Wenn ich einen Schalter hätte, alles abzuschalten - das wäre zu schön.
Distanz finden ist ein täglich neuer Anlauf. Wenn Gedanken mich nachts aufwecken, Gedanken die ich bestimmt nicht haben will, finde ich das saublöd. Ändern kann ich daran nichts. Ich versuche mich zu beruhigen, weder aufzupassen noch seine Probleme zu lösen. Es tut trotzdem sehr weh.
Also gut: Distanz. Und so beschäftige ich mich mit Dingen, die mich ablenken, mir wenigstens kurze Zeit gut tun. Bis dann die nächste Meldung, es geht ihm schlecht, mich erneut alarmiert. Und wieder versuche ich mich zu beruhigen. Ich möchte es einfach auch mal einfach haben verdammt.
Die Panik ist etwas kleiner geworden, ist einer Aufgeschrecktheit gewichen. Das ist ein Anfang. Ich kann nur mein Mitgefühl ausdrücken und fragen was zur Bewältigung gebraucht wird. Und wieder zu meinem Allerlei zurückkehren. Aber das erscheint mir so profan und vernünftig, mental wird das Vorgehen bestätigt, emotional siehts ganz anders aus. Ich weiß inzwischen, was mein falsches Verhalten ist und hüte mich davor, wieder in die Falle zu tappen. Es fühlt sich nicht richtig an, ist aber logisch, konsequent und soll mich ja schützen.
Positive Ereignisse zusammen sind rar gesät. Ich frage manchmal, ob wir bspw etwas unternehmen könnten; aus Kraftlosigkeit, Scham oder so bleibt es nur bei dieser Frage. Dabei wäre das doch richtig: sich trotzdem Auszeiten nehmen, entdecken, was das Leben Schönes zu bieten hat. Ich kann es nur anbieten. Und warten, ob das Angebot angenommen wird.
Dieser erste Schritt für Spieler und Angehörige/ Freunde, sich die absolute Hilflosigkeit einzugestehen, ist wohl das Schwerste überhaupt. Sich zu sagen, ich bin am Ende. Wenn erst dann die Verantwortung übernommen werden kann, und man sich bis dahin immer wieder bemüht, den Kopf über Wasser zu halten... wenn erst dann die reale Auseinandersetzung beginnen kann, frage ich mich, was hilft, den ersten Schritt tatsächlich zu tun? Moralisieren, schimpfen, drängen, vorwerfen, alles ungeeignet. Vertrauen in die eigene Kraft, in nahestehende Menschen, daß alles möglichst wertfrei angesehen werden kann, das klingt für mich richtig. Ich möchte das Gefühl haben, daß ich mit meinen Fehlern immer noch als Mensch gesehen werde und hilfreiche Hände da sind, die mit einem durch tiefste Täler gehen (könnten). Alleine scheint dieser Kraftakt so unmöglich, daß niemand den Mut haben kann, sich allein in die Auseinandersetzung zu trauen, mit allen Tränen, aller Wut, aller Scham und Verzweiflung. Ich habe diese Erfahrung, allein durch die grösste Sch... durchzugehen, öfter machen müssen, daher kenne ich die Kraft der Verdrängung. Diese langsam abzuschälen, Schicht um Schicht, wie bei einer Zwiebel, braucht Vertrauen in andere und sich selbst.
Dieses Tagebuch soll die Bewältigungsschritte zeigen, mal rückwärts, mal vorwärts. Und wird mir vielleicht helfen bei der zunehmenden Ablösung- das ist zumindest die Hoffnung. Wenn das von heute auf morgen ginge, bräuchte ich kein Tagebuch. Jetzt wäre Meditation angebracht, noch etwas Gutes für den Abstand...