Spielsucht Soforthilfe Forum (SSF)

Spieler & Angehörige => Tagebuch => Thema gestartet von: Miele1887 am 02.12.2016 13:31:36

Titel: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Miele1887 am 02.12.2016 13:31:36
Hallo zusammen!

Ich habe mir mal erlaubt, mein Tagebuch aus dem "alten" Forum ins neue zu übertragen. Würde es schade schade finden, wenn es dort untergeht, weil ich es gern weiterführen möchte, aus triftigen Gründen allerdings nicht dort, wo es entstanden ist...

Hoffe, dass das soweit okay ist. Kopiere natürlich nur meine Beiträge! Alles andere habe ich gelöscht und musste das Tagebuch teilweise auch anpassen deswegen.
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Miele1887 am 02.12.2016 13:32:07
31 Oktober 2016, 16:43:19

Hallo liebe Gemeinde,

ich habe wirklich lange darüber nachgedacht, hier einen Thread zu erstellen, etwas anzufangen, was so viele vor mir auch schon getan haben. Seit längerer Zeit bin ich in diesem Forum stiller Mitleser, wie wohl so viele andere auch.

Und wie bei vielen anderen sicherlich auch, gab es bei ein Schlüsselereignis, einen Auslöser, der mir die Anmeldung und das Erstellen dieses Tagebuches einfach macht.

Aber zuerst ein bisschen was von mir, macht es ja irgendwie einfacher:

Ich bin Christian, 28 Jahre alt und komme aus der Nähe von Hamburg, noch weiter aus dem Norden sogar. Ich spiele so ungefähr seit 10 Jahren, weiß es aber gar nicht so genau wann ich nun angefangen habe, ist ja auch total unwichtig wann das Elend seinen Lauf genommen hat.

Angefangen hat es damals mit Kollegen in der Spielhalle. Eigentlich war ich immer total gegen diesen Mist, sich an einen Automaten setzen und sein Glück versuchen, was für ein Schwachsinn, ist doch logisch, dass man gegen eine Maschine nicht gewinnt... Was hätte ich mir alles sparen können, wenn ich damals schon auf meinen Kopf gehört hätte  ::)

Naja, jedenfalls wurde aus den ersten Gelegenheits-Aufenthalten dann schleichend mehr, wie bei so vielen läuft es ja anfangs sogar einigermaßen und man macht sich vor, man hätte alles im Griff. Die ersten finanziellen Probleme schlichen sich ein, die ersten Monate mit 3 Wochen ohne Geld für Essen, solche Geschichten. Jeder Cent, wurde sofort wieder in die Halle getragen, in der Hoffnung, Verluste zu kompensieren und Rechnungen mit Gewinnen zu bezahlen. Das war so vor 4-5 Jahren und so ging es dann weiter, mehr und mehr Schulden, Kredite, nicht bezahlte Raten, Schufa, Gerichtsvollzieher, etc. Das volle Programm. Zwischenzeitlich hatte ich Sportwetten für mich entdeckt und war auch dort vom Gelegenheits-Zocker zum Extrem-Spieler geworden.

Natürlich kommt man irgendwann an den Punkt, wo man auf den Scherbenhaufen seines Lebens schaut und sich eingesteht, dass man ein Problem hat. Ich verharmlose das alles schon lang nicht mehr, ich weiß, dass ich ein Problem habe, dass ich ohne Hilfe von Außen niemals in den Griff bekommen werde.

Was für mich aber am schlimmsten ist, und das ist auch einer der Hauptgründe, weshalb ich mich hier angemeldet habe:

Ich belüge meine Umfeld.

Ich belüge jeden Menschen, der mir wichtig ist und den ich liebe. Bis auf ein paar Kollegen (wohlgemerkt auch fast alles nasse Spieler) weiß NIEMAND, dass ich so ein extremes Problem habe. Seit 4 Jahren führe ich eine Beziehung. Meine Freundin weiß, dass ich Schulden habe und weiß, dass ich nicht mit Geld umgehen kann. Natürlich fragt sie mich, wieso ich am 10. des Monats schon wieder pleite bin. Wieso ständig Mahnungen ins Haus flattern (wir wohnen zusammen). Sie ist voll leidtragend und das Lügengerüst, das ich mir in den letzten Jahren aufgebaut habe, ist so immens groß, dass ich unter der enormen Last langsam aber sicher zusammenzubrechen drohe.

Ich will das einfach nicht mehr. Sie hat das nicht verdient. Belogen und betrogen zu werden. Sie ist der liebste Mensch auf Erden und ich nutze das schamlos aus um meiner Sucht nachzugehen. Ich bin ein abgebrühtes, berechnendes, eiskaltes Schwein, wenn es um meine Sucht geht. Ich ekele mich vor mir selbst.

Meine Eltern und meine Schwester wissen auch nichts von meinem Leiden. Sicherlich fragen sie sich auch, wo mein Geld bleibt (bin seit Jahren in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis und verdiene ca 1.600 Euro im Monat) aber wirklich drauf angesprochen haben Sie mich nie.

Lange Rede, kurzer Sinn:

Gestern Abend und heute über den Vormittag (ich habe Montags Homeoffice), habe ich in einem SPAM knapp 1000 Euro verspielt. Geld, das ich eigentlich für ganz andere Dinge brauche, völlig klar. Man ist wie im Wahn, im Rausch, und wohl wissentlich, dass man das Geld benötigt, um Raten, Schulden, Miete, etc. zu zahlen, wird immer und immer wieder neu eingezahlt. Ich habe Angst vor mir selbst wenn ich im Nachhinein darüber nachdenke. Wie man so die Kontrolle über sich verlieren kann.

Und dann, wenn alles weg ist, wenn die Nüchternheit wieder einsetzt, man sich fragt, was einen da geritten hat. Dann kommen die Schuldgefühle, die Angst, jetzt reinen Tisch machen zu müssen. Aufzufliegen. Sich zu outen. Und vor allen als Versager da zu stehen, der sein Leben nicht in den Griff bekommt. Das ist nämlich mein Problem, das, was mich innerlich beschäftigt. Anerkennung.

...

Ich hatte seit der letzten Einzahlung, die gegen 12 Uhr erfolgte, bis jetzt Zeit darüber nachzudenken, wie ich es diesmal wieder hinbekomme, dass ich nicht auffliege, wie ich mein Netz aus Lug und Betrug weiterspinne. Und ich habe keine Lust mehr darauf. Keine Kraft mehr dazu und will das nicht mehr. Also gehe ich den vermeindlich einfachsten Weg:

Ich werde die Hosen runterlassen.

Heute Abend werde ich reinen Tisch machen und meiner Freundin alles erzählen. Mit den Konsequenzen muss ich dann leben aber ich kann das nicht mehr mit mir selbst ausmachen, ich geh sonst kaputt daran. Mittlerweile macht mich der psychische Druck auch körperlich fertig. Ich habe über 20.000 Euro Schulden, bin wegen Beschaffungskriminalität vorbestraft und fahre mein Leben gerade volles Rohr an die Wand.

Egal, wie es ausgehen wird, ich lasse mir nun von Außen helfen. Meine Konten bei diversen Casinos und Wettanbietern habe ich eben alle sperren lassen, bei den Spielhallen hier im Ort werde ich morgen Steckbriefe verteilen, mich auch sperren lassen. Die Nummer von der SHG habe ich bereits zwei Mal gewählt, allerdings meldet sich noch niemand. Egal, jeden Dienstag ab 20:00 Uhr, die Adresse habe ich und es sind nur 10 Minuten zu Fuß von unserer Wohnung. Dort werde ich morgen hingehen und mir einen ersten Eindruck verschaffen, mir Infos geben lassen an wen ich mich wenden kann, etc.

Ich melde mich hier, wie es weitergeht.

Und es tut unheimlich gut, sich das mal von der Seele zu schreiben!

Bis dahin,

Gruß,

Miele1887
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Miele1887 am 02.12.2016 13:32:30
01 November 2016, 12:28:30

Mahlzeit,

ich habe gerade Mittagspause und dachte mir, dass ich diese kurz nutze um euch von meinem gestrigen Gespräch zu berichten.

Es hat mich wirklich eine Menge Überwindung gekostet und kurzfristig habe ich mit dem Gedanken gespielt, es doch weiter zu verheimlichen, mir irgendwelche fadenscheinigen Gründe auszudenken, weshalb mein Geld schon wieder weg ist obwohl wir erst den Ersten des Monats haben, etc. Ich wollte mich der Wahrheit nicht stellen und fing schon wieder an mir weitere Lügen auszudenken aber irgendwie hab ich den kleinen Suchtteufel in mir niedergerungen und mich der Verantwortung doch gestellt.

Meine Freundin war natürlich geschockt, keine Frage. Unsere 4-jährige Beziehung beruht teilweise auf so großen Lügen, und es tat mir so unendlich weh, sie damit zu konfrontieren und ihr reinen Wein einzuschenken. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so viel geweint habe wie gestern Abend, größtenteils wohl eher wegen mir selbst und meiner Situation, aber auch wegen ihr, weil sie es nicht verdient hat so schlecht behandelt und permanent belogen zu werden. Man muss sich das mal vorstellen, ich habe zwei Kredite am Laufen, einen Haufen Schulden bei Gläubigern, Freunden, eine Geldstrafe wegen Beschaffungskriminalität. Und sie wusste von NICHTS, weil ich so gut darin bin mir die Realität so hinzubiegen, dass es einfach nicht auffällt. Das ist krank.

Es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung, das habe ich schon während des Gesprächs gemerkt. Und sie wird mir helfen, an meiner Seite sein, mit mir zusammen diesen Weg gehen wofür ich ihr unglaublich dankbar bin. Ich weiß aber auch, dass das die letzte Chance ist, die ich von ihr bekomme, denn auch Ihre Geduld ist nicht unerschöpflich, und dessen bin ich mir bewusst.

Wir werden nun eine Aufstellung machen wie hoch meine Schulden wirklich sind, wer was von mir bekommt und wie lang es dauern wird, bis ich alles abbezahlt habe. Zum Glück verdiene ich Geld und habe eine feste Anstellung. Es wird zwar eine ganze Weile dauern bis alles getilgt ist, allerdings habe ich die Möglichkeit dazu und das ist viel Wert. Da meine Freundin BWL studiert hat und mit Excel & Co. bestens vertraut ist, wird sie diese Angelegenheit weitestgehend regeln und zukünftig auch meine Finanzen regeln, anders geht es einfach nicht und darum habe ich sie auch von vornherein gebeten.

