch nicht!
Dies wertet ihn keinesfalls ab, doch ändern kannst du nur Dinge auf die du wirklich Zugriff hast 
 
   

Liebe Grüße     
     
   
     

Andre12:
Moin,

richtig ist natürlich ihm sein Suchtmittel, also Euer Geld  zu entziehen.
Ich denke, Du fragst da zwar nicht direkt nach, dennoch ist es wahrscheinlich für Dich/Euch nicht vollziehbar, was er getan hat.

Es macht die Sache jetzt nicht besser und verteidigen will ich ihn auch nicht. Es ist  für die Angehörigen oft eine persönliche Beleidigung, nicht nur das Geld unterschlagen wurde, sondern auch dieser Vertrauensmissbrauch, all die Aussagen vom Süchtigen werden jetzt als Lügen entlarvt und das tut weh.
Dann kommt die scheinbare Gleichgültigkeit, dass  Wegwischen der Probleme.
Er ist voller Scham, auch wenn er keine Reue zeigt.  Wenn er  alles zugeben würde, dazu stehen würde, müsste er sich die Sucht eingestehen. Nun habt Ihr ihn auffliegen lassen, so seit Ihr schneller als er. Verstehst wie ich meine?, er wird jetzt mit diesen ganzen Dingen konfrontiert, weil er gezwungen wird, also stammelt er rum. Es ist eine Krankheit, die eben nicht zu sehen ist, wie wohl eher bei einer Drogensucht oder Alkoholsucht. Wenn jdm. Geld wegen Drogen klaut, ist das Verständnis eher da, als bei einer Spielsucht. Die ist erstmal nicht zu sehen, wie Ihr schmerzlich erfahren musstest.
Das nur so als Erklärung, damit Ihr es etwas besser einstufen könnt, was Dein Vater alles getan hat, um seine Sucht zu befriedigen, ohne Rücksicht auf alles.

Du schreibst auch vom Verlust eines geliebten Menschen, das zeigt eben auch Eure Enttäuschung.
In wie weit Ihr ihn unterstützen wollt, könnt wird erst die Zukunft zeigen, denn auch Ihr werdet nun gezwungen Lasten für seine Scheisse zu tragen. Das alles müsst Ihr auch erstmal verarbeiten.

Das was ihr jetzt in die Wege leitet, ist das erstmal was Ihr tun könnt. Die Enttäuschung, Verletzungen und diesen Vertrauensverlust kann Euch keiner abnehmen. Ihr wisst jetzt um die Problematik,
Ich wünsche Euch ganz viel Kraft.

Lieben Gruß

André

amTiefpunkt:
Moin Maerchen95,

auch ein herzliches Willkommen von mir, schön, dass du hier bist.
Es tut gut, sich mal in einigen Zeilen Text den Frust und die Sorgen von der Seele zu schreiben.
Dein Vater ist spielsüchtig, soviel ist klar. Auch klar sollte dir sein, dass dies eine Krankheit ist, welche nicht heilbar ist.

--- Zitat ---Als wir meinen Vater also nun mit den Erkenntnissen von der Bank konfrontierten reagierte er zunächst völlig emotionslos und sagte dann er würde ja auch überlegen sich das Leben zu nehmen - also ließen wir ihn abholen und in eine psychiatrische Klinik stecken
Auch in den letzten Tagen kam von ihm wenig Entschuldigungen, er schickte uns Bilder vom Essen und beschwerte sich noch als ich ihm eine Tasche mit Kram vorbeibrachte, dass dort so wenig drin war
--- Ende Zitat ---
Glaube mir, er reut sich heftig für seine Taten, aber die ausweglose Situation, in der er sich nun schon befindet, macht es noch leichter seine Emotionen zu begraben und bei der nächsten Möglichkeit Spielen zu gehen. Nur dort kann er seine Situation momentan meistern, es ist ein einfacher Weg abzutauchen und die Sorgen zu vergessen und ab und zu auch ein Fünkchen Glücksgefühl zu empfinden. Im normalen Leben ist dies für ihn momentan schwer möglich. Aber solange er nicht gewillt ist, wieder ins Leben einzutauchen, bleibt nur der Automat und irgendwann ggf der Suizid. Trüber Aussichen, ich weiß, aber meine Erfahrungen spiegeln leider kein besseres Bild.
Dass deine Mutter sich scheiden lassen lassen will ist verständlich und nachvollziebar, wenngleich vielleicht sogar unumgänglich.
Ganz gleich was passiert, er bleibt dein Vater und ist krank. Die Krankheit kann zum stillstand gebracht werden, dafür ist jedoch professionelle Hilfe nötig und die Einsicht deines Vaters, dass er mit den Spielen brechen möchte und ganz wichtig - dann auch Hilfe annehmen möchte, sonst wird es nix werden.
So schwer es auch sein mag Maerchen, es ist dein Vater und bleibt es auch - suche das Gespräch mit ihm, rede über die Situation und halte ihm einen Spiegel vor, sodass er sich wieder erkennen kann. Überrede ihn zu nichts, zeige ihm jedoch klar deine Granzen auf - dass ein Kontakt nur noch sinnvoll ist, wenn er sich bewegt!
Finanziell kann ich wenig sagen, aber wenn ich deine Mutter wäre würde ich mir schleunigst einen Anwalt holen und die Möglichkeiten evaluieren.
Grüße,
aT

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