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Umgang mit Geld

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medea888:
Hallo an alle,

ich beschäftige mich derzeit viel mit dem Gedanken, dass ich den Umgang mit Geld völlig verlernt habe. Durch das online spielen, ist Geld fast wie surreal geworden. Wenn ich hingegen dann im "realen" Leben auf etwas teures stoße dann denke ich, ups das ist aber teuer, aber das gleiche Geld habe ich manchmal innerehalb von wenigen Minuten verspielt.
Das Geld zum spielen, hatte nie was mit dem echten Geld zu tun.
Nun frage ich mich, wie ich mein Verhältnis zu Geld wieder besser lernen kann und dachte ich frage mal hier in die Runde, wie geht es den anderen hier damit?
Freue mich auf Antworten und vielleicht auch ein paar Tipps.

Wünsche einen tollen spielfreien Tag.
Gruß Medea

Jacky1:
Hallo medea,

Du scheinst noch sehr nahe dran zu sein, zumindest in Deinen Gedanken...ein gutes Zeichen ?
Da verbrachte ich einst meine Zeit in einer Spielbank und setzte plain in der Höhe eines "Harz 4" Satzes. 
An den Baccarat Tischen waren die gesetzte Summen wesentlich enormer.
Stapel an Jetons und es war ja nicht so, dass keine Zahl darauf stand was sie wirklich wert sind.
An den Spielautomaten drückte ich im Sekundentakt das ganze Geld ins Klo.
Online verhielt es sich da nicht anders.

Zum Vergleich in meinem Business, gespart an Werkzeugen und Materialien, jede Schraube in der Kalkulation aufgeführt.
Nicht dass die vollbrachte Leistung darunter litt, aber immer erpicht einen guten Gewinn zu erzielen.
In meinem privaten Leben wiederum, Scheiß drauf und raus mit der Kohle denn was ich so ausgab konnte ich ja nicht mehr verspielen.
Und alles absolut mit einer negativen Nachhaltigkeit !
Wichtig dabei war nur, immer genug Geld zum spielen zu haben.
Und nach jeder fatalen Zockernacht strebte immer der Gedanke, wieder viel Geld verdienen zu müssen. 

Dies mag sich nun dekadent lesen, doch dahinter verbarg sich ja ein Mensch der darunter zerbrach.
Viele Menschen müssen mit sehr wenig Geld auskommen und dies nicht nur in unserem Lande.
Details darüber muss ich doch sicherlich nicht wirklich aufführen.
Sie gehen nicht das Risiko ein es beim Glücksspiel zu setzen, dass ihnen ja ein Gewinn helfen könnte.
Und ja, ich habe es nicht vergessen dass Spielsucht eine Krankheit ist, einen Scheiß darauf.
Wenn ich an meine Frau denke, wie sie früher Prospekte von Discountern studierte und Angebote unterstrich, wird mir schlecht.
Sie erzählte mir freudig davon, wie einfach man doch sparen konnte.
Geld ist absolut wichtig keine Frage, doch Humanität und Sorgfalt lässt sich damit nicht erkaufen.

Heute fällt es mir immer noch schwer vernünftig mit Geld umzugehen.
Dies wird sich wohl auch nie mehr ändern, doch versuche ich es einigermaßen gezielt einzusetzen.
Ich erinnere mich an meine Eltern, an meine Frau..an so viele.
Wie beispielhaft und sozial wir miteinander leben sollten.
Da ist kein kaum Platz für egoistische Verschwendung.

Billige Werkzeuge kaufe ich nicht mehr, ganz im Gegenteil.
Und wenn ich wieder einmal Geld verspielen sollte, würde es mich sehr schmerzen.
Ich wollte es dann sicherlich wieder zurück gewinnen.
Doch ich möchte nichts gewonnenes mehr haben, dass andere verloren hätten.
Ich möchte mein Geld ehrlich verdienen und es auch ehrlich ausgeben können.

So wie meine Eltern, meine Frau und so viele.

Eine gewisse Ambivalenz kann ich natürlich nicht verbergen, möchte ich auch gar nicht.
Und obwohl erkrankt, will ich mich nicht so fühlen.
Darum versuche ich auch nicht so zu handeln, auch im Umgang mit Geld.

Liebe Grüße     
             
   


   
       
                       
       

Taro:
Moin Medea,

Im vierten Schritt des GA Genesungsprogrammes heißt es:

"Wir machten gründlich und furchtlos eine moralische und finanzielle Inventur in unserem Innern."

Nun bin ich ja schon ein paar Jahrzehnte in der Gemeinschaft und habe gerade bei diesem Schritt einige "Grabenkämpfe"
Mitbekommen. Es wurden immer wieder Versuche unternommen das Wort finanzielle zu streichen.