Heue Abend um 20:00 Uhr ist die SHG hier im Ort. Dort werde ich einfach aufschlagen, denn telefonisch habe ich auch heute niemanden dort erreicht. Man kann dort doch ohne Voranmeldung erscheinen, oder? Ich hoffe, dass ich in der Gruppe weitere Infos erhalte bzgl. einer Therapie und den nötigen Anlaufstellen bei uns vor Ort. Das ist nämlich der nächste Schritt, den ich mit meiner besseren Hälfte besprochen habe und was ich auch unbedingt will: Eine Therapie. Ich bin krank und kann mir nicht mehr allein helfen. Und ich will damit auch nicht mehr allein sein!

Vielleicht melde ich mich heute Abend schon und erzähle euch, wie es in der SHG war. Ansonsten aber definitiv die nächsten Tage!

Und vielen Dank für den Zuspruch und die nützlichen Hinweise und Tipps, es fühlt sich super an so vorbehaltlos aufgenommen und vor allem auch ernst genommen zu werden.

Grüße aus dem hohen Norden,

Christian  :)
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Miele1887 am 02.12.2016 13:32:48
01 November 2016, 13:31:49


Danke für eure Beiträge!

Das war der erste große Schritt und er hat einiges an Überwindung gekostet.

Ich denke, dass ich mir damit auch so lang Zeit gelassen habe, weil ich mir immer wieder ein Hintertürchen offen halten wollte. Ich wusste ja, wenn ich die Hosen runter lasse, dann hat es sich mit Spielen erledigt. Und ich wollte ja weiterspielen. Also hab ich es natürlich gelassen und mich munter weiter beschissen.

Ich muss auf jeden Fall in Therapie, da führt für mich kein Weg dran vorbei. Habe seit jeher eine sehr sehr hohe Affinität zu allem, was süchtig macht und durchlebe seit Jahren diverse Suchtverlagerungen (sagt man das so?). Bevor das Spielen bei mir richtig krankhaft wurde habe ich chronisch gekifft, jeden Tag, mit körperlichen Entzugserscheinungen. Da gab es dann mal ein Schlüsselerlebnis und seitdem kiffe so gut wie gar nicht mehr, wenn es hochkommt 2 Mal im Jahr. Das ist 4 Jahre her. Was ich sagen will: Irgendwas in meinem Inneren beschäftigt mich unterbewusst ganz extrem und ich denke es ist Zeit, der Sache auf den Grund zu gehen. Ohne Therapie werde ich das nicht schaffen denke ich.

Es ist großartig so viel positives Feedback zu bekommen und es ermutigt mich, diesen Weg weiter zu gehen!

Ich bin normalerweise ein extrem emotionaler und emphatischer Mensch. Das Spielen, all die Lügen, die Flucht in meine Scheinwelt, meine Ausreden, die ich mir teilweise schon selber anfing zu glauben, all das hat mich zu einem kalten, egoistischen und berechnenden A****loch gemacht, das über Leichen geht um seine Sucht zu befriedigen, fast sogar über seine eigene...

Mit meiner Freundin habe ich den besten Fang meines Lebens gemacht, das weiß ich nicht erst seit gestern, aber seit gestern noch viel viel mehr! Ich möchte ihr und vor allem MIR jetzt etwas wiedergeben. Das dafür eine Menge Arbeit von Nöten ist, das ist mir bewusst. Auch wenn ich wahrscheinlich noch nicht mal im Ansatz erkenne, wie steinig der Weg werden wird.

Für Sie ist die Materie jetzt natürlich eine ganz neue und ich kann mir vorstellen, dass Sie hier im Forum bestimmt nützliche Informationen finden kann. Werde es ihr mal vorschlagen :)
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Miele1887 am 02.12.2016 13:33:07
02 November 2016, 09:39:46

Guten Morgen, Forum,

gestern war es also so weit. Mein erster Besuch in der SHG... Obwohl ich anfangs noch relativ "cool" war und mir dachte, dass mich der Besuch dort nicht sonderlich unter Druck setzen wird bzw. mir nicht an die Substanz gehen wird, wurde ich doch mit jedem Schritt, den ich in der Einrichtung näher kam, aufgeregter und unentspannter, bekam schweißnasse Hände und mein Puls ging in die Höhe.

Ich war einer der ersten und konnte mich dementsprechend vor Beginn schon ein wenig mit den anderen Spielern vertraut machen und mich "reinfühlen", was mir die Aufregung ein wenig genommen hat.

Mein erster Eindruck ist, dass ich froh bin den Weg dorthin gefunden zu haben. Der "Gruppenälteste" ist schon fast 20 Jahre trocken und kommt trotzdem noch hin, weil es ihm eine Herzensangelegenheit geworden ist. Ich finde das bewundernswert. Die restlichen Leute waren bunt gemischt. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mit viel Elend und Leid gerechnet, abgerissene Typen, verspielte Existenzen. Und natürlich waren einige auch um ein vielfaches schlimmer dran als ich. Aber wir haben alle etwas, das uns verbindet. Wir sind krank und können alleine nicht genesen. Auf jeden Fall habe ich mich in einigen Geschichten, die angerissen wurden definitiv selbst erkannt und es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass man mit seinen Sorgen, seinem Kummer und seinen Problemen nicht allein ist.

Die Leiterin der Gruppe hat mir ihre Telefonnummer gegeben weil ich sie nach der Sitzung nach Möglichkeiten einer Therapie gefragt habe. Mit ihr werde ich heute im Laufe des Tages telefonieren und hoffe von ihr einige Möglichkeiten aufgezeigt zu bekommen, die ich dann nutzen kann. Würde mir natürlich wünschen, wenn es so etwas direkt bei uns im Ort geben würde, bin nicht sonderlich mobil weil ich kein Auto und keinen Führerschein habe.

Meine Freundin hat mich übrigens zur SHG gebracht und mich auch wieder abgeholt. Normalerweise hat sie Dienstag Abends Sport um die Zeit, in der die SHG tagt, allerdings wird sie diesen nun vorerst ausfallen lassen, weil sie mich nächste Woche und in den Wochen, die folgen werden dort abliefern wird. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Und das kann ich auch absolut verstehen, ich habe ihr 4 lange Jahre einen riesengroßen Haufen Lügen aufgetischt. Bin völlig überwältigt von ihrer Anteilnahme und ihrem Verständnis meiner Sucht gegenüber. Wenn ich darüber nachdenke, wie lange ich ihr das aus Angst vor Abweisung verschwiegen habe, könnte ich mir in den Ar*** beißen... Sie hat sich auch direkt Informationen geholt, sich ein Buch zur Thematik bestellt und macht sich jetzt schlau, das ist für sie alles natürlich absolutes Neuland. Und ich bin unglaublich dankbar dafür, dass sie das tut. So wie ich mich ihr gegenüber verhalten habe, hab ich das eigentlich nicht verdient...!

So, Tag 2 ohne Spielen, da momentan eh kein Geld vorhanden ist, fällt es mir natürlich leicht nicht zu spielen, wovon auch. Drüber nachdenken tue ich trotzdem sehr viel. Gleichzeitig ist der Gedanke ans Spielen aber gepaart mit einer großen Wut und einer innerlichen Leere. Wut auf mich selbst, weil ich so unsagbar dämlich war und mir so unendlich viel Zeit und Nerven geraubt habe. Wut auf die Automatenindustrie, die von suchtkranken Menschen lebt. Wut auf das System, das so etwas billigend in Kauf nimmt um sich die Taschen zu füllen. Schuldzuweisungen bringen nichts, das weiß ich. Und mein Geld bekomme ich davon auch nicht zurück. Aber diese Wut ist vorhanden und in gewisser Weise finde ich es auch positiv, dass sie da ist.

Ich bin gespannt, wie sich meine Gefühlswelt weiterentwickeln wird in den nächsten Tagen. Jetzt geht es erstmal daran meine Schulden aufzulisten, Gläubiger anzuschreiben, Vergleiche anzustreben. Ein unschönes Thema, das ich immer ausgeblendet habe. Briefe, Mahnungen, etc. sind immer direkt in meine "Schublade des Vergessens" gewandert und es wird sicherlich nicht schön sich vor Augen zu führen, was für einen riesigen Haufen Schulden ich in den nächsten Jahren abzustottern habe. Aber auch das gehört dazu. Ich muss generell lernen, mich meinen Problemen zu stellen und nicht immer den Kopf in den Sand zu stecken.

Euch erstmal einen schönen Tag :)

Grüße,

Christian
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Miele1887 am 02.12.2016 13:33:37
03 November 2016, 09:35:11

Guten Morgen :)

Gestern Abend habe ich mich mit meiner Freundin hingesetzt und schonungslos meine Finanzen offen gelegt. Was soll ich sagen... Es hat mich nicht mal überrascht, was sich da über die Jahre und gerade dieses Jahr angehäuft hat. Ich stehe mit knapp 25.000 Euro in der Kreide. Einige Sachen davon hatte ich sogar schon fast wieder ausgeblendet.

Was mich wirklich erschreckt hat ist die Tatsache, dass ich allein dieses Jahr zwei Kredite mit über 10.000 Euro aufgenommen habe. Eingeredet habe ich mir, dass ich damit Schulden abbezahlen will. Effektiv habe ich aber mehr als drei Viertel verzockt. Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, und das will ich ab jetzt sein, dann habe ich diese Kredite in dem Wissen beantragt und aufgenommen, dass ich damit erstmal wieder flüssig bin und spielen kann. Ich war mir dessen bewusst und habe es trotzdem gemacht. Und es war okay für mich. Das ist Wahnsinn.

Meine Freundin war erwartungsgemäß platt. Mit so einer Summe hat sie nicht gerechnet, hatte ich doch in bester Lügenbaron-Manier alles vertuscht, abgestritten und manipuliert, damit mein Lügengerüst weiter aufrecht stehen bleibt.

Nun haben wir alle Kredite, Gläubiger, Ratenzahlungen, monatlichen Ausgaben, etc. in einer Excel-Tabelle erfasst, einen Tilgungsplan erstellt und ich darf heute und in den nächsten Tagen diverse Gläubiger anrufen und um Verkleinerung der Raten bitten, da ich es sonst nicht schaffe, alles gleichzeitig zu bedienen. Es werden so schon harte Monate die nächste Zeit, von meinem Geld werde ich lange Zeit nichts sehen, was aber auch gut so ist.

