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Dann trau ich mich auch mal...

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NurIch86:
Hallo an Alle!

Ich habe mich hier angemeldet, um einfach auch mal meine Geschichte zu erzählen, um andere Geschichten zu lesen und um mich vielleicht ein wenig austauschen zu können, wenn die Sehnsucht nach dem Spielen mal wieder größer wird?

Vorab: Ich spiele seit Dezember 2018 nicht mehr! ABER: Ich habe Angst, es nicht durchzuhalten?

Zu meiner Geschichte: Vor ca. 6 Jahren habe ich (w, 32) angefangen, an Automaten in Kneipen oder Spielotheken zu spielen, später kamen gelegentliche Besuche in Spielbanken (Roulette) hinzu. Mein damaliger Freund war ebenso spielbegeistert wie ich und so könnt ihr euch vorstellen, dass ich -mit einem ebenfalls spielsüchtigen Partner- kaum aus der Situation herausfand.

Angefangen hat es ganz ?klein?, mal hier oder da 2 ? in den Automaten geschmissen und irgendwann zeichnete sich mit wenig Einsatz ein großer Gewinn ab. Ab da fing es an: Anfangs nur am Wochenende, wenn wir ausgegangen sind. Es war schon ein richtiges Ritual: Jeden Samstagabend in unserer Stammkneipe bis tief in die Nacht hinein am Automaten sitzen und zocken. Dann kam der erste Besuch in der Spielothek hinzu. Aus einmal wöchentlich samstagsabends in der Stammkneipe spielen wurde plötzlich 2 ? 3 mal wöchentlich spielen, zuletzt spielte ich jeden Tag. Aus anfänglichen 2 oder 5 ? Investition wurden plötzlich 20 ? bis 100 ? Investition. Aus einer Stunde spielen wurde plötzlich den halben Tag spielen; ne halbe Stunde vor der Arbeit, ne halbe Stunde in der Mittagspause, zwei bis drei Stunden nach der Arbeit. Ja sogar extra Urlaub genommen habe ich mir, nur damit ich spielen konnte. Die Ausflüge in die Spielbank waren immer ein Highlight, dort wurden gut und gerne mehrere hundert Euro verspielt. Am Ende habe ich täglich durchschnittlich 60 ? verspielt, also knapp 2.000 ? im Monat (vielleicht auch weniger, weil ja auch schonmal ein Gewinn dabei war, aber wem mache ich hier was vor?). Ich habe mir nix mehr geleistet, alles Geld wurde in den Automaten gesteckt. Meine Freizeit litt auch extrem darunter. Ich habe viel vernachlässigt. Das einzig Gute ist, dass ich mich wenigstens nicht schwer verschuldet habe, aber wer weiß, das wäre bestimmt die nächste Konsequenz gewesen?

Sooft wollte ich aufhören! Aber mein ebenfalls spielsüchtiger damaliger Partner (obwohl wir beide zu diesem Zeitpunkt von dem Wort ?spielsüchtig? nichts hören wollten) verleitete mich dann immer mit den Worten: ?Ach komm, nur einen Zehner, ich spüre es, heute haben wir Glück?? Und so dumm wie ich war, ließ ich mich dann auch immer verleiten.

Dann trennten wir uns. Ich lernte einen neuen Mann kennen. Wir sind nun knapp ein Jahr zusammen. Ihm zuliebe spiele ich seit Dezember 2018 nicht mehr. Nachdem ich ihn diesbezüglich einmal schwer belogen hatte und dies unsere Beziehung fast bereits zu Beginn in Gefahr brachte (er hat herausbekommen, dass ich heimlich spielen war und ich habe ihn bis zuletzt deswegen trotz mehrfacher Nachfrage massiv belogen), habe ich mir geschworen, dass ich dem Ganzen ein Ende setzen muss! Ich habe mir fest vorgenommen, meine Beziehung nicht für diese Sucht aufs Spiel zu setzen. Und bis heute habe ich streng durchgehalten?

