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Spielsucht, Rückfall, Lügen... wie damit umgehen?

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gatsi:
Hallo zusammen,

ich bin neu im Forum und hoffe auf Ratschläge von Betroffenen und Angehörigen, da ich nicht mehr weiter weiß. Vorweg, da das hier vielleicht wichtig ist: wir leben seit 5 Jahren zusammen, sind aber nicht verheiratet und haben getrennte Konten.

Anfang des Jahres habe ich herausfinden müssen, dass mein Partner spielsüchtig ist. Ich habe seit dem viel dazu gelesen und es scheint mir genauso ergangen zu sein, wie so vielen Angehörigen: ich hatte keine Ahnung. Ich habe gemerkt, dass etwas nicht stimmt, da es zwischen uns aber schon länger schwierig war, hatte ich eher eine "innere Umorientierung" seinerseits vermutet. Dementsprechend riss es mir den Boden unter den Füßen weg, als ich Auszüge mit 15.000€ Schulden fand. Sie dürften im Zeitraum von weniger als einem Jahr entstanden sein, so genau weiß ich das aber nicht. Auf Bitte um Erklärung hin tischte er zunächst ein paar Ausreden auf. Als er gemerkt hat, dass ich ihm nichts davon abkaufe, gab er dann zu, dass er öfters online Casino spielte und das ganze "etwas ausgeartet" sei.
Da es mir damit sehr sehr schlecht ging und ich maßlos überfordert war, habe ich mir recht schnell einen Termin bei den Caritas gemacht, die mir eindringlich geraten haben, ihn ebenfalls von einem Termin zu überzeugen. Er blockte das alles ab, wollte davon nichts hören, hatte angeblich damit abgeschlossen und es würde ihn nerven, dass ich ständig wieder damit anfange. Nach einem heftigen Streit machte er dann doch einen Termin. Im Nachhinein betrachtet war das wohl wenig sinnvoll, ihn dazu zu überreden, denn gebracht hat es wohl nichts...
Nach dem Beratungstermin bezeichnete er sich selbst als spielsüchtig, hatte wohl aber eine gute Prognose bekommen. Eine Ursache würde es nicht geben, das sei aus Corona-Langeweile heraus entstanden und wurde schlimmer, als ihn Streit mit mir und einer Freundin sehr belastete. Er sei halt einfach da rein gerutscht. (Hat das ganze nicht immer eine Ursache? Ich kann mir kaum vorstellen, dass ihm das so gesagt wurde). Er hat mir hoch und heilig geschworen nicht mehr zu spielen. Ich habe ihn gebeten, mir das nicht zu versprechen, weil man das nicht halten kann, aber mir zu versprechen, dass er mit mir spricht, wenn es nochmal passiert. Da stimmte er zu, das war also unsere Abmachung. Mit seinem Berater hatte er außerdem abgesprochen, dass er im Falle eines Rückfalls seine Kontoführung an mich abgibt.

Soweit ich weiß, hat mein Freund seit dem erst einmal tatsächlich nicht gespielt. Letzte Woche war er allerdings beruflich zwei Tage weg und meldete sich, anders als sonst üblich, abends wenig. Ich weiß nicht genau warum, aber ich merkte, dass irgendwas war und habe vermutet, dass er gespielt hat. Vermutlich auch, weil er mit einem Kollegen unterwegs war mit dem zusammen er damit überhaupt angefangen hat, der noch immer sehr oft spielt und meinen Freund regelmäßig fragt, ob er nicht auch mitmachen möchte.
Also habe ich ihn am nächsten Tag um Kontoeinsicht gebeten, was er nicht nachvollziehen konnte und wütend wurde. Ich müsste ihm ja wohl vertrauen. Letztendlich gab er mir aber Einsicht und ich konnte sehen, dass er Abends / nachts im Laufe von ein paar Stunden paysafe Karten für mehrere 100€ kaufte und ein Freund ihm am nächsten Morgen Geld überwies. Er begründete das mit einer wirren Geschichte, dass besagter Freund die Karten für Käufe im Ausland brauchte aber kein verifiziertes Konto hatte. Er hat sich allerdings schon mehrfach von diesem Freund Geld geliehen, wenn alles verspielt war, so wird es wohl auch dieses mal gewesen sein, daher die Überweisung. Den Freund zu fragen würde nichts bringen, er würde für meinen Freund lügen und ist vermutlich schon eingeweiht, auch wenn meinem Freund das natürlich letztendlich eher schadet als nützt. Im Endeffekt weiß ich, dass mein Freund mich anlügt, kann es aber ja nicht beweisen und möchte auch nicht Detektiv spielen und ihm nachspionieren. Im Endeffekt stehe ich durch das ganze als völliger Idiot da, da meine "unerwartete Kontrolle" zu nichts geführt hat.