Desweiteren habe ich meine Bankkarte ausgehändigt und meiner Freundin die Zugangsdaten für mein online-Banking gegeben, welche Sie nun ändern wird. Somit habe ich auch keine Vollmacht mehr über mein Geld, was für den Moment und die nächste Zeit das beste ist. Lediglich ein Taschengeld von 5-10 Euro die Woche steht mir zur Verfügung, davon kann ich mir dann Tabak kaufen oder morgens vor der Arbeit mal ein Franzbrötchen :)

Auch hier muss ich sagen, dass ich vor meiner "Offenbarung" ihr gegenüber niemals ehrlich war, was Geld und Finanzen anging. Diese Themen waren IMMER ein wunder Punkt für mich und falls wir doch einmal darüber gesprochen haben, wurde ich sehr schnell launisch und ihr gegenüber auch unfair. Trotzdem habe ich es geschafft, sie so weit zu manipulieren, dass diese Themen eigentlich monatelang nicht mehr angesprochen wurden weil ich ihr zu verstehen gegeben habe, dass das meine Sache ist und sie das nichts angeht. Na klar, ich wollte ja auch nicht auffliegen. Es ist wirklich erschreckend zu sehen, wie abgebrüht und berechnend man wird um seine Sucht weiter auszuleben, finde das faszinierend und abstoßend zugleich.

Jetzt aber so offen und ehrlich ihr gegenüber zu sein, auch was dieses Thema angeht, fühlt sich neu und unglaublich gut an. Es schafft eine neue Ebene des Vertrauens zwischen uns die es bisher so nicht gab.

Eine Frage hab ich an euch:

Da ich diverse Gläubiger anrufen muss um eine Ratenzahlungsvereinbarung zu treffen bzw. um die Raten zu verringern, macht es Sinn zu erzählen, dass man pathologischer Glücksspieler ist und sich jetzt in Therapie begibt? Ich will definitiv zahlen und langsam aber sicher meinen Schuldenberg abtragen, allerdings brauche ich dafür das Entgegenkommen der Gläubiger.

Hat damit jemand von euch Erfahrungen? Sollte ich evtl. doch eine Schuldnerberatung machen um der ganzen Sache mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen?

Wäre nett, wenn sich dazu jemand äußern könnte :)

Bis dahin wünsche ich euch einen sonnigen, wenn auch eiskalten und frostigen Tag!

Christian
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Miele1887 am 02.12.2016 13:34:06
07 November 2016, 17:01:28

Hallo zusammen :)

Wollte hier nur kurz alles auf den aktuellen Stand bringen, vielleicht auch eher für mich als für euch, ist immer schön das Erlebte und Verarbeitete hier zu dokumentieren.

Heute vor einer Woche hab ich reinen Tisch gemacht und ich bereue NICHTS! Es war die beste Entscheidung meines Lebens und ich bin froh, sie getroffen zu haben!

Die ersten Dinge auf dem Weg in Richtung Spielfreiheit und heraus aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit sind in Angriff genommen. Ich habe mich meiner Freundin offenbart, ihr ehrlich und schonungslos alles erzählt. Ich war bei der SHG und werde morgen wieder hingehen, worauf ich mich auch schon freue. Zusammen mit meiner besseren Hälfte habe ich alle meine Schulden, Kredite, etc. aufgedröselt und tabellarisch aufgelistet. Auf Anraten von nutella (vielen Dank dir nochmal für den netten Hinweis bzgl. des Vergleichs) habe ich die Gläubiger angeschrieben, mit denen ich die weiteren Zahlungsmodalitäten abklären muss und warte dort nun auf Rückmeldung. Desweiteren habe ich meine Bankkarte abgegeben, das Tageslimit meines Kontos auf 50 Euro runtergesetzt, meiner Freundin die Zugangsdaten zu meinem Onlinebanking übergeben und zusammen mit ihr für die folgenden Monate Daueraufträge eingerichtet, sodass finanziell nun alles einen Rahmen bekommen hat und meine Freiheiten in dieser Hinsicht (und auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin!) extremst beschnitten sind.

Was nun noch zu tun ist:

Offline-Sperren in den Suchttempeln hier in der Stadt (online ist ALLES gesperrt, wo ich mich jemals angemeldet habe, Browser-Einschränkungen sind in Arbeit).

Eine Frage stellt sich mir: Die Leiterin der SHG meinte zu mir, dass ich jetzt erstmal ein paar Wochen SHG abwarten soll und selbst schauen muss, ob ich eine Therapie möchte. Ich selbst sehe mich nicht in einer stationären Therapie, was mich aber wirklich interessieren würde ist, WARUM ich Spieler geworden bin, welche Probleme ich EIGENTLICH damit verdrängt habe, etc. Wäre da der Gang zu einem Psychologen nicht sinnvoller? Oder doch ein Sucht-Therapeut, der beides aufgreift (also Spielsucht und, ich nenne es mal "Ursachenforschung"?).

Zu was könnt ihr raten? Bzw. was macht mehr Sinn? Ich weiß, es gibt nicht die Universal-Antwort  für jeden von uns. Jeder tickt anders, jeder braucht seine auf ihn zugeschnittene Behandlung, das ist mir klar. Trotzdem fische ich, was dieses Thema angeht, irgendwie ein bisschen im Trüben.

Abschließend ein kurzer Einblick in meine Gefühlswelt :D

Ich fühle mich zur Zeit sehr gut. Ich weiß, dass es die richtige Entscheidung war, die ich getroffen habe. Es ist auch nicht so, dass ich krampfhaft die Tage zähle, an denen ich jetzt nicht spielen war (sind ja auch nicht so viele bisher). Zu wissen, dass ich nicht gespielt habe erfüllt mich mit Stolz und Zufriedenheit. Ich hätte seit Freitag mehrfach die Gelegenheit dazu gehabt, auch weil wieder etwas Geld eingegangen ist (mache nebenher und unter der Hand ab und an mal ein paar Drucksachen fertig, Flyer, Visitenkarten, Briefpapier, etc. Bin gelernter Mediengestalter). Aber ich habe gar nicht wirklich das Verlangen gehabt. Natürlich denke ich hin und wieder ans Zocken, dafür gibt es auch viel zu viel, was einen daran erinnert und einen triggert, sei es der Weg zur Arbeit, irgendwelche Geräusche, etc. Aber ich bin auf einem Guten Weg und will es schaffen. Sicherlich ist auch noch eine Menge der anfänglichen Euphorie vorhanden, aber warum diese nicht positiv nutzen? :)

Euch einen schönen Abend! Kann nur immer wieder sagen, dass ich froh bin hierher gefunden zu haben, ehrlich! Mittlerweile hab ich das halbe Forum und seine Beiträge durch und es steckt so vieles in diesen Dingen, das man sich mitnehmen kann. Das ist ganz stark!

Gruß, Christian
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Miele1887 am 02.12.2016 13:34:42
11 November 2016, 10:08:09

Guten Morgen, Forum :)

Mir geht es nach wie vor sehr gut, seit meiner "Offenbarung" bin ich spielfrei geblieben und freue mich über jeden einzelnen dieser Tage! Erstaunlich, mit wie wenig Geld man eigentlich auskommt, wenn man nicht jeden Cent in die Spielhalle trägt oder online verpulvert.

Die zweite Sitzung in der SHG war wieder sehr aufschlussreich und ging diesmal fast 3 Stunden :D War am Dienstag erst um kurz vor 23 Uhr zuhause und danach echt geschafft. Der Kopf bekommt dort wirklich ne Menge Input und man merkt richtig, wie Mechanismen in Gang gesetzt werden, die dazu führen, dass man selbstreflektierter wird, in sich geht und nachdenkt. Ich habe mich immer gefragt, weshalb ich spiele, was der Grund dafür ist. Das war auch Thema am Dienstag und mir wurde ein Gedankenanstoß gegeben, den ich vorher so nicht hatte.

Was bringt es mir, zu wissen, warum ich spiele? Was genau habe ich davon, den Grund zu kennen? Würde es etwas an der Situation ändern, in der ich mich befinde? Würde es alles ungeschehen machen, was passiert ist? All die Lügen? All die verlorene Zeit und das kaputtgespielte Selbstwertgefühl? Wieso versuche ich so krampfhaft ein Etikett dafür zu finden, was mit mir nicht stimmt? In welche Schublade will ich mich einordnen?

Ich habe darüber seit Dienstag viel nachgedacht und ich glaube, dass ich zu keiner Antwort auf diese Fragen komme. Und dass ich auf keine Antwort kommen will. Stattdessen möchte ich akzeptieren, dass ich so bin, wie ich bin. Ich habe eine Suchterkrankung, die mich mein Leben lang begleiten wird. Das bin ich. Und ob das jetzt daran liegt, dass ich als Kleinkind nicht genug Aufmerksamkeit von meinem Vater bekommen habe oder weil mir ADHS diagnostiziert wurde und meine Eltern mich mit Ritalin vollgepumpt haben, SO WHAT!

Ich habe so lange nach Gründen gesucht, wieso, weshalb, warum. Es macht mich rastlos und es ist unbefriedigend für mich. Der wirklich simple Gedanke, einfach zu akzeptieren, dass ich bin wie ich bin, kam mir nie.
Das mag total banal klingen, zeigt aber auch, wie verkopft ich im Umgang mit mir selbst bin. Für mich ist das eine völlig neue Erkenntnis mit der ich mich total wohl fühle :D

Sich der SHG anzuschließen, war eine verdammt gute Idee. Es tut unfassbar gut, sich anfangs noch völlig fremden Menschen so schonungslos zu öffnen. Uns verbindet alle die Sucht, es ist wie ein verschworener Kreis, der Geheimnisse austauscht, die keine mehr sein sollen. Und irgendwie ist es ja auch so. Mit jeder Lüge, jedem Kapitel der Spielerkarriere, das man den anderen gegenüber preisgibt, kommt etwas zurück ins Gleichgewicht. Ich bin nicht spirituell oder religiös, aber der Begriff "Karma" passt hier ganz gut, finde ich :) In so gut wie jeder Geschichte, die ein anderer erzählt, kann ich mich selbst sehen und bekomme einen Spiegel vors Gesicht halten. Was ich in diesen Spiegeln sehe, ist nicht nur die Gegenwart. Bei manch einem Spiegel ist es die Vergangenheit und bei einem anderen die Zukunft, sowohl eine, die ich nicht leben möchte als auch eine, für die sich der Weg lohnt. Lehrreich ist es aber in jedem Fall.

Wie ihr seht, es beschäftigt mich, was dort mit mir passiert, und das ist gut so!

Ich wünsche euch ein schönes Wochenende, lasst es euch gut gehen und passt auf euch auf! :)

Gruß, Christian
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Miele1887 am 02.12.2016 13:35:18
15 November 2016, 16:34:36

Hey, Leute :)

Heute Abend ist wieder SHG. Seit Erstellung dieses Tagebuches bin ich spielfrei und ich muss sagen, dass es mir relativ leicht fällt, nicht zu spielen. Trotzdem erwische ich mich dabei, wie sich der Suchtteufel immer wieder kurz in meinen Kopf stiehlt und meine Gedanken manipuliert.

