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Autor Thema: Nur zwei Optionen - Du hast die Wahl!

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Nur zwei Optionen - Du hast die Wahl!
OP: 30.03.2017 10:08:23
Eigentlich ist schon alles gesagt worden was wichtig ist, trotzdem möchte ich dir auch nochmal meine Situation schildern, weil ich mich in deiner Geschichte wiedergefunden habe (wie eigentlich jeder Spieler sich in den Erfahrungen und Geschichten anderer Spieler wiederfinden wird).

Wie du bin ich auch 28 Jahre alt, habe einen festen Job, verdiene mein Geld. Angefangen zu spielen habe ich vor ca. 10 Jahren, wie du eher aus Spaß an der Freude. Natürlich habe ich, wie so viele andere Spieler auch, die ersten Male direkt etwas gewonnen und mich total darüber gefreut, mir sogar etwas schönes davon gekauft. Schleichend, ganz langsam, wurde es dann immer mehr und mehr, ohne dass ich es eigentlich wahrgenommen habe. Aus ab und zu wurde öfter mal, aus öfter mal wurde regelmäßig. Irgendwann fing es dann an, dass ich schon am Monatsanfang nicht mehr genug Geld für die Miete hatte, mir keine Lebensmittel mehr kaufen konnte, etc. Also Dispo ausreizen, Geld leihen, bei Freunden und in der Familie. Zu dem Zeitpunkt habe ich mir immer noch eingeredet, dass ich alles unter Kontrolle habe, lediglich eine Pechsträhne die auch wieder vorüber geht.

So ging das jahrelang, ich verschuldete mich immer mehr, fing neben dem Spielen noch an Sportwetten zu platzieren und geriet immer mehr in Geldprobleme. Als ich dann meine Freundin kennen lernte, konnte sie mir mit einem großen Betrag aus der Misere helfen, natürlich habe ich ihr nicht erzählt, dass ich Spieler bin und wofür das Geld eigentlich war. Das zog sich über 4 lange Jahre, ich machte neue Schulden, bezahlte Rechnungen nicht mehr, jeden Tag waren neue Mahnschreiben im Briefkasten, Inkasso, Vollstreckungsbescheide, das volle Programm. Und trotzdem habe ich es immer geschafft, dass mein Lügengerüst nicht zusammenbrach, habe mir die kreativsten Geschichten aus den Fingern gezogen, warum kein Geld da ist, wieso schon wieder Post gekommen ist, etc. Ich war ein Meister der Manipulation und fing an mir meine Geschichten selbst zu glauben.

Letztes Jahr ist dann alles völlig aus dem Ruder gelaufen. Die Einsätze wurden immer höher, die Schulden immer mehr. Da meine Schufa auf dem wohl schlechtesten Stand ist, den man wohl haben kann, musste ich über dubiose Vermittler einen Kredit zu fast 14% Zinsen aufnehmen, mit dem festen Vorsatz meine Schulden damit zu begleichen. Die dringendsten Sachen habe ich bezahlt, alles andere habe ich in nicht einmal 2 Monaten verzockt. Also einen weiteren Kredit, diesmal aus Liechtenstein... Wieder das nötigste bezahlt, den Rest verzockt. Mir war zu dem Zeitpunkt schon längst klargeworden, dass ich spielsüchtig bin, ein riesengroßes Problem habe, mit dem ich allein nicht fertig werde. Aber wie es bei allen Spielern so ist: Ich schaffe das allein! Niemand darf davon etwas wissen, was sollen alle von mir denken...

Am 31.10.2016 habe ich frisches Gehalt bekommen und dieses innerhalb von nicht einmal 4 Stunden KOMPLETT in einem Online-Casino verzockt, bis auf den letzten Cent. Da saß ich nun, ein trauriges Häufchen Elend, Schulden von über 20.000 Euro, das Vertrauen aller Menschen, die mir etwas bedeuten aufs Übelste missbraucht, gefangen in der Spielsucht. In den vorangegangenen Monaten ging es mir phasenweise so schlecht, dass ich darüber nachgedacht habe, einfach abzuhauen. Wegzulaufen. Vor der Verantwortung und vor mir selbst. Ich konnte nicht mehr schlafen, meine Gedanken drehten sich nur noch um das Spielen. Darum, an neues Geld zu kommen. Eigentlich wollte ich doch nur meine Schulden begleichen und dann endlich aufhören. Nur noch dieser eine Gewinn, nachdem alles anders wird... Es hat mich so unendlich viel Kraft gekostet meine Lügengerüst aufrecht zu erhalten dass es mich psychisch wirklich ernsthaft belastet hat.

Es gab an diesem 31.10.2016 nur zwei Möglichkeiten für mich: Entweder, ich lasse mir wieder etwas einfallen, wieso das komplette Gehalt weg ist, ich kein Geld für unsere Miete und für unsere Nebenkosten mehr habe (wir wohnten zu diesem Zeitpunkt schon 2 Jahre zusammen). Belüge weiter den Menschen den ich liebe, missbrauche weiterhin ihr Vertrauen und gehe langsam aber sicher vor die Hunde.

Oder ich vertraue mich ihr an, erzähle ihr alles, schonungslos, ohne Lücken, nur die Wahrheit. Keine Lügen mehr, keine Ausflüchte. Stelle mich der Realität und auch mir selbst.

Ich habe mich für Option 2 entschieden.