Wie gehe ich mit dem Wissen um, dass er gespielt hat und mich weiter belügt? Was bedeutet so ein "Rückfall" bzw. ist es überhaupt einer? Teilweise denke ich, er sagt es mir aus Scham nicht, weil es eben nur einmal wieder passiert ist und er nicht wie vorher seit dem wieder fast täglich spielt. Andererseits sagt mir das Ganze doch auch, dass er vermutlich nicht aufhören oder mich irgendwie als Hilfe mit einbeziehen möchte, sonst würde er sich doch selber mehr Hürden und Kontrollen einbauen. Generell würde ich an seiner Stelle meinem Partner jederzeit Einsicht ermöglichen, um mir selber eine Hürde einzubauen und außerdem von mir aus das Vertrauen wieder aufzubauen. Leider erwartet mein Freund einfach, dass ich ihm trotz allem einfach so wieder vertraue.

Wir hatten eigentlich nächstes Jahr die Familienplanung angedacht.. da stehe ich jetzt mit meinem Kinderwunsch und bin einfach nur traurig.. in meinem Kopf dreht sich alles, ein Wechselbad der Gefühle von Mitleid, Verständnis, Wut, Trauer. Ich weiß das alles nicht einzuordnen. Er hat seit dem kein Wort mehr darüber verloren und tut so, als sei alles in Ordnung, diese Lüge steht aber zwischen uns. Ich war und bin wirklich bereit ihn bei allem zu unterstützen, aber da ist die Ehrlichkeit nun mal der erste Schritt. Wie kann ich nun weitermachen? Den Vorfall ignorieren? Nochmal ansprechen, was vermutlich nichts bringt? Wie sollte ich generell nun weitermachen? Das wird ja vermutlich nicht das letzte mal gewesen sein...


Bitte entschuldigt diesen ewig langen und wirren Text.. es musste aber einfach mal irgendwo raus :(

Liebe Grüße an alle

Taro:
Moinmoin Gatsi und Herzlich Willkommen!

Spielsucht ist eine Krankheit, da "rutscht niemand so rein" nicht aus Langeweile und auch nicht wegen Streitigkeiten. Es gibt Menschen die aus Langeweile zu viel spielen. Dann ärgern Sie sich über den Verlust und hören auf, für immer.

Bei einer Beratungsstelle bekommt niemand eine "Prognose". Ich kann Dir eine Statistik geben, lasse es aber besser weil Sie aussagt, daß er fast keine Chance hat. Wenn er die kleine Chance die er hat nutzen will, muss er seine ganze Energie einsetzen um die Spielfreiheit zu erreichen.
Der Berater hat sicher auch nicht mit Ihm abgesprochen, daß er im Falle eines Rückfall die Kontoführung an Dich abgibt. Das ist nämlich keine Maßnahme gegen die Spielsucht.
Wenn er bei einem Beratungsgespräch war, würde über Therapiemöglichkeiten, Selbsthilfegruppe eventuell über das weitere Vorgehen mit den Banken gesprochen.
Wunder-, oder Schnellheilung gibt es bei einer Sucht nicht, das ist ein langer Weg.

Du kannst Deinem Gefühl ruhig trauen, wenn da etwas nicht stimmt. Wenn er irgendwelche komischen Geschäfte machen möchte kann er gerne vorher mit Dir darüber sprechen, wenn er damit rausrückt wenn er aufgeflogen ist, ist es immer eine Lüge.
Wenn er wirklich alles dafür tut um spielfrei zu werden wirst Du dazu anfänglich auch nur ein Gefühl haben. Eindeutige Beweise braucht es nicht, er ist ja nicht vor Gericht. Wenn er die Partnerschaft möchte gehört es dazu, Dir keine schlechten Gefühle zu machen.

Normalerweise bieten Beratungsstellen auch gemeinsam Gespräche an, so wie Du es schreibst, vermute ich er war garnicht dort.

Ich wünsche Dir viel Kraft!
Taro

Jacky1:
Hallo gatsi und auch hier ein herzliches Willkommen,

für pathologische  Spieler und deren Angehörige war Dein Text wirklich nicht verwirrend.
Warum jemand spielsüchtig wurde sollte nicht zu einer "Prognose" führen.
Und eine psychische Erkrankung als Folge der Pandemie ...und wenn schon...ist wie zufällig in ein Spielcasino zu gehen.

Prognosen entstehen aus der Gegenwart!
Ich stelle dazu meine eigene,  :) doch zuerst ein Hinweis in "eigener" Sache.

http://www.spielsucht-soforthilfe.de/index.php/topic,271.msg3182.html#msg3182

Wenn er spielsüchtig ist und weiterhin spielt....geht es den Bach runter.
Wenn er spielsüchtig ist und weiterhin spielt, Dir aber erzählt und schwört er macht es nicht....geht es erst recht den Bach runter.
Falls er aber wirklich etwas dagegen unternimmt und zwar, aus seiner Überzeugung...könnte es etwas werden.
Und wenn sogar noch alles offen und ehrlich gestaltet wird.....Willkommen im gelobten Land.