Es ist irrwitzig: Jetzt, nach zwei spielfreien Wochen, denke ich, dass ich es doch total unter Kontrolle habe. Ich muss nicht spielen, niemand zwingt mich dazu. Es ist überhaupt kein Problem für mich. Wenn ich jetzt noch 3-4 Mal in die SHG gehe, dann kann ich mir das danach auch schenken. Ich bin ja stark genug, man muss es nur wollen.

Kennt ihr solche Gedanken? Sowas geht mir momentan durch den Kopf und es macht mir ein bisschen Angst. Ich weiß, dass das absoluter Schwachsinn ist, ich habe jahrelang gezockt um es besser zu wissen. Es ist wirklich ekelhaft, wie mir die Krankheit diese Gedanken einflößt.

Ich versuche mir dann zu vergegenwärtigen, wie weit runter mich die Spielsucht gebracht hat, was sie kaputt gemacht hat, wie sie mich verändert hat. Und dass es nur einen Gewinner gibt, wenn ich mein Geld in die Spielhalle trage. Nicht mich. Das klappt auch sehr gut, trotzdem schleichen sich solche Gedanken zwischendurch aber immer wieder mal ein. Es reicht, sie wegzuwischen und mich abzulenken.

Was macht ihr in solchen Augenblicken?

Davon abgesehen geht es mir aber sehr gut, bin nach wie vor der Meinung, dass das die beste Entscheidung seit langer langer Zeit war und bin auch immer noch motiviert, den Weg weiter zu gehen.

Grüße, Christian
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Miele1887 am 02.12.2016 13:36:25
16 November 2016, 10:21:12

Einen wunderschönen!

Eben gerade hatte ich einen unschönen Zwischenfall, den ich kurz schildern möchte. War bei youtube unterwegs und hatte dort während meines Spielens oft Videos geguckt, die Leute in Spielhallen aufgenommen haben, von Gewinnbildern, Serien, etc. Auf jeden Fall wollte ich nur Musik anmachen und habe dann auf der Startseite Videoempfehlungen bekommen, eben von diesen Spielhallen-Kanälen. Es kam wie es kommen musste und ich habe mir ein Video angeguckt  :(

Jetzt fühle ich mich schlecht damit. Ich weiß nicht genau, wie ich das einordnen soll. Hätte ich es wirklich nicht gucken wollen, dann hätte ich es auch nicht getan, richtig? Meine Gedanken beim Anschauen waren zwiespältig, auf der einen Seite hat es schon einen Reiz auf mich ausgeübt, auf der anderen war mir zu jeder Zeit des Videos bewusst, dass alles daran schlecht und falsch ist und dass ich es nicht gucken sollte.

Ich werte das für mich persönlich als kleinen Rückschritt, denn das ist das erste Mal seit mehr als 2 Wochen, dass ich mich bewusst mit diesem Mist konfrontiert habe. Und wohl eher nicht aus Neugier, was es mit mir macht, sondern um mich anzufixen. Zwar verspüre ich jetzt unmittelbar danach nicht das unbändige Bedürfnis zu spielen, trotzdem denke ich, dass es ein eindeutiges Zeichen dafür ist, dass ich aufpassen muss.

Vielleicht habt ihr ja ähnliches erlebt und könnt mir eure Meinung dazu schreiben, würde mich freuen :)

Bis dahin euch ein schönes Bergfest!

Gruß, Christian
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Miele1887 am 02.12.2016 13:36:45
23 November 2016, 11:15:59

Guten Morgen, Leute :)

Von mir ein kurzes Update, auch wenn es eigentlich nicht viel zu berichten gibt. Ich bin weiterhin spielfrei, besuche die SHG regelmäßig und spüre nach wie vor, dass mir das Nicht-Spielen sehr gut tut. Es ist lang her, dass ich über einen Zeitraum von über 3 Wochen nicht gespielt habe und es fühlt sich gut an und ich bin stolz auf mich.

Nach 4 Mal SHG muss ich sagen, dass ich mich gut in die Gruppe integriert fühle, wenn ich gegen 22:30 Uhr wieder auf dem Weg nach Hause bin dann spüre ich, dass ich lebe. Irgendwie wird mein Wertesystem während der Treffen immer wieder neu kalibriert, der Blick auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben neu geschärft. Diese Treffen sind jetzt nach kapp einem Monat schon sehr wichtig für mich geworden und ich bereue es nicht, den Schritt gemacht zu haben und mir die Selbsthilfe zu gönnen, wie Olli immer so schön sagt :D

Der Gedanke ans Spielen ist zwischendurch zwar präsent, das kommt dann einfach so, ohne Vorwarnung und das ist auch okay, ich lasse das dann zu und setze mich damit auseinander. Allerdings muss ich sagen, dass es in der letzten Woche weniger geworden ist. Es ist wie ein Zucken, das dann ab und zu aufblitzt und plötzlich da ist, aber genau so schnell ist es wieder weg.

Da ich mich in letzter Zeit durch die SHG sehr viel mit mir selbst beschäftige und durch das Nicht-Spielen auch eine Menge Zeit habe über mich nachzudenken, sind mir einige Verhaltensmuster aufgefallen, an denen ich arbeiten möchte und die ich aufarbeiten möchte. Ich will da jetzt nicht ins Detail gehen, hat viel mit meiner Kindheit zu tun, mit Anerkennung, Akzeptanz, Kritikfähigkeit, etc. Ich denke, dass dort auch der Hund begraben liegt, weshalb ich spielsüchtig bin bzw. warum ich generell ein sehr Sucht-affiner Mensch bin.

In der Gruppe habe ich mir die Telefonnummer eines Suchtberaters der AWO besorgt. Je mehr ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir eigentlich, dass dieser Mensch nicht der richtige Ansprechpartner für mich ist. Ich denke da eher an einen Psychologen?

Was ich eigentlich möchte, ist jemanden zum Reden. Nicht meine Freundin, nicht meine Schwester oder meine Familie, mit denen kann ich immer reden. Ich möchte jemanden, zu dem ich einmal die Woche gehe, mit dem ich über mich spreche, der mit mir zusammen in mich reinschaut, mir aufzeigen kann, was mich emotional belastet, was ich mit mir herumschleppe. Mit dem ich zusammen an mir arbeite. Schon eine Art Therapie irgendwie.

Habt ihr da vielleicht ne Idee für mich? An wen genau soll ich mich wenden? Doch erstmal der Suchtberater von der AWO? Ich bin an dieser Stelle ein bisschen überfragt, weiß aber, dass es mir unheimlich gut tun würde, wenn ich in dieser Richtung etwas unternehmen könnte :)

Danke schon mal :)
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Miele1887 am 02.12.2016 13:37:06
28 November 2016, 16:45:58

Nabend, Leute :)

Kurzes Update von meiner Seite:

Genau heute vor 4 Wochen hab ich den ersten Schritt getan und mich meiner Spielsucht gestellt. Was seitdem passiert ist, habe ich hier in diesem Tagebuch niedergeschrieben. Spielfrei bin ich seit 28 Tagen und ich bin so froh, dass ich es bis an diesen Punkt geschafft habe. 28 Tage ohne Spielen, das hatte ich seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr und es fühlt sich einfach nur richtig an!

Ein Monat spielfrei. Ein Monat, in dem ich mich so viel mit mir selbst beschäftigt habe, wie lange nicht mehr. Ein Monat, in dem ich viel über mich gelernt habe, auch durch die regelmäßigen Besuche in der SHG.

Natürlich kann ich hier jetzt keine klugen Ratschläge erteilen, dafür bin ich noch zu "nass", allerdings kann ich jedem, der neu in dieses Forum kommt und den Wunsch nicht mehr zu spielen mit sich herumträgt dazu raten, es zu versuchen und die dafür notwendigen Schritte einzuleiten.

Ich habe letztens in der Gruppe erzählt, dass die kommenden Monate sicherlich hart werden, weil durch die Tilgung der Schulden kein Geld zur Verfügung ist. Daraufhin meinte eine Gruppenteilnehmerin zu mir: "Wieso hart? Vorher hattest du doch auch kein Geld für dich zur Verfügung..." :D Das hat ein bisschen gedauert aber sie hatte damit total recht! Ich hab ja nie Geld für mich gehabt, das ging ja alles in der Spielhalle oder online drauf, für MICH hatte ich nie Geld. Es ist eh erstaunlich, mit wie wenig Geld man eigentlich auskommt. Bis auf Tabak und ab und an mal ein Franzbrötchen morgens auf dem Weg ins Büro habe ich mir nichts gekauft diesen Monat (war natürlich auch kein Geld da, das hatte ich ja direkt am Monatsanfang verzockt. Bekomme jetzt ja ein wöchentliches Taschengeld von 5 Euro und das reicht, kaum zu glauben!) War ein lustiger und aufschlussreicher Moment für mich, wie so vieles, was in der Gruppe passiert. Den Besuch einer SHG kann ich uneingeschränkt empfehlen und ich denke, dass es wirklich ein sehr sehr wichtiges Instrument auf dem Weg in eine Spielfreiheit ist!

Was den Therapeuten/Psychologen angeht: Ich habe nun erstmal den mir empfohlenen Suchtberater angerufen und warte auf eine Rückmeldung seinerseits (konnte ihm nur auf die Mailbox quatschen, ist permanent nicht zu erreichen -.- ) Werde mich aber auch nochmal im Netz schlau machen, danke für deine Info diesbezüglich! :)

So, ich wünsche euch eine angenehme Woche, bleibt spielfrei und stark, es lohnt sich!

Grüße, Christian :)
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Info2 am 07.12.2016 17:08:02
Hallo Miele..

Was ist mit den Gläubigern raus gekommen..?
Hast Du schon Erfolg verbuchen können..?

LG
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Miele1887 am 08.12.2016 08:56:21
Moin zusammen :)

Ich konnte mich mit allen Gläubigern einigen, teils mit Vergleichen die ich direkt gezahlt habe, teils mit Vergleichen, die ich nun in Raten abzahle und teils mit Ratenzahlungen, die seit dem 01.12. nun ihren Gang gehen. Das eine wird schneller bezahlt sein, das andere wird mich noch Jahre begleiten. Egal, ich weiß, dass ich in absehbarer Zeit schuldenfrei sein werde und das ist die Hauptsache. Nimmt mir doch einige Last von den Schultern und drückt mir nicht mehr so sehr auf die Psyche. Ich hab mich damit abgefunden, dass ich die nächsten Jahre den Gürtel einfach ein bisschen enger schnallen muss und es ist okay für mich. Geld ist materiell. Ich bin in einem festen und unbefristeten Arbeitsverhältnis und die Kohle wird noch länger sprudeln, also brauche ich mir da keinen Stress mehr machen.