Ich weiß, was in dir vorgeht, wie du dich fühlst. Dass du Angst davor hast, dass du auf Ablehnung stoßen wirst. Und ich will es nicht schön reden, natürlich wird das alles andere als einfach werden. Du hast ihr Vertrauen jahrelang missbraucht, sie von vorn bis hinten belogen und betrogen. Das ist verletzend, erst recht wenn man annimmt, dass man sich zu 100% vertraut. Meine Freundin ist aus allen Wolken gefallen als ich mich ihr anvertraut habe. So gut hatte ich bis dahin geschauspielert, dass sie wirklich nichts geahnt hatte von meiner Spielsucht. So gut war ich mittlerweile darin sie zu manipulieren. Vielmehr dachte Sie, dass mich etwas ganz anderes beschäftigt hatte. So viele Tränen sind geflossen in diesen Stunden, bei ihr aber vor allem bei mir.

Aber glaub mir: Ich habe mich nach diesem Gespräch besser gefühlt. Erleichtert. Reingewaschen. Von diesem Punkt an gab es kein zurück mehr für mich. Ich wollte das alles nicht mehr, ich konnte das nicht mehr mit mir ausmachen und ich wollte vor allem nicht mehr lügen.

Das Ende vom Lied:

Ich habe mich in einem Forum angemeldet, bin von besagtem Forum in dieses hier gekommen, habe mich ausgetauscht und mich anderen Menschen offenbart. Das ist der erste Schritt und auch dieser kostet Überwindung.
Was aber viel viel wichtiger für mich ist: Ich besuche seitdem regelmäßig eine Selbsthilfegruppe bei uns im Ort. Jeden Dienstag Abend um 20:00 Uhr treffen wir uns dort. Alle Arten von Menschen sind dort vertreten: Der Banker, der Handwerker, die Mutter, der Rentner, das volle Programm. So unterschiedliche Menschen aber alle aus dem selben Grund: Weil Sie spielsüchtig sind. Weil sie nie wieder kontrolliert spielen können. Sich anfangs noch völlig Fremden zu öffnen und über seine Probleme zu sprechen, das erfordert Mut. Aber nach jeder "Sitzung" wird es besser und jeden Dienstag Abend, wenn ich nach Hause gehe nehme ich neue Eindrücke mit nach Hause, die mir helfen mich selbst neu zu definieren. Ich bin seit dem 31.10.2016 spielfrei und freue mich über jeden neuen spielfreien Tag, der hinzukommt.

Was mir auch ungemein geholfen hat am Anfang: Ich habe mir den Zugang zu meinem Geld gesperrt. Meine Freundin (ja, wir sind noch zusammen :) ) hat die Zugangsdaten zu meinem oninebanking und kontrolliert regelmäßig die Ein- und Ausgänge. Ich habe Daueraufträge eingerichtet um meine Schulden zu begleichen und Ratenzahlungen bzw. Vergleiche mit Gläubigern getroffen. Miete geht runter, etc. Mir bleiben 10 Euro Taschengeld in der Woche mit denen ich auskommen muss und die mir von meiner Freundin bar ausgezahlt werden.

Das mag sich radikal anhören aber das muss es auch sein. Ohne Kohle kein Spiel, so einfach, so banal, so richtig! Und es ist kaum zu glauben, ich komme gut zurecht mit den 10 Euro :)

In zwei Jahren sind meine Schulden getilgt, diesen Weg muss ich nun gehen aber ich will ihn auch so gehen. Es ist an der Zeit sich das Leben zu nehmen. Es sich zurückzuholen, das bin ich mir wert!

Ich wünsche dir alles Gute für deinen weiteren Weg und hoffe, dass du die richtigen Entscheidungen treffen wirst!
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- Der Weg ist das Ziel -
 

S
Obwohl ich noch nicht so lange bei euch bin, aber das ist ein toller Beitrag, den ich hier tatsächlich auch schon gelesen habe und in vielen geschilderten Situationen erkenne ich mich eins zu eins wieder. Nachdem ich in den letzten Jahren zwei bis drei Mal bei meiner Frau aufgeflogen bin und ich das unbeschreibbare Glück habe, dass sie immer noch an meiner Seite weilt, war mir endlich mal bewusst, dass alle Versuche es ganz alleine zu schaffen mit dem Spielen aufzuhören, kläglich gescheitert sind. Zum ersten Mal nach 30 Jahren spielen habe ich mir professionelle Hilfe gesucht und bin zudem auch noch auf dieses tolle Forum hier gestoßen. Der Wille mit dem Spielen aufzuhören ist ungebrochen und ich bin genauso motiviert, wie vor gut 50 Tagen, als ich angefangen habe. Sind zwar nur 50 Tage, aber es sind 50 ehrliche Tage gegenüber meiner Frau, in denen ich nicht lügen oder mir irgendeine Geschichte ausdenken musste, um Desinteresse und Genervtheit zu erklären. Das ständige Kontrollieren meines Kontos über Ein-und Ausgänge des Geldes gehört natürlich dazu und ist eine Absicherung für mich. Und irgendwann kommt für mich vielleicht auch mal der Tag, an welchem ich hier als Senior-Mitglied davon berichten kann, dass ich seit Jahren spielfrei bin und genau deswegen ein glückliches Leben führe. Und wenn meine Beiträge auch nur einer einzigen gestrandeten Seele dabei helfen spielfrei zu werden, dann wäre das ein tolles Gefühl.
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