ABER: Es fällt mir so unheimlich schwer. So oft denke ich mir, dass ich mich doch einfach noch mal für ein Stündchen in die Halle schleichen könnte, dass er sicherlich nicht dahinterkäme. Ich kämpfe mit mir, das auf keinen Fall zu tun. Ich möchte ihn nicht wieder enttäuschen oder gar verlieren. Ich weiß, dass ich mich grässlich fühlen würde, ihn wieder anzulügen (selbst, wenn er gar nicht dahinterkäme) und deswegen bin ich bis heute so standhaft.

Aber da sind immer diese Gedanken und Gefühle, dass mir nichts so viel Spaß bereitet wie das spielen. Manchmal nervt mich der Alltag, weil ich nicht einfach mal -so wie früher- in die Spielhalle gehen kann. Anfangs waren diese Gefühle noch schlimmer, mittlerweile gehts. Aber immer mal wieder -selbst nach 8 Monaten Abstinenz- verspüre ich diesen heftigen Drang. Es ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl, die ersten 20 ? in den Automaten zu werfen und einfach abzuschalten und diese Gedanken, dieses Gefühl nicht mehr spüren zu dürfen, nervt mich gelegentlich. Ihr kennt das sicherlich alle!

Das schlimmste ist, dass ich ganz genau weiß, dass ich sofort wieder spielen würde, wenn mich mein Freund verlassen würde. Dazu besteht natürlich kein Anlass; ich bin ehrlich zu ihm! Wir führen eine gute Beziehung, wohnen mittlerweile zusammen! Alles steuert in Richtung gemeinsame Zukunft hin. Doch ich weiß, ohne ihn würde ich spielen und dann sogar noch tiefer in die Spielsucht hineinrutschen, so labil bin ich leider. Da habe ich große Angst vor. Ich möchte nicht wieder mein ganzes Leben und Geld von der Spielsucht abhängig machen! Ich weiß ganz genau, dass mich eine erneute Sucht vollendst zerstören würde?

Tja, ist ganz schön lang geworden, meine Geschichte! Es tut gut, sich das einfach mal von der Seele zu schreiben und ich freue mich über rege Kommunikation hier im Forum!

Seid alle lieb gegrüßt!
NurIch86

Fred:
Hallo NurIch86,

toll dass du hierher gefunden hast und von dir berichtest.
Herzlichwillkommen in unserer illustren Runde :)


--- Zitat von: NurIch86 am 13.08.2019 09:05:58 ---Es ist einfach ein unbeschreibliches Gefühl, die ersten 20 ? in den Automaten zu werfen und einfach abzuschalten und diese Gedanken, dieses Gefühl nicht mehr spüren zu dürfen, nervt mich gelegentlich. Ihr kennt das sicherlich alle!
--- Ende Zitat ---

Wenn ich das so lese ... setzt natürlich auch bei mir die Erinnerung ein ... ja ... DAMALS war es ein unbeschreiblich gutes Gefühl.
Die ersten Scheine gewechselt, die Automaten befüllt, das Warten auf den Spielbeginn. Das Hoffen auf "geringe Verluste" oder gar Gewinne.
Aber meist dauerte dies keine 10 Minuten und der 2. Hunderter ging bereits über den Tresen. Den  Fortgang der Geschichte kennen die meisten ...

Damals fühlte es sich wirklich immer toll an und ich kann alles was du schreibst total gut nachvollziehen.
Mit dem Urlaub nehmen, nach Feierabend etc.

"Damals" ist nun 4 Jahre her und heute lösen diese Gedanken keine Emotionen mehr in mir aus, obwohl ich alles sehr gut nachvollziehen kann.
Es fühlt sich an als sprächen wir über eine Portion Gurkensalat ...
Aber ganz sachlich betrachtet, kann ich heute nur sagen:
Meine Güte war mein Hirn "damals" krank, war ich krank, war ich umnebelt von der Sucht.

Niemand "normales" geht hart ackern um das dann abends freudestrahlend im Automaten zu verbraten.
Das ist einfach nicht "normal" und wenn du verstehst, dass dieses Denken bereits unsere Krankheit ist, dann fällt es dir leichter.