War ein schönes Gefühl als am Anfang des Monats alle Daueraufträge und Lastschriften vom Konto waren, klingt komisch, ist aber so :D Natürlich betrachte ich das ganze auch mit einem kleinen weinenden Auge, schließlich bleibt gerade jetzt im Dezember nicht viel übrig für die Weihnachtsgeschenke  :P  Aber da hat mein Umfeld vollstes Verständnis für und auch das ist ja kein Dauerzustand. Ich hab mir die Suppe eingebrockt, jetzt löffle ich sie auch aus  8)

Generell geht es mir sehr gut seitdem ich die Entscheidung getroffen habe nicht mehr zu spielen. Die Besuche in der Gruppe bestärken mich dabei und rufen mir jeden Dienstag ins Gedächtnis, warum ich diesen Schritt getan habe. Nach über einem Monat dreht sich auch nicht mehr so viel ums Spielen wie vorher, jedenfalls tagsüber. Nachts hatte ich jetzt schon mehrfach ziemlich wirre Spielhallen-Träume, war teilweise schon ganz schön abgefahren  :o :D Das zeigt mir aber, dass mein Unterbewusstsein mit der Entscheidung kämpft oder sich damit auseinandersetzt und Dinge verarbeitet. Alles in allem fühle ich mich aber psychisch so stabil wie lang nicht mehr, auch wegen der Ehrlichkeit meinem Umfeld gegenüber. Das tut gut. Körperlich bin ich momentan aber ganz schön abgewrackt  ;D  Liegt wohl am mangelnden Sonnenlicht oder so :D

Ich wünsche euch einen schönen Tag und gute 24 Stunden :)

Gruß, Christian
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Fred am 08.12.2016 13:35:05
Christian,

ich finde deine Einstellung zu deinen Schulden absolut vorbildlich !
Wenige sehen das so realistisch und suchen eher einen Schuldigen als einen Ausweg aus den Schulden.

Aus eigener Erfahrung sage ich, dass es ein sehr erhabenes Gefühl ist, wenn man seine Schulden begleichen kann
auch wenn die Schulden aus lange vergagenen Tagen sehr schmerzlich sind.

Hatte ich dann den einen oder anderen Gläubiger komplett "getilgt" fühlte ich mich
als stünde ich auf dem Mount Everest und die Welt läge mir zu Füßen.

Ich muss dazu aber ehrlich sagen, dass viele wirtschaftlich nicht in der Lage sind die eigenen Schulden zu bezahlen.
Da muss man sich dann einfach durch ein Insolvenzverfahren durchkämpfen.

Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Miele1887 am 08.12.2016 14:33:08
Hey Fred,

danke für dein Feedback! Ich hab die ganze Schuldenthematik satt, ehrlich. Jahrelang hab ich mich damit rumgeplagt, mir Vorwürfe gemacht, mich dafür gehasst, dass ich mit Geld nicht umgehen kann, dass ich zocke, etc. Hab den Berg immer und immer wieder vor mir hergeschoben und nichts dagegen unternommen. Das hat mich sehr viel Energie und Lebensqualität gekostet und ich hab einfach kein Bock mehr mich deswegen schlecht zu fühlen.

Die Schulden sind da, ich kann sie ja nicht wegzaubern oder ignorieren, wie ich es eine Ewigkeit lang getan habe. Aber jetzt, wo alles in die richtigen Bahnen geleitet ist, kann ich mich emotional davon distanzieren und Stück für Stück damit abschließen. Ich versuche einen neuen Umgang damit zu erlernen. Natürlich sind da immer mal wieder Tage dazwischen, an denen ich mir denke, dass das doch alles kacke ist. Keine Kohle für nichts, keine Klamotten, kein neuer Fernseher, keine Anlage, etc. Aber das sind halt alles materielle Dinge. Und die können warten. Schwer für mich das zu akzeptieren, weil ich ein ungeduldiger Mensch bin, aber es nützt ja nichts. Dieser Prozess gehört halt auch zum "großen Ganzen" dazu, zum Umdenken und zum zu-sich-zurück-finden.

Es ist übrigens wirklich ein erhabenes Gefühl seine Schulden zu begleichen. Weil wieder etwas mehr Last von einem fällt und man sich selbst bewiesen hat, dass man es doch kann. Und natürlich weiß ich, dass ich durchaus in einer glücklichen Situation bin. Ich habe Arbeit und kann diesen Berg Stück für Stück abtragen. In dem Punkt liegen mir zum Glück keine Steine im Weg und ich weiß nicht, wie es mir gehen würde wenn ich eine Privatinsolvenz anmelden müsste. Kann absolut verstehen, wie schwer das für viele andere zusätzlich zu der Abstinenzentscheidung sein muss und ich beneide da niemanden drum. Um so schöner, wenn man auch aus so einer Situation wieder herauskommt und sich auf die wesentlichen Dinge im Leben fokussieren kann! :)
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Info2 am 08.12.2016 18:19:39
Hi Miele..

Ich finde es richtig klasse wie Du alles an gehst.. Kein rumgeeire, kein quatschen..
Du setzt all deine Ansagen so wie beschrieben in die Tat um..

Gut gemacht..!!  :)

LG
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Deine-Dunkle-Seite am 17.12.2016 10:00:10
Deine-Dunkle-Seite meint :

Hallo Miele,

zunächst einmal Glückwunsch zu den 40 Tagen (und mehr) spielfreie Zeit.

Deine-Dunkle-Seite möchte nur nicht , weißt Du die Person die angibt Deine-Dunkle-Seite zu sein, die
war einst in der selben Situation wie Du, nämlich massivst verschuldet.
Ich zockte damals neben den Sportwetten auch noch dieses (verfluchte) online Roulette, binnen Monaten machte
ich starke Verluste dort. Ich nahm Kredite bei  Banken auf oder bestellte bei Versandhäuser Artikel um diese umgehen wieder zu verkaufen.
Ich brauchte ja Kohle um weiter zu zocken...eines Tages konnte ich die Raten nicht mehr bedienen.

Jedenfalls die Änderung der Kreditraten bzw die Regelung mit den Banken / Versandhäusern über eine modifizierte Abzahlung das
dauerte damals bei mir Monate ach was sogar mehr als 1 Jahr. Das ging dann auch nur bei mir mit Hilfe von einem Rechtsbeistand
So mich als Person nahmen die Banken gar nicht ernst, da mußte eine Rechtsanwalt helfen...

Du schilderst das bei dir aber, jedenfalls gewinne ich den Eindruck, dass diese Regelung bei Dir binnen Tagen lief.
Ist dem wirklich so ??

Sorry, mit einem Taschengeld von 5? pro Woche...Du als Raucher !!! Reicht Dir das wirklich ???? Davon kannste Dir nicht einmal
ne Packung Zigaretten kaufen....

Weiterhin viel Erfolg.

es grüßt
DEINE-Dunkle-Seite
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Miele1887 am 17.12.2016 13:47:32
Moin moin :)

Danke für deinen Beitrag! Da ich gerade im Büro bin und ordentlich was aufm Tisch hab, antworte ich dir jetzt nicht so ausführlich, hole ich ggf. später nach :)

Ich habe aktuell zwei Kredite abzuzahlen. Einen in Höhe von knapp 7000 Euro und einen in Höhe von 4500 Euro. Beide Kredite habe ich allerdings auch während meines Zockens getilgt. Wenn es mit den Krediten ein Problem gegeben hätte und meine bessere Hälfte dann dahintergekommen wäre, dass ich diese beiden Kredite aufgenommen habe bzw. sie nicht mehr zahlen kann, Lohnpfändung, etc. dann wäre die Hölle los gewesen. Also habe ich diese Raten eh Monat für Monat gezahlt.

Dafür aber viele andere Dinge nicht.

Und um all diese anderen Dinge musste ich mich natürlich kümmern weil es auch sonst dort überall zu Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheiden, Kontopfändungen, Inkasso, etc. gekommen wäre. Bei einigen dieser Gläubiger war es sogar schon so weit. Aktuell habe ich gerade mit Ach und Krach eine Kontopfändung verhindert indem ich mich mit dem Inkasso-Büro auf einen Sofortbetrag geeinigt habe um die Pfändung rückgängig zu machen. Den Rest zahle ich in Raten ab.

Mit all den anderen Gläubigern habe ich Ratenzahlungen bzw. Vergleiche verhandelt. Meist sind die Leute die da sitzen gar nicht so böse, wie man immer angenommen hat. Die machen auch nur ihren Job und sind auch irgendwo nur Menschen, viele haben wirklich Verständnis für meine Situation gehabt, ich war allerdings auch schonungslos mit mir selbst. Natürlich war es einigen auch scheißegal :D Im Endeffekt wollen die aber alle nur ihre Kohle sehen oder zumindest einen Teil davon.

In ein bisschen mehr als zwei Jahren bin ich mit allen Gläubigern durch, die Kredite laufen teilweise noch bis 2021, lange Zeit also. Aber es ist ein Ziel zu erkennen und darauf arbeite ich hin.

Alles in allem hat das gesamte Prozedere so ca. 2 Wochen gedauert bis ich von allen ne Antwort bzw. ne Einigung hatte. Hab das meiste allerdings auch per Telefon geregelt.

Und was das Taschengeld angeht:

Das haben wir auf 10 Euro erhöht ;-) :D So hab ich einen Beutel Tabak die Woche und 5 Euro für mich, Franzbrötchen vor der Arbeit, ne Dose Cola oder ne Packung Filter und Blättchen, irgendwie so :D Man kann sich damit arrangieren, hätte ich auch nie gedacht aber es ist okay. Und soll ja auch kein Dauerzustand bleiben. Ich muss für mich halt erst wieder lernen mit Geld umzugehen und das wird noch ne Weile dauern :)

So, das vorerst von mir, habt nen schönen Tag!

Gruß, Christian
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Miele1887 am 22.12.2016 14:00:15
Einen wunderschönen :)

Der Bezeichnung "Tagebuch" werde ich mit meiner losen Ansammlung von Beiträgen wohl eher nicht gerecht, nennen wir es eher Wochenbuch oder Statusbericht  ;D

Tja, was soll ich sagen. Ich bin immer noch spielfrei, dank der tollen Liste die Fred ja jetzt weiterführt weiß ich, dass es heute sogar schon 52 Tage sind. Das ist für mich eine riesengroße Leistung! 52 Tage spielfrei war ich in den letzten Jahren sicherlich nicht ein einziges Mal. Ich bin stolz auf mich selbst, darauf, dass ich an mir arbeite, regelmäßig zur Gruppe gehe, mich mitteile und mit anderen austausche. Es fühlt sich alles richtig an. Ich muss zuhause und in meinem Umfeld nicht mehr lügen, ich zahle meine Rechnungen und Schulden, alles geht seinen Gang.

