31 Oktober 2016, 16:43:19Hallo liebe Gemeinde,
ich habe wirklich lange darüber nachgedacht, hier einen Thread zu erstellen, etwas anzufangen, was so viele vor mir auch schon getan haben. Seit längerer Zeit bin ich in diesem Forum stiller Mitleser, wie wohl so viele andere auch.
Und wie bei vielen anderen sicherlich auch, gab es bei ein Schlüsselereignis, einen Auslöser, der mir die Anmeldung und das Erstellen dieses Tagebuches einfach macht.
Aber zuerst ein bisschen was von mir, macht es ja irgendwie einfacher:
Ich bin Christian, 28 Jahre alt und komme aus der Nähe von Hamburg, noch weiter aus dem Norden sogar. Ich spiele so ungefähr seit 10 Jahren, weiß es aber gar nicht so genau wann ich nun angefangen habe, ist ja auch total unwichtig wann das Elend seinen Lauf genommen hat.
Angefangen hat es damals mit Kollegen in der Spielhalle. Eigentlich war ich immer total gegen diesen Mist, sich an einen Automaten setzen und sein Glück versuchen, was für ein Schwachsinn, ist doch logisch, dass man gegen eine Maschine nicht gewinnt... Was hätte ich mir alles sparen können, wenn ich damals schon auf meinen Kopf gehört hätte
Naja, jedenfalls wurde aus den ersten Gelegenheits-Aufenthalten dann schleichend mehr, wie bei so vielen läuft es ja anfangs sogar einigermaßen und man macht sich vor, man hätte alles im Griff. Die ersten finanziellen Probleme schlichen sich ein, die ersten Monate mit 3 Wochen ohne Geld für Essen, solche Geschichten. Jeder Cent, wurde sofort wieder in die Halle getragen, in der Hoffnung, Verluste zu kompensieren und Rechnungen mit Gewinnen zu bezahlen. Das war so vor 4-5 Jahren und so ging es dann weiter, mehr und mehr Schulden, Kredite, nicht bezahlte Raten, Schufa, Gerichtsvollzieher, etc. Das volle Programm. Zwischenzeitlich hatte ich Sportwetten für mich entdeckt und war auch dort vom Gelegenheits-Zocker zum Extrem-Spieler geworden.
Natürlich kommt man irgendwann an den Punkt, wo man auf den Scherbenhaufen seines Lebens schaut und sich eingesteht, dass man ein Problem hat. Ich verharmlose das alles schon lang nicht mehr, ich weiß, dass ich ein Problem habe, dass ich ohne Hilfe von Außen niemals in den Griff bekommen werde.
Was für mich aber am schlimmsten ist, und das ist auch einer der Hauptgründe, weshalb ich mich hier angemeldet habe:
Ich belüge meine Umfeld.
Ich belüge jeden Menschen, der mir wichtig ist und den ich liebe. Bis auf ein paar Kollegen (wohlgemerkt auch fast alles nasse Spieler) weiß NIEMAND, dass ich so ein extremes Problem habe. Seit 4 Jahren führe ich eine Beziehung. Meine Freundin weiß, dass ich Schulden habe und weiß, dass ich nicht mit Geld umgehen kann. Natürlich fragt sie mich, wieso ich am 10. des Monats schon wieder pleite bin. Wieso ständig Mahnungen ins Haus flattern (wir wohnen zusammen). Sie ist voll leidtragend und das Lügengerüst, das ich mir in den letzten Jahren aufgebaut habe, ist so immens groß, dass ich unter der enormen Last langsam aber sicher zusammenzubrechen drohe.
Ich will das einfach nicht mehr. Sie hat das nicht verdient. Belogen und betrogen zu werden. Sie ist der liebste Mensch auf Erden und ich nutze das schamlos aus um meiner Sucht nachzugehen. Ich bin ein abgebrühtes, berechnendes, eiskaltes Schwein, wenn es um meine Sucht geht. Ich ekele mich vor mir selbst.
Meine Eltern und meine Schwester wissen auch nichts von meinem Leiden. Sicherlich fragen sie sich auch, wo mein Geld bleibt (bin seit Jahren in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis und verdiene ca 1.600 Euro im Monat) aber wirklich drauf angesprochen haben Sie mich nie.
Lange Rede, kurzer Sinn:
Gestern Abend und heute über den Vormittag (ich habe Montags Homeoffice), habe ich in einem SPAM knapp 1000 Euro verspielt. Geld, das ich eigentlich für ganz andere Dinge brauche, völlig klar. Man ist wie im Wahn, im Rausch, und wohl wissentlich, dass man das Geld benötigt, um Raten, Schulden, Miete, etc. zu zahlen, wird immer und immer wieder neu eingezahlt. Ich habe Angst vor mir selbst wenn ich im Nachhinein darüber nachdenke. Wie man so die Kontrolle über sich verlieren kann.
Und dann, wenn alles weg ist, wenn die Nüchternheit wieder einsetzt, man sich fragt, was einen da geritten hat. Dann kommen die Schuldgefühle, die Angst, jetzt reinen Tisch machen zu müssen. Aufzufliegen. Sich zu outen. Und vor allen als Versager da zu stehen, der sein Leben nicht in den Griff bekommt. Das ist nämlich mein Problem, das, was mich innerlich beschäftigt. Anerkennung.
...
Ich hatte seit der letzten Einzahlung, die gegen 12 Uhr erfolgte, bis jetzt Zeit darüber nachzudenken, wie ich es diesmal wieder hinbekomme, dass ich nicht auffliege, wie ich mein Netz aus Lug und Betrug weiterspinne. Und ich habe keine Lust mehr darauf. Keine Kraft mehr dazu und will das nicht mehr. Also gehe ich den vermeindlich einfachsten Weg:
Ich werde die Hosen runterlassen.
Heute Abend werde ich reinen Tisch machen und meiner Freundin alles erzählen. Mit den Konsequenzen muss ich dann leben aber ich kann das nicht mehr mit mir selbst ausmachen, ich geh sonst kaputt daran. Mittlerweile macht mich der psychische Druck auch körperlich fertig. Ich habe über 20.000 Euro Schulden, bin wegen Beschaffungskriminalität vorbestraft und fahre mein Leben gerade volles Rohr an die Wand.
Egal, wie es ausgehen wird, ich lasse mir nun von Außen helfen. Meine Konten bei diversen Casinos und Wettanbietern habe ich eben alle sperren lassen, bei den Spielhallen hier im Ort werde ich morgen Steckbriefe verteilen, mich auch sperren lassen. Die Nummer von der SHG habe ich bereits zwei Mal gewählt, allerdings meldet sich noch niemand. Egal, jeden Dienstag ab 20:00 Uhr, die Adresse habe ich und es sind nur 10 Minuten zu Fuß von unserer Wohnung. Dort werde ich morgen hingehen und mir einen ersten Eindruck verschaffen, mir Infos geben lassen an wen ich mich wenden kann, etc.
Ich melde mich hier, wie es weitergeht.
Und es tut unheimlich gut, sich das mal von der Seele zu schreiben!
Bis dahin,
Gruß,
Miele1887