Nun für mich steht es zweifellos mit gutem Grund da. Es gibt mehre Phasen in denen ich mich wieder dem normalen Umgang mit Geld genähert habe. Die erste Phase fängt sofort an. Viele auch einige alte Hasen mit ein paar Jahren Spielfreiheit auf dem Buckel raten die Finanzen und die Karten abzugeben. Für jeden richtigen Spieler dürfte das jedoch kaum geeignet sein um den Zugang zu Geld zu unterbinden, im Gegenteil, die Geldbeschaffung wird zum eigenen Spiel.
Sich diese Wahrheit einzugestehen fällt vielen ungemein schwer. Nun erst wenn ich den uneingeschränkten Zugang zu meinem Geld habe, kann ich den "normalen" Umgang wieder lernen.
Als ich aufhörte mit dem Spielen musste ich erstmal meine Schulden bezahlen. Zu meinem Glück hatte ich ein stark schwankendes Gehalt. Ich konnte von meinem Grundgehalt ein super leben führen. Immer wenn ich mehr verdiente ging das Geld in die Schuldentilgung. Vor dem Moment, als alle Schulden beglichen waren hatte ich tatsächlich grosse Angst, weil in dem Moment wo ich mehr Geld habe als ich ausgebe fängt für mich als Spieler eine neue Phase an. Ich hatte in der Zwischenzeit gelernt, das auch Beträge unter 100 DM Geld waren. Das Heiermänner einen echten Wert haben und kein Spielgeld waren. Und doch fühlte sich ein Portmornee mit vielen fünfern komisch an.
Jetzt hatte ich Geld übrig, was damit tun wenn nicht verspielen?
Ich sparte auf ein neues Wohnzimmer. Ich erinnere mich noch gut daran. Ich hatte genug Geld beisammen und fragte eine Freundin ob Sie mich begleitet zum Wohnzimmer kauf. Mir gefiel eine Serie, ich wußte genau was ich brauchte. Ich kaufte aber nicht alles, sondern zunächst eine Vitrine. Die baute ich zuhause auf um zu gucken ob es sich gut an fühlte. Ich konnte einfach nicht das ganze Geld auf ein Mal ausgeben. Ein untrügliches Zeichen für mich, das mein Umgang mit Geld noch nicht "normal" war.
Dann entschied ich mich mein Fachabi zu machen und zu studieren. Wieder 6 Jahre mit wenig Geld. Aber tatsächlich lebte ich finanziell unbeschwert. Ich hatte die ganze Zeit ein Auto. Ich fing in dieser Zeit an 10% von meinen Einnahmen (Bafög) zu sparen. Als ich im Studium einen PC brauchte, kein Problem, ich kaufte es von meinem gesparte. Als idie Waschmaschine kaputt war, kein Problem....
Ich hatte natürlich wenig Geld. Ich fuhr mit einem Freund mit kleinem Zelt und ohne Geld nach Fehmann. Wir hatten beide einen Kaffeebecher mit, sonst nichts. Am nächsten Morgen krabbelten wir aus dem Zelt. Ich ging nach links und fragte die Nachbarn nach Kaffee. Mein Kumpel ging nach rechts und besorgte etwas zu essen. Kaum zu glauben, einer meiner schönsten Urlaube ohne Geld. Ähnliches dann noch mal im Griechenlandurlaub ganz ohne Geld.
Diese Erfahrungen haben mich im Umgang mit Geld resettet. Ich erkannte das Geld für ein zufriedenes Leben überhaupt nicht wichtig ist, im Gegenteil.
Das wichtigste ist die Begegnung mit Menschen auf Augenhöhe.
Nach meinem Studium und Gründung einer Familie habe ich dann noch ein Haus gekauft. Viel mir schwer, aber die beste Entscheidung meines Lebens.
Mein Umgang mit Geld würde ich als halbwegs normal bezeichnen. Einzig mein "Sicherheitspuffer" also Geld was im Notfall sofort da ist, ist vielleicht höher als bei anderen. Habe ich aber auch schon etwas reduzieren können. Und ich brauche ja noch Geld, ich habe 3 Kinder die vielleicht noch studieren wollen.

Taro

TAL:
Hallo Medea,

Unabhängigkeit ist mir wichtig, und der finanzielle Aspekt gehört definitiv dazu. Ich bin nicht gut darin, aber das ist meine Sache.