Aaaaaber:

Trotzdem bin ich nicht ganz zufrieden. Es wurmt mich, dass ich so einen großen Teil meiner finanziellen Freiheit abgegeben habe. Ich bekomme 10 Euro Taschengeld um komme damit eine Woche gut aus, hatte diese Woche sogar noch 2 Euro Überschuss aus der letzten Woche  ;D Aber es ist phasenweise doch deprimierend zu sehen, dass ich mit Ende Zwanzig den Umgang mit Geld komplett neu erlernen muss und eigentlich nichts von meinem Geld habe, das ich verdiene. Meine Freunde bauen Häuser, gründen Familien, kaufen sich neue Autos, machen teuren Urlaub. Und ich? Ich zahle die nächsten Jahre meine Schulden ab und kann mir nicht mal ne neue Jeans leisten, die ich doch sehr dringend brauche  :o

Klar, es sind materielle Dinge, die ich aufführe. Ich werde weder verhungern, noch daran sterben, dass ich mir momentan nicht das kaufen kann, was ich will. Und wahrscheinlich geht es auch gar nicht darum, dass ich wenig Geld zur Verfügung habe. Mir wird erst jetzt, wo sich der zähe Zock-Kleister, der diffuse Nebel im Hirn so langsam verzieht, erst richtig bewusst, was ich da eigentlich angerichtet habe. Was ich mir mit meinem Verhalten in der Vergangenheit für Steine in den Weg gelegt habe. Und diese Tragweite, diese Bürde, die ich jetzt mit mir herumtrage, setzt mir in letzter Zeit zu. Nicht so, dass ich darüber nachdenke alles hinzuschmeißen oder aufzugeben, auf keinen Fall! Aber es zieht mich runter, wenn ich darüber nachdenke.

Ich weiß nicht, ob das nicht vielleicht auch der Suchtteufel ist, der sich jetzt über 5 Ecken bemerkbar macht, mich negativ beeinflussen will in meiner Entscheidung und in meinem Handeln. Manchmal denke ich mir, wenn alles abbezahlt ist und ich keine Schulden mehr habe, könnte ich ja eigentlich mal wieder los. 30 Euro tun niemandem weh und vielleicht gewinne ich ja etwas. Gleichzeitig weiß ich aber in dem Moment, wo diese Gedanken kommen, dass es völliger Schwachsinn ist und dass das den altbekannten Kreislauf wieder zum Laufen bringen würde. Ans Spielen an sich denke ich sehr wenig, wie es ist vorm Automaten zu sitzen, welches Spiel, welcher Einsatz, etc. Es ist eher der Gedanke daran, was in Zukunft passieren wird. Ein bisschen Angst davor, es doch nicht zu schaffen und doch wieder zu spielen.

In der Gruppe gibt es viele, die nach jahrelanger Abstinenz wieder rückfällig geworden sind. Weswegen das passiert ist wissen sie eigentlich gar nicht, es ist einfach passiert. Davor graut mir ein wenig. Dass der Gedanke an die Krankheit irgendwann einschläft und ich dann, ohne es eigentlich zu bemerken, wieder anfange.

Das soweit von mir, im Großen und Ganzen geht es mir sehr gut momentan, einzig diese kleinen Abgründe, die sich dann und wann auftun, beschäftigen mich in letzter Zeit. Jemand schrieb vor einer Weile, ich glaube es war im alten Forum, dass gerade die Phase nach dem Anfang, wenn die anfängliche Euphorie abklingt und sich eine gewisse Leere breit macht, eine sehr gefährliche ist. Ich fühle mich aktuell nicht gefährdet demnächst wieder spielen zu gehen, das nicht. Ich möchte weiter stark bleiben und mein Leben ändern. Aber ich kann jetzt glaub ich ein bisschen besser nachvollziehen, was derjenige damit genau meinte  ;)

Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: MiLu am 22.12.2016 14:12:06

Hey Miele,

ob nun tageweise oder nicht: meinen Respekt hast du so oder so!

Zum finanziellen Aspekt: Freiheit liegt manchmal scheinbar in Ketten, doch betrachtet man die Ketten der Spielsucht erscheinst du mir nun im Vergleich dazu viel freier....  8)

Ich finde es gut, dass du Suchtgedanken frei ansprechen und auch zulassen kannst, denn ja sicherlich werden diese durch den bloßen Entschluss nicht plötzlich verschwinden - aber ich bin mir bei dir ziemlich sicher: ob mal in den Höhenlagen oder in den tieferen Tälern: du bist auf einem verdammt guten Weg!

Sei stolz auf dich und deine Freundin: ich freue mich sehr für und mit Euch!

Weiterhin wünsche ich Dir viel Kraft auf den manchmal doch sehr steinigem Weg der Abstinenz ....

Liebe Grüße

MiLu
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Miele1887 am 22.12.2016 14:22:35
Im Vergleich zu den Ketten der Spielsucht liegt die Kette der Freiheit natürlich lange nicht so eng um meinen Hals, da hast du total Recht! Mal davon abgesehen, dass ich mir diese Kette ja auch wohlwissend und selbst angelegt habe. Es ist nun an mir, das Halsband Stück für Stück zu lockern und mir so nach und nach meine Freiheit zurück zu schenken :) Ich danke dir für diesen tollen Vergleich und deine lieben Worte ebenso wie für den Gedankenanstoß, der sich aus dieser Metapher für mich ergeben hat! Danke! :)
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: amTiefpunkt am 22.12.2016 14:29:15
Hallo Christian,

für mich bist du momentan ein Vorbild an Zielstrebigkeit, Fleiß und Motivation. Du bist beflügelt vom Gedanken dein Leben zu ändern und der Sucht den Kampf anzusagen. Und genau das ist die Basis für den Beginn  deines Wegs in die Spielfreiheit. Beschäftige dich nicht zu sehr mit der fernen Zukunft, sondern meistere jeden Tag des Nichtspielens im hier und jetzt. Lasse Gedanken ans Spielen zu, beschäftige dich mit ihnen und rede darüber. Du warst Spieler, bist Spieler und wirst immer Spieler bleiben, da gibts es keine illusorischen Träumerein. Störfaktoren und Hindernisse werden dich allgegenwärtig begleiten, entscheidend wird sein, wie du sie meistern kannst, auch wenn du gerade in einem Tief steckst. Gefahrenherde tun sich immer wieder auf, aber wenn du deinem Weg treu bleibst, wirst du es schaffen! Sei stets wachsam, es wird funktionieren.
Deine Freiheit wird sukszessiv zurückkehren...und dann wirst du dir auch wieder einen Urlaub leisten können! ;-)

aT
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Tommy am 22.12.2016 20:40:17
Hast du echt toll geschrieben 👌👌.. mir geht es nicht viel anders als Dir.. finanzielle Sorgen sind schon schlimm.. ich werde jetzt auch versuchen aus dem Teufelskreis auszubrechen!! Hoffe ich finde hier ein wenig Unterstützung..

Gruß an alle Leidensgenossen 😊😊
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Karo am 23.12.2016 07:18:50
Hallo Miele

so wie du den Prozess bei dir beschreibst...kenne ich das auch. Ähnliche Hoffnungen, Befürchtungen, Zweifel und Gedanken daran, doch irgendwann es mir mal wieder erlauben zu können/zu dürfen. Oder auch in fester Überzeugung es nicht mehr zu brauchen, um doch in einer impulsiven Entscheidung, doch wieder eines anderen belehrt zu werden. Es ist wie es ist....wenn es Vergangenheit ist...nur die Zukunft können wir verstärkt helfen anders zu steuern.

Ich habe nun schon ca 10 Jahre diesen Prozess hinter mir...mit Abstinenzentscheidung...sich besser fühlen...nicht mehr fremdgersteuert...und immer wieder an Rückfällen bauend....

Ich weiß inzwischen, ich kann nicht für mich garantieren...das einzige was ich kann...ist jeden Tag aufs Neue, mich für andere Dinge zu entscheiden, statt des Spielens. Lange Zeit kommt mir das Spielen-wollen gar nicht ehr in den Sinn...um dann doch plötzlich und unerwartet wieder aus einem Loch mir entgegen zu springen... Wenn ich dann drüber reden kann, geht es mir schnell wieder damit besser. Es ist besser , als es mit mir allein dann aus zu machen. Darum schätze ich die Gemeinschaft unter Betroffenen und Verstehenden so sehr. Sie hilft mir immer wieder auf gute Wege zu finden.

Du machst es beispielhaft gut, finde ich. Weiter so !!!

lg Karo
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: amTiefpunkt am 23.12.2016 09:49:19
Guten Morgen Tommy,

erzähle doch ein wenig mehr von dir, damit wir uns ein Bild von dir machen können, evtl. in einem neuen Thread!? Willkommen hier im Forum!

aT
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Schowski81 am 23.12.2016 10:25:35
Moin Christian!!

Also ich finde Deinen bisherigen "Weg" vollkommen respektabel!
Alleine schon, das Du diese ganzen Posts verfasst zeigt doch schon, wie sehr Du Dich mit Dir selber auseinander setzt und das Du wirklich aus diesem Teufelskreis der Spielsucht heraus willst. Ich finde bei Dir klingt auch immer sehr gut durch, das Du dies größtenteils für Dich persönlich entschieden hast, sprich das Du nicht von anderen daztu "gedrängt" wirst, sondern es für Dich selber tust! Und das ist schon mal enorm wichtig!
Natürlich werden einem im Leben immer wieder Stolpersteine in den Weg gelegt, gerade auf dem Weg zur Bewältigung der Spielsucht! Jedoch lernt man nach und nach immer besser, damit umzugehen und es - auf einem gesunden Weg - zu verarbeiten!
Ich muss derzeit oft an den Song von Tim Bendzko denken. "Ich bin doch keine Maschine!" Das gibt oft sehr viel Denkanstoß, obwohl es einfach nur ein ganz simples Lied ist!

Ich bin keine Maschine, Du bist keine und der Rest der Menschheit genau so wenig! Wir sind "menschlich" und jeder von uns hat Ecken und Kanten. Der eine mehr, der andere weniger!

Arbeite weiter so an Dir und Du wirst sehen, das es mit der Zeit immer "leichter" wird! Glaub mir, als ich meine Abstinenzentscheidung getroffen habe, hätte ich nicht gedacht, das ich heute schon so "weit" bin. Das Spielen belastet mich nicht (mehr), ich kann problemlos in einer Kneipe sitzen, wo meinetwegen 5 von diesen Teufelskisten hängen. Und doch verschwende ich nicht einen Gedanken daran, auch nur einen Cent meines wertvoll erarbeiteten Geldes wieder dort hinein zu stecken. Ich habe heutzutage eher ein bisschen "Mitleid" mit dem Menschen, der verzweifelt davor steht und auf den großen Reichtum wartet! Leider war ich vor nicht allzu langer Zeit nicht anders und habe mir immer große Illusionen gemacht, wie viel ich "verdienen" kann!"