Nun ist es nicht so einfach für Dich, es bleibt ja kaum etwas anderes übrig als zu beobachten.
Ob er weiterhin lügt und mit gekreuzten Fingern schwört und Du entdeckst einmal wieder die Wahrheit.
Oder ob er es angeht und zwar nicht nur mit Worten, reden reden reden...das ist nix liebe gatsi.
Du wirst erkennen wie sehr er sich bemüht doch er sollte unbedingt wissen, dass Du auch sehr sehr wichtig bist.
Und auch auf Dich selbst und die Familie schauen musst, ohne Konsequenzen würde doch jeder machen was er wollte.
Mit einem aktiven Spieler keine gesegnete Zukunft, nur zunehmende Schulden und abnehmende Emotionen.

So dann, Kopf hoch und aufpassen, keine Gnade für Lügner und ewige Treue für aufrichtige Herzensmenschen.

Grüß Dich
 


 

 

Andre12:
Moin gatsi,

auch von mir ein herzliches Hallo!

Ich schließe mich alledem an was Taro und Jacky gesagt haben. Ich selbst habe 30 Jahre gespielt und könnte schreien wenn ich Deinen Beitrag lese, so hälst Du mir doch einen Spiegel vors Gesicht. Die Aussage "gute Prognose" ist geradezu unglaublich, bei mir wäre es "Bin auf einem guten Weg" gewesen. So ähnlich hat es meine Beraterin aber tatsächlich ausgedrückt, keine Ahnung was sie damit bezwecken wollte.. Ich gebe  aber auch immer zu bedenken, das viele Berater eben nie selbst süchtig wären und eben das oft nur Schema F greift die eigne Arbeit muss von einem selbst kommen.           "Dubiose Geschäfte".... ach lassen wir das. Stell Dir vor eine gute Freundin erzählt Dir das von sich und Ihrem Freund und nennt im gleichen Atemzug Familienplanung.......
Verstehe mich bitte nicht falsch, auch ich kann Dir nicht sagen ob er davon los kommt oder nicht, geschweige das Du Dich trennen sollst. Ich kann auch leider nur sagen, Du wirst es merken wenn er sich damit beschäftigt, wenn er es ernsthaft in "Angriff" nimmt.
Und schreien beim Lesen habe ich auch gekonnt weil ich heute sehe was hinter meinen Aussagen: " alles im Griff, Bin aufm guten Weg laut Berater " so steckte: Ich wollte meine Partnerin damit beruhigen, mich selbst und das ich eben zu diesem Zeitpunkt noch gar nix begriffen habe, ich im Modus: ich mache ja was , ich gucke ja schon mal, alles wird gut, ist nicht so schlimm, verfallen war. Aber es war der Anfang meines Weges, nach 3 Jahren Arbeit an meinen Baustellen konnte ich loslassen vom Spiel. Bin jetzt 14 Monate abstinent, also es geht.... bin aber immer noch am tun, damit die  Sucht nicht wieder ausgelebt wird.
Alles Gute für Euch beide

André

Jacky1:
Hallo,

noch anzumerken:

Alle drei "Ex Hardcorezocker" die bis jetzt geantwortet haben sind nicht nur spielfrei und abstinent, sondern leben Ihr jeweiliges Leben in einem respektvollen Umgang.
Davon gibt es schon eine Menge und selten ist hier im Forum ein aktiver Spieler länger als einen Tag auch anwesend.
Natürlich kann man mit dieser Sucht brechen, je nach inneren Werten und event. angeborenen Charakter ( Charaktereigenschaften).
Aufgebrachter Mühe und Motivation, ein extrem erlebter Leidensweg ist sicherlich auch ein Beschleuniger dabei.

Es gibt aber Differenzen zwischen Spielsucht und problematischem Spielverhalten.
Wobei jeder "Gesunde"  :) der sein Geld einsetzt um es durch einen" kosmischen Zufall" vermehren möchte, handelt naiv und ist ein Träumer.
Es muss dabei jedem klar sein, wenn einer tausende gewinnt...wie viel dann andere erst verlieren müssen.

Angehörige finden sich ja selbst eines Tage in einem "kränklichen Verhalten" wieder.
Sie müssen neu vertrauen und können es eigentlich nicht mehr.
Vertrauen entsteht über die Zeit neu, es muss nur genährt werden.

Was bleibt uns auch anderes übrig, als Spielsüchtigen die Augen zu öffnen und Angehörigen unsere Erfahrungen mitzuteilen und beide zu begleiten. 
Dies ist ein wichtiger Teil unserer hier ausgeübten gelebten Spielfreiheit.   

Liebe Grüße
 

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