Bei mir ist das ähnlich wie bei Fred. Mein Verhältnis zu Geld ist auch heute noch nicht 'normal'. Es ist schön, welches zu haben, aber mit zuviel davon (genauso wie zuwenig) traue ich mir nicht über den Weg.
Bei mir kam der Tag, als ich letztlich schuldenfrei war, früher als anfänglich kalkuliert. Ich steckte alles in die Tilgung, was nur ging... kurz vor dem Ende bekam ich dann Panik. Was nun? Wofür sollte ich das überhaupt ausgeben?
Ich habe nie Bargeld bei mir, habe keine Kreditkarte, keinen Dispo, 'überflüssiges' Geld geht auf ein Extrakonto ohne direkte Abhebemöglichkeit. Außerdem habe ich ein Tageslimit auf dem Konto. Um es aufzuheben, muß ich persönlich bei der Bank an den Schalter gehen. Die nehmen es dann für den gewünschten Zeitraum raus, nach welchem es automatisch wieder aktiv wird. Im Urlaub oder bei größeren Anschaffungen ist das ab und an unvermeidbar.

Ich kann im Laden stehen, und ewig mit mir hadern, ob ich etwas jetzt wirklich brauche. Natürlich ist das Quatsch, denn selbst wenn es im Urlaub nicht schneit, sind ein paar Winterstiefel nicht verkehrt, man kann sie immernoch gebrauchen.
Ja, man könnte sie aber auch erst dann bei Bedarf kaufen.
Dummerweise macht mein Kopf da dann immer einen Staatsakt draus.
Früher habe ich nichtmal mit der Wimper gezuckt, wenn ich den Gegenwert versenkt hatte. 'Unnötige Nebenkosten' waren aber absolut inakzeptabel. Es ist schwer für mich, das abzustellen, auch wenn es nicht mehr ganz so extrem ist.

Bin ich nicht allein, ist es deutlich einfacher. Normale Leute treffen eine Entscheidung, also muß sie richtig sein. Da denke ich dann nicht soviel drüber nach.

Ja, ich habe meinen Zugriff auf Geld auch eingeschränkt, an größere Summen zu kommen wäre für mich etwas umständlich, aber nicht unmöglich. Mir geht es gut so, ich möchte nicht mehr als nötig mit Geld zu tun haben, auch wenn das nach außen manchmal komisch wirkt.
Das Leben in der Ehe ist nochmal eine andere Nummer, ich habe die Karte und den Brief mit dem Pin heimlich weggeworfen, es wäre mir aber nicht unmöglich, an das Konto meines Partners ranzukommen, solange ich als Bevöllmächtigter drinstehe. Und das tue ich, ich konnte mich da nicht rausreden.

Zum Glück habe ich beruflich nicht mehr mit Geld zu tun. Ich traue mir nicht mehr, als ich für den Alltag muß, auch wenn es wahrscheinlich kein Problem wäre.

medea888:
Hallo

und vielen Dank für die tollen und ausführlichen Antworten.

@ Jacky. ja ich bin noch auf einem weiten Weg, aber mir wird klar als ich vor zehn Jahren aufgehört hatte zu spielen, da habe ich mich nicht mit allen Aspekten der Spielsucht befasst. Das möchte ich jetzt anders machen und dazu gehört für mich mir solche Fragen zu stellen und mich selbst besser kennen zu lernen. Ich glaube das ist momentan ein guter Weg für mich . Dabei geht es mir nur in einem Bereich um Geld, andere Bereiche sind natürlich mein soziales Umfeld und mein Umgang damit.
@ TARO  Wirklich ein guter Spruch
"Wir machten gründlich und furchtlos eine moralische und finanzielle Inventur in unserem Innern."
Furchtlos fühle ich ich zwar noch gar nicht, aber ich schaue jetzt genau hin und verdränge nicht was ich mit meiner Spielsucht angestellt habe. Ich werde meine finanziellen Angelegenheiten auch nicht abgeben. Ich will bewusst entscheiden, dennoch setze ich mir Hürden um keinem spontanen Rückfall zu erliegen.  Übrigens finde ich mich total wieder in deinen Aussagen über Sparsamkeit im Job , danke
@ Tal. Oha, das ist konsequent. Ich weiß nicht ob ich das so könnte - liegt aber auch daran, dass ich in meinem Beruf immer mit Geld zu tun habe und daher das so nicht leisten könnte. Dennoch finde ich einige Aspekte sehr interessant und danke Dir für die Tipps die ich daraus lesen konnte und die ich mir notiert habe um zu schauen inwieweit ich sie für mich selbst anwenden kann.

Ich will unbedingt wieder lernen was Geld ist, ohne dass es mein Leben bestimmen soll. Aber ich merke ich muss das Thema von unterschiedlichen Seiten betrachten und schauen was dabei mit mir passiert.

Ich danke Euch von Herzen für Eure offenen Wort
Medea

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