Wenn dein "Teufelchen" dir sagt, wie toll es jetzt wäre zu spielen, antworte ihm, dass du genau weißt, dass dies nur der "böse Teil" deiner Sucht ist, der versucht zu "überleben" und dich zum Spielen zu bewegen.

Vielleicht macht es dir folgender Beitrag von mir etwas klarer:
http://www.spielsucht-soforthilfe.de/index.php/topic,27.msg68.html#msg68


--- Zitat von: NurIch86 am 13.08.2019 09:05:58 ---Das schlimmste ist, dass ich ganz genau weiß, dass ich sofort wieder spielen würde, wenn mich mein Freund verlassen würde. Dazu besteht natürlich kein Anlass; ich bin ehrlich zu ihm! Wir führen eine gute Beziehung, wohnen mittlerweile zusammen! Alles steuert in Richtung gemeinsame Zukunft hin. Doch ich weiß, ohne ihn würde ich spielen und dann sogar noch tiefer in die Spielsucht hineinrutschen, so labil bin ich leider. Da habe ich große Angst vor. Ich möchte nicht wieder mein ganzes Leben und Geld von der Spielsucht abhängig machen! Ich weiß ganz genau, dass mich eine erneute Sucht vollendst zerstören würde?
--- Ende Zitat ---

Ganz ehrlich .. bis vor wenigen Monaten habe ich das Gleiche gedacht. Wenn meine Frau nicht wäre, würde ich wieder spielen.
Vielleicht wäre es auch so gekommen .. aber woher soll man das wissen. Ich kam nie in diese Situation und heute erscheint es mir absurd, spielen zu gehen.

Da ich selber allerdings nie so wirklich unter "Suchtdruck" litt ( außer in meinen nassen Jahren wenn kein Geld da war ) kann ich es nicht so gut beurteilen, was da zu tun ist. Da hatte ich wohl "Glück", oder die richtige Einstellung zum Nichtspielen.

Wichtig ist zu wissen, dass du die Spielsucht nicht nur durch deinen Verstand & Willenskraft zum Stillstand bringen kannst. Niemand ist 24h/Tag an 365 Tagen im Jahr "stark".

Da muss auf "emotionaler" Ebene eine innere Entscheidung gefällt werden. Die Entscheidung für ein abstinentes Leben.
Sicher hast du bereits gehört/gelesen, dass die meisten von "uns" nach dem Motto leben "nur die nächsten 24 Stunden nicht" und man mit diesem Gedanken oft sehr weit kommt und die Verzweiflung deutlich kleiner wird.

Du darfst spielen und du darfst auch spielen "wollen" ... das gehört dazu.
Aber spiel einfach "heute" nicht .. nur diese 24 Stunden :) Naja, mir half auch schon mal ein Freund mit "nur die nächsten 5 Minuten" :)
Der Zeitraum ist variabel !

Huch ich merk grad dass meine Schreibblockade wohl wieder weg ist :)

Fühl dich gedrückt und verstanden

NurIch86:
Danke für die nette Begrüßung, lieber Fred!

Das schlimmste ist, dass ich das, was du schreibst/rätst alles vom Verstand her ganz genau weiß! Aber im Moment ist der unvernünftige Suchtgedanke, das von dir so schön benannte "Teufelchen" irgendwie manchmal noch stärker!
Aber du machst mir Mut, wenn du schreibst, dass du heute, nach 4 Jahren, emotional ganz weg vom spielen bist. Ich hoffe, dass das bei mir mit der Zeit auch noch besser wird. Ich verstehe einfach nicht, dass ich selbst nach 8 Monaten immer mal wieder Tage habe, an denen sich in mir eine solche Sehnsucht nach dem spielen aufbaut! Ich hasse mich dann richtig für diese Gefühle! Aber in diesen Momenten kann mich dann auch einfach nichts glücklicher machen! Für mich scheint dann alles andere so sinnlos! Das ist dann immer ein schreckliches Gefühl, weil im Grunde ALLES schöner und besser ist als diese schxxx Spielerei! Ach ich weiß auch nicht... heute ist einfach wieder so ein Tag, wo ich soooo gerne noch mal gehen würde... mache ich natürlich nicht!!! Und ich weiß, morgen sieht die Welt auch schon wieder anders aus... Ich nehme deinen Ratschlag gerne an: "Ich spiele einfach heute nicht, nur diese 24 Stunden..."