Ich habe einen sehr guten Freund, mit dem ich damals fast täglich in eine Spielothek gegangen bin. Dieser Freund hat jetzt einen sehr gut gestellten Job in einem großen Konzern und ist glücklich mit seiner Freundin, mit der er seit 2 Jahren zusammen ist. Ich kann Dir sagen, ich habe echt Angst um ihn, weil er echt noch nichts verstanden hat. Schon damals, als wir immer zusammen vor den Automaten saßen, hat er seine Freundin belogen, betrogen und sitzen gelassen, weil die Zeit mit dem Automaten kostbarer für ihn war! Als ich meine Abstinenzentscheidung im letzten Jahr getroffen habe, ist es zwar deutlich weniger geworden, das er in Spielos rennt, weil er mich, seinen besten Zockerbuddie nicht mehr an seiner Seite hat. Stattdessen muss ich mir jetzt jedes Wochenende geben, wie er lauter Scheine bei Sportwettenanbietern in seinem Portemonnaie mit sich herum trägt.
Das ist echt unglaublich hart für mich, kannst Du das verstehen? Er ist so ein guter Junge, hat viel Grips in der Birne und eine unglaublich hübsche und loyale Freundin! Und er hört nicht auf sich zu zerstören! Erst letztens hat er damit "geprahlt", wie viel Kohle er doch in seinem neuen Job scheffelt. Ich habe ihm daraufhin zu verstehen gegeben, das mir das scheiss egal ist. Ich verdiene bestimmt nen tausender weniger im Monat, trotz allem habe ich am Ende des Monats mehr von meinem Geld über. Vielleicht war das mal ein Denkanstoß für ihn, ich will es sehr hoffen, weil ich wie gesagt echt Angst um ihn habe...

Tut mir leid, das ich so weit abgeschweift bin, was ich nur sagen wollte: Manchmal sorge ich mich mehr um andere Leute, als um mich selber! Auch das ist mir während meiner Selbstreflektion aufgefallen. Ist bestimmt auch eher kontraproduktiv für meinen eigenen Geneseungsverlauf, aber leider bin ich so empathisch gestrickt!

Christian, Dir wünsche ich auf jeden Fall inständig alles erdenklich Gute, bleib auf diesem Weg, das gefällt mir alles in allem sehr gut!!
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Miele1887 am 23.12.2016 15:13:22
Hey ihr,

vielen vielen Dank für die ganze Resonanz!  :o Deswegen freue ich mich, teil dieses kleinen Netwerks zu sein!

Ich finde es gut, dass du Suchtgedanken frei ansprechen und auch zulassen kannst, denn ja sicherlich werden diese durch den bloßen Entschluss nicht plötzlich verschwinden

Du warst Spieler, bist Spieler und wirst immer Spieler bleiben, da gibts es keine illusorischen Träumerein. Störfaktoren und Hindernisse werden dich allgegenwärtig begleiten

Natürlich werden einem im Leben immer wieder Stolpersteine in den Weg gelegt, gerade auf dem Weg zur Bewältigung der Spielsucht!

Ähnliche Hoffnungen, Befürchtungen, Zweifel und Gedanken daran, doch irgendwann es mir mal wieder erlauben zu können/zu dürfen. Oder auch in fester Überzeugung es nicht mehr zu brauchen, um doch in einer impulsiven Entscheidung, doch wieder eines anderen belehrt zu werden.

Es ist schön zu sehen, dass ich mit diesen Gedanken und Ängsten nicht allein bin. Ist ja auch ganz klar, dass man sich diese Fragen stellt und Dinge hinterfragt, gehört zum Abstinenz-Prozess einfach mit dazu denke ich. Das ist für mich jetzt ein ganz neuer Lebensabschnitt und eine große persönliche Veränderung, dass ich davor ein wenig Furcht habe ist wohl menschlich. Aber ich möchte weiter stark bleiben, an mir arbeiten und spielfrei bleiben. Und allein eure Beiträge zu lesen gibt mir sofort ein gutes Gefühl und bestätigt mich in meinem Handeln. Danke euch!  ;D

Beschäftige dich nicht zu sehr mit der fernen Zukunft, sondern meistere jeden Tag des Nichtspielens im hier und jetzt.

Ich weiß inzwischen, ich kann nicht für mich garantieren...das einzige was ich kann...ist jeden Tag aufs Neue, mich für andere Dinge zu entscheiden, statt des Spielens.

Das ist genau das, was mir in der SHG auch alle raten. Schritt für Schritt, Tag für Tag. Das muss ich noch mehr verinnerlichen. Es lässt sich wesentlich einfacher handhaben, wenn ich mich selbst nicht zu sehr unter Druck setze, indem ich mir Gedanken über weit entfernte Dinge oder Ziele mache und dann feststelle, dass diese Ziele in weiter Ferne sind, was dann natürlich demotivierend ist. Hatte glaub ich schon mal erwähnt, dass ich ein sehr "verkopfter" Mensch bin und mir meist ZU viele Gedanken mache. Diese Einfachheit des Denkens und ein bisschen weniger "Verbissenheit", das muss ich noch lernen :)

Wenn ich dann drüber reden kann, geht es mir schnell wieder damit besser. Es ist besser , als es mit mir allein dann aus zu machen. Darum schätze ich die Gemeinschaft unter Betroffenen und Verstehenden so sehr. Sie hilft mir immer wieder auf gute Wege zu finden.

Lasse Gedanken ans Spielen zu, beschäftige dich mit ihnen und rede darüber.

Seitdem ich mich geöffnet habe und die SHG besuche merke ich, dass das Reden über die Krankheit, über mich und meine Probleme, Ängste, Hoffnungen, einfach alles, der Schlüssel zur Abstinenz ist. Ich habe in den letzten Wochen, nach dem Abklingen der anfänglichen Euphorie, die Erfahrung gemacht, dass ich Dienstags nach der Arbeit, wenn Gruppe ist, vorher eher weniger Lust habe hinzugehen. Wenn ich dann nach der Gruppe wieder nach Hause gehe, fühle ich das komplette Gegenteil. Mit jeder "Sitzung" der ich beiwohne lerne ich etwas Neues über mich. Vielleicht nicht während der Gruppe sondern erst ein paar Tage danach, wenn ich den Abend nochmal Revue passieren lasse. Dieser offene Austausch, die schonungslosen Wahrheiten die dort auf den Tisch kommen und auch diese Selbstverständlichkeit, mit der sich jeder öffnet, das ist etwas Seltenes und davon gibt es viel zu wenig im restlichen Leben. Und ich merke, dass es mir unheimlich gut tut daran Teil zu haben. Probleme offen auszusprechen, sich mitzuteilen, ernst genommen zu werden weil jeder weiß, was man durchmacht oder erlebt hat, das ist eine neue Erfahrung für mich. Ich vergleiche dieses Gefühl jetzt mal mit Aufräumen. Chaos ausmisten, alles wieder ins Gleichgewicht bringen. Genau dieses Gefühl, dass ich von dort mitnehme, das in mir wächst und aus dem ich meine Motivation ziehe, das gibt mir Kraft und bestärkt mich in meiner Entscheidung. In diesem Fall gilt das alte Sprichtwort "Reden ist Silber - Schweigen ist Gold" überhaupt nicht. Reden! Reden ist so unfassbar wichtig, das wird mir immer bewusster. Austausch, neue Gedankenanstöße aber auch Kritik, all das ergibt sich aus diesen Konversationen. Ich kann wirklich nur jedem, der ernsthaft etwas ändern will dazu raten eine SHG aufzusuchen, das ist für mich jetzt schon eine feste Institution geworden.

Ich habe heutzutage eher ein bisschen "Mitleid" mit dem Menschen, der verzweifelt davor steht und auf den großen Reichtum wartet!

Auf meinem Weg zur SHG komme ich an zwei Spielhallen vorbei. In beiden habe ich viel Zeit und viel Geld verschwendet und in beide kann man beim Vorbeilaufen ein Stückchen hineinschauen. Ich habe mich ganz am Anfang gefragt, ob ich nicht lieber einen anderen Weg nehmen sollte, nicht dort vorbei, mich evtl. triggern lassen. Aber ich habe mich bewusst dagegen entschieden. Wieso sollte ich auch davor weglaufen. Diese direkte Konfrontation findet früher oder später sowieso statt. Wie soll man diesen Brutstätten der Hölle auch aus dem Weg gehen? Direkt bei uns gegenüber, wenn ich vom Balkon sehe, ist eine Sportsbar. Die haben seit einem Monat eine neue Werbung auf dem Fenster kleben, für Sportwetten. Von diesem Fenster lächelt mir JEDES Mal, wenn ich auf dem Balkon stehe und rauche, die M****r-Sonne entgegen, trügerisch, hinterf****g, wohlwissend, dass ich ihr bester Kunde war... Aber sollen wir deswegen jetzt umziehen?

Um deine Anmerkung aufzugreifen, André. Wenn ich also auf dem Weg in die Gruppe bin und durch die Milchglasfenster einen Blick auf die armen Seelen erhasche, die dort sitzen und wie ferngesteuert ihr sauer verdientes Geld in diese Dreckskisten schmeißen, mit leeren Blicken und offenem Mund, dann denke ich mir auch, dass diese Menschen mir leid tun. Ich weiß nicht, ob ich als Spieler in der Position bin über diese Menschen zu urteilen, schließlich habe ich vor sehr kurzer Zeit auch genau dort gesessen und seelenlos mein Geld und meine Zeit verbraten, das Vertrauen meiner Liebsten verzockt und mich selbst verloren. Andererseits denke ich, wenn jemand ein Urteil bilden darf, wenn nicht wir, wer denn dann? Ich kenne diesen Gedankengang sehr gut, vielleicht ist das auch ein innerer Schutzmechanismus, das weiß ich gar nicht so genau.

Was deinen Freund angeht, auch da haben wir Parallelen. Ich war sehr oft zusammen mit Freunden zocken. Teilweise wirklich guten Freunden, die ich schon mein halbes Leben oder noch länger kenne. Mit einem von ihnen, ich nenne ihn einfach mal Luke, war ich wirklich am exzessivsten zocken. 500 Euro in die Tasche und dann von Samstag Nachmittag bis Sonntag Morgen um 5 Uhr durchballern. So lang, bis das Geld leer war. Wenn es bei einem schon eher verzockt war dann zur Bank, Kohle geliehen. Schulden untereinander hatten wir eigentlich nie, die wurden komischerweise immer sofort bezahlt wenn wieder Geld da war. War wohl sowas wie ein Spiele-Bro-Codex, keine Ahnung  ;D Wir sind meist in große Hallen gefahren, irgendwo an der Autobahn, schön anonym. Das Perfide daran ist eigentlich, dass wir beide auf der Fahrt schon im Auto darüber geflaxt haben, dass wir eh nichts gewinnen werden. Wie dämlich wir eigentlich sind, darauf hofften, dass die Kisten uns wenigstens ein bisschen spielen lassen. Uns war klar, dass wir wieder ohne Ende Verlust machen würden, Rechnungen nicht gezahlt werden können, das Umfeld wieder belogen wird.

Naja, auf jeden Fall hat Luke einen ziemlich sicheren Job und verdient auch nicht schlecht, mehr als ich auf jeden Fall. Dazu kommt, dass er Single ist, niemandem Rechenschaft schuldig ist außer sich selbst gegenüber. Aber auch er weiß, dass er krank ist. Er war Anfang diesen Jahres in Therapie, ambulant. Alle zwei Wochen eine Stunde Gespräch. Hat ihm gut getan. Dann war er für 3-4 Monate spielfrei bevor es wieder von vorn losging. Ich denke, dass ich nicht unschuldig daran bin, dass er wieder spielt, auch jetzt noch. Ich habe ihm von der Gruppe erzählt, dass es mir total gut tut und dass er doch auch mal mitkommen soll. Will er aber nicht. Wenn, dann geht er wieder zu seinem Therapeuten. Das Problem bei ihm ist, dass er von Haus aus ein sehr introvertierter Mensch ist. Redet so gut wie nie über sich, geschweige denn über seine Probleme. Er versucht das mit sich selbst auszumachen und ich weiß, dass er es so nicht schaffen wird. Ich denke, dass er momentan an einem Punkt ist wo er mit sich ringt. Das Spielen aufzugeben damit es ihm besser geht. Denn gut geht es ihm damit nicht, das weiß ich. Er hat mir oft genug erzählt, dass er schon mehrfach, nach durchzockter Nacht mit viel Verlust, kurz davor war den Wagen an den nächsten Baum zu setzen. Auch darüber haben wir dann gelacht, obwohl wir beide wussten, dass er es durchaus ernst gemeint hat. Es ist nicht schön für mich zu wissen, dass er etwas ändern will und nicht kann. Aber was soll ich tun? Ohne die Eigeninitiative und die Einsicht, dass er Hilfe von außen braucht bin ich machtlos. Ich kann also gut nachvollziehen, wie du dich damit fühlst, ist ein scheiß Gefühl  :(

Hast du echt toll geschrieben 👌👌.. mir geht es nicht viel anders als Dir.. finanzielle Sorgen sind schon schlimm.. ich werde jetzt auch versuchen aus dem Teufelskreis auszubrechen!! Hoffe ich finde hier ein wenig Unterstützung..

Hey Tommy!  :) Vielen Dank für deine Worte und herzlich willkommen hier bei uns! Mit deiner Situation bist du ganz bestimmt nicht allein, erst recht nicht hier  ;D Wenn du magst, dann schreibst du ein bisschen mehr von dir, was dich bedrückt, wie es in dir aussieht, was dich beschäftigt. Hier ist immer jemand mit einem offenen Ohr und ein paar Worten für dich da! Oder du liest einfach erstmal weiter mit, ganz wie du magst. Auf jeden Fall hast du dich schon mal angemeldet und dich dazu entschlossen hier zu schreiben, das ist doch schon ein Anfang!  ;)

Und zu guter Letzt:

für mich bist du momentan ein Vorbild an Zielstrebigkeit, Fleiß und Motivation.

Das ehrt mich total, dass du das so siehst! Aber ich finde für diese Lorbeeren ist es noch ein wenig zu früh  :D Lass uns da in nem halben Jahr nochmal drauf zurückkommen  ;D

Ich wünsche euch frohe und besinnliche Weihnachten, ob im Kreise eurer Liebsten, mit euren Freunden oder vielleicht auch allein. Jeder hat da so seine Vorzüge. Ich bin mit meiner Family bei meinem Vater, lecker Rehrücken (selbst gejagt, Vaddie regelt  8) ). Dieses Jahr freue ich mich irgendwie auf Weihnachten, das war nicht immer so und das hat auch seine Gründe... Aber davon vielleicht ein anderes Mal mehr  ;D

Lasst es euch gut gehen!

Grüße, Christian
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: amTiefpunkt am 19.01.2017 10:16:31
Moin Christian,

Zitat
Der Bezeichnung "Tagebuch" werde ich mit meiner losen Ansammlung von Beiträgen wohl eher nicht gerecht, nennen wir es eher Wochenbuch oder Statusbericht

Lange nichts gehört!? Alles im Lot bei dir?
aT
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Schowski81 am 19.01.2017 10:43:00
Moin Christian!

Würde mich auch brennend interessieren, wie es Dir (er)geht!
Lass was von Dir hören digga!  8)
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Miele1887 am 24.01.2017 10:11:40
Guten Morgen, die Herrschaften  ;)

Hab mich wirklich lang nicht hören lassen, das stimmt wohl. Resultiert aber aus viel Stress momentan, auf Arbeit ist die Hölle los und privat gab es ziemlich viele Termine, Veranstaltungen, Verpflichtungen, denen ich nachkommen musste. Mitgelesen habe ich aber jeden Tag, bin eigentlich immer online unter der Woche, ist für mich morgens mit dem Kaffee zusammen die erste Amtshandlung, das Forum aufmachen  :D

Aaaaaber: Es ist alles im Lot! Ich bin nach wie vor spielfrei, besuche meine Gruppe regelmäßig (heute Abend wieder, wie jeden Dienstag-Abend  :D ) und es geht mir gut! Die Schulden werden abbezahlt und Monat für Monat weniger. Ist ein gutes Gefühl das zu sehen. Einige kleine offene Posten sind sogar ab Februar schon erledigt, was einfach toll ist! Meine Freundin und ich haben für Juni Urlaub gebucht, den ersten seit über 4 Jahren. Ging vorher ja alles nicht, ich musste ja spielen und die Kohle sinnlos verbraten... Das ist für mich ein neues Gefühl, mal auf etwas hinsparen und nicht das Geld wieder mit vollen Händen verzocken.

Auch mit dem wöchentlichen Taschengeld komme ich ganz gut zurecht, kann gar nicht fassen, mit wie wenig Geld ich eigentlich auskomme. Das, was ich jetzt für mich im Monat habe ist in der Spielo in nicht mal 30 Minuten weg gewesen. Wahnsinn...!

Nach fast 3 Monaten muss ich auch sagen, dass die Gedanken sich fast gar nicht mehr ums Spielen drehen. Gibt Tage an denen mir Abends im Bett auffällt, dass ich gar nicht ans Spielen gedacht habe, ist dann ein komisches Gefühl wenn mir das so auffällt  ;D Aber ein gutes!

Natürlich weiß ich, dass auch wieder Momente kommen werden, wo ich in Versuchung komme, wo die Gedanken wieder verstärkt in Richtung Spielen abdriften. Ich hatte vor ein paar Wochen so eine Situation, da dachte ich mir "Mensch, es läuft so gut bei dir, kein Druck, kein Verlangen, richtig klasse. Du hast es unter Kontrolle! Jetzt warte noch ein paar Monate ab, dann kannst du mal wieder los, bekommt dann ja auch keiner mit und die 50 Euro fallen ja auch gar nicht auf..." Hab das dann in der Gruppe angesprochen weil ich mich echt vor mir selbst gegruselt habe in dem Moment, einfach dass der Gedanke entstanden ist. Scheint aber ganz normal zu sein, dass solche Gedanken kommen, jedenfalls kannten die meisten das. Wichtig ist halt nur, auch sowas wieder zu hinterfragen, sich wieder zu verdeutlichen, dass das der Einstieg ins Verderben ist. Ich werde NIE wieder kontrolliert spielen können. Und selbst wenn ich das erste Mal wirklich nur die 50 Euro verspiele, gehe ich zu 100% wieder los und es wird nicht dabei bleiben. Ich bin krank. Spielsüchtig. Und das werde ich mein Leben lang bleiben. Ganz wichtig, sich das immer und immer wieder vor Augen zu führen, deswegen gehe ich auch in die Gruppe, genau dafür!

Also, insgesamt geht es mir sehr gut, bin momentan zwar etwas lustlos und demotiviert, führe das aber auf das Wetter und das mangelnde Sonnenlicht zurück  :)

Nen schönen Tag für euch!

Gruß, Christian
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Jacky1 am 24.01.2017 13:32:08
Hallo Christian,

unser Zweitgeborener trägt den gleichen Namen,wir dachten eigentlich immer dass Dieser Name verpflichtet.  :)

Phantastisch,es gibt nichts hinzuzufügen oder wegzustreichen.
Eine Freude dies von Dir zu lesen.

Mein hundertster Beitrag,nicht der längste,nicht der einfallsreichste und nicht der hilfreichste.
Aber selten schrieb ich etwas so gerne wie jetzt.

Danke dass ich dies tun durfte.

Liebe Grüße

       
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: amTiefpunkt am 02.11.2017 15:05:15
Hallo Christian!

Heute vor gut einem Jahr:

Zitat
Egal, wie es ausgehen wird, ich lasse mir nun von Außen helfen.

Es hat sich wohl gelohnt!? Ein Jahr Spielfrei! Starke Leistung!  8)

aT
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Olli am 02.11.2017 21:16:26
Tja ... der Miele ...

Ich finde, er sollte sich in AEG umbenennen ...  ;D
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Fred am 02.11.2017 21:21:38
Tja ... der Miele ...

Ich finde, er sollte sich in AEG umbenennen ...  ;D

Er hat mir die meisten Danke-Punkte gegeben .. Tag für Tag .. unermüdlich :)
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Jacky1 am 02.11.2017 21:35:47
Gut gemacht...einfach nur gut gemacht Christian.
Ein Jahr ist echt klasse.
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: MiLu am 02.11.2017 21:47:13

Ich freue mich ebenfalls mit! Sei stolz auf Dich!


... und bleib schön hier  ;)

Liebe Grüße

MiLu
Titel: Re: Der Weg ist das Ziel - Stopp den Zock!
Beitrag von: Andre12 am 07.02.2024 19:19:23
Moin Miele1887,

schön das Du mal reinschaust bei uns.
Wir kennen uns ja nun nicht, ich frag trotzdem mal nach:

Magst mal ne Wasserstandsmeldung  geben?
Wie ist Dir das ergangen in den letzten 7 Jahren ?

Hat es nen Grund warum Du gerade jetzt wieder reinschaust ? Ich hoffe ich bin nicht zu aufdringlich ?

Lieben Gruß

André