Danke und liebe Grüße

amTiefpunkt:
Guten Morgen NurIch,

herzlich Willkommen hier bei uns im Forum, unglaublich wertvoll und mutig, dass du dich getraut hast, zu schreiben!

--- Zitat ---Das schlimmste ist, dass ich ganz genau weiß, dass ich sofort wieder spielen würde, wenn mich mein Freund verlassen würde.
--- Ende Zitat ---
Wie oft habe ich mich genau dasselbe gefragt, was passieren würde, wenn meine Frau und Kinder nicht mehr an meiner Seite weilen würden. Zu beginn meiner Abstinenz, war meine Frau und Kinder, also der Hauptbestandteil meines Lebens, meine Hauptmotivation, den Weg in die Abstinenz zu gehen. Jetzt einige Jahre später erkenne ich, dass die Entscheidung auch für mich selbst unendlich viele Vorteile bringt. Ich frage mich auch nicht mehr, ob ich ohne Familie wieder oder noch spielen würde, alles Konjungtiv, es zählt das hier und jetzt. Vergangenheit ist vorüber, das hier und jetzt zählt. Die Spielsucht gehört immernoch zu mir und bleibt auch bei mir, das entscheidende ist, sie beherrscht mich nicht mehr, sondern ruht in mir. Ich denke ab und an immernoch ans spielen, aber emotional triggert mich das nicht mehr, es ist ein Leben mit der Sucht. Kein Kampf, kein stark bleiben, Bewusstsein, dass sie da ist, aber Gelassenheit, dass sie mich nicht mehr vereinnahmt.
Dein Freund ist nicht der einzige Grund, warum es sich lohnt, spielfrei zu sein, liebe NurIch, es ist das Leben an sich, die Realität, wie wir sie kennen, es gibt so viel schönes auf der Welt, du musst es nur erkennen. Erkenntis, dass das Leben noch schöneres zu bieten hat, als den Automaten! Beschäftige dich mit der Sucht, suche dir eine SHG, dies ist unglaublich hilfreich in den ersten Jahren, die Gemeinschaft wird dich tragen auf dem Weg in die Abstinenz, rede mit deinem Freund über dich und Problem, über Suchtdruck, mache es nicht zu einem Tabu-Thema, es gehört und bleibt bei dir, für immer. Nicht schlimm, denn du kannst es zum Stillstand bringen - aber nicht alleine, sondern zusammen, wenngleich du die Lösung sein wirst!
Auf geht`s!

aT

NurIch86:
Lieber amTiefpunkt,

auch dir ganz lieben Dank für deinen Kommentar und deine Ratschläge!

Über eine Selbsthilfegruppe habe ich auch schon oft nachgedacht, einfach auch, um sich alles von der Seele reden zu können bei Gleichgesinnten. Aber ich bin ehrlich, ich schäme mich unendlich, mein Gesicht zu zeigen, deswegen habe ich den Schritt bis jetzt nie gewagt (und deswegen mich auch alternativ hier -wo ich anonym bleiben kann- angemeldet).

Auch von dir lese ich, wie das bei Fred auch so ist, dass nach Jahren der Abstinenz bei euch das spielen keinerlei Emotionen mehr auslöst. Ich freue mich, das zu lesen. Das gibt mir Hoffnung, dass auch ich irgendwann mit dem Thema emotional ganz abschließen kann. Denn momentan ist es ja bei mir immer noch so, dass ich alle paar Wochen einen enormen Drang zum spielen verspüre. Ich will so gerne, dass das endlich ganz weggeht! Und ich habe Angst, dass dieses Gefühl für immer bleibt!

Es ist sehr schön hier zu lesen, dass es Menschen gibt, die es aus dieser verdammten Sucht geschafft haben! Wirklich toll von euch zu lesen und danke dafür!

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