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Autor Thema: Hallo, bin der Paul

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Hallo, bin der Paul
OP: 22.08.2022 18:06:52
Hallo,

ich bin der Paul. 52 Jahre alt, verheiratet, 4 Kinder. Soloselbstständiger Handwerker. In der Sucht ca. 30 Jahre.

Ich fühle mich schlecht, habe keinen Antrieb oder Motivation für nichts. Ich hoffe, dass wenn ein paar Tage vorbeigehen, dass ich dann wieder einigermaßen normal funktionieren werde. Mein Kopf ist leer. Ich kann nicht mal richtig denken.

Gestern am Sonntag hatte ich einen ziemlich schlimmen Absturz mit Alkohol und spielen. Ich weiß nicht mal, wie ich nach Hause gekommen bin, weil ich einen fast kompletten Filmriss habe. Ich will so etwas nicht noch mal erleben. Ich muss diese verdammte Abstinenz hinbekommen, ohne weitere Rückfälle. Verzockt habe ich 1000 Euro. Den Tausender kann ich verkraften, wenn es nicht wieder ausartet und ich wieder voll drinnen bin, mit dann fast täglichem Zocken. Was mich fertig macht, ist, dass ich es schon wieder nicht geschafft habe, abstinent zu bleiben. 3 Monate spielfrei gewesen, und dann das schon wieder.

Gestern Abend nach dem Absturz, wo ich wieder zu Hause war, hatte ich extreme Wutanfälle. Ich saß da und wurde extrem wütend, sodass ich mehrmals über Stunden Wutschreie ausstieß. Ich war alleine zu Hause und habe die Tür demoliert, Sachen durch die Luft geworfen, auf den Tisch geknallt u.a. Ich wäre am liebsten tot gewesen, so waren meine Gedanken, ich wollte sterben. Das Problem war nur wie. Da ich keine Waffe besitze, habe ich mir ein Messer genommen und wollte mir die Kehle aufschneiden oder einfach in den Hals rammen. Das hat nicht funktioniert, ich konnte mich nicht überwinden, es zu tun. Etwas später habe ich angefangen zu googlen nach Eigentötungsmethoden. Ich war noch betrunken, und kam nicht zurecht mit den ganzen Suchergebnissen. Jedes Mal aber war ganz oben immer diese Telefonnummer. Die Nummer der Seelsorge. Am Schluss habe ich dort angerufen. Ich weiß nicht, was ich alles dort geredet habe, habe auch da einen Filmriss. Jedenfalls war ich bis 4 Uhr morgens wach, mehrmals aufgestanden aus dem Bett.

Es geht mir nicht um das Geld von gestern, sondern ich ertrage mich selber nicht mehr, weil ich es nicht schaffe. Irgendwas passiert immer, wo ich die Kontrolle verliere. Es muss doch möglich sein, dass ich mit dieser Sucht fertig werde.

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M
Re: Hallo, bin der Paul
#1: 22.08.2022 20:23:44
Hallo Paul.

Erstmal herzlich willkommen. 

Deine Worte sind sehr schwer zu verdauen. Ich glaube du brauchst professionelle Hilfe.
Wir sind hier nur kleine abgebrannt Zocker die auch versuchen stabil zu bleiben und es zu werden.
Du musst erstmal die suizidalen Gedanken bearbeiten. Ich empfehle dir mit der Suchtberatung zu sprechen und dir einen Termin bei deiner Krankenkasse zuholen. 
Sprich auch mit deinem Hausarzt darüber.

Lies dir gern hier diverse Schicksale von anderen betroffenen durch um dich vielleicht erstmal selbst darin wieder zu erkennen . Das hat mir sehr geholfen einen Anfang und einen Weg zu finden. Seit dem setz ich mich jeden Tag mit mir und meiner Sucht auseinander und ich muss sagen , jeder Tag stärkt mehr meinen Willen aufzuhören und spielfrei zu bleiben.

Viel Erfolg

Niko
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Re: Hallo, bin der Paul
#2: 22.08.2022 21:33:08
Hallo Paul und herzlich Willkommen im Forum,

es hat sein Gutes dass Du die Seelsorge angerufen hast und auch hier nun schreibst.
Du bist bereit Hilfe anzunehmen, jene ist auch überall zu finden.

Ich kenne das Gefühl nicht mehr Leben zu wollen recht gut, es ist mit meiner bipolaren Erkrankung eng verbunden.
Es ist für uns beide kein permanentes Gefühl, ,meist hat es Ursachen und dann eben jene Emotionen als folgende Wirkung. 
Diese sind steuerbar event, mit Medis wie oft bei mir oder mit gelernter Regulierung der negativen Emotionen.
Und ich kann dies schreiben auch ohne therapeutischem  Diplom und abgebrannt war ich schon lange nicht mehr.
Ich habe es nur selbst durchlebt!

Lieber Paul, Du bist noch so nah dran...so unglaublich nahe.
Versuche Dich zu motivieren, ohne Dich geht es nicht, egal an wen Du Dich wendest.
Ein guter Freund nahm sich einst sein Leben damit hat er nicht nur sich beraubt.
Er hinterließ unglaubliche Schmerzen, er gab seine einfach an andere weiter.   
Ich/wir werden ihn nie vergessen und denken an ihn.

Es ist mir egal wie schwer jemand süchtig ist, was er alles so durchmachte.
Ich werde nicht differenzieren zwischen einem wertvollen Menschen zu einem anderen wertvollen Menschen.
Nun wissen wir von Dir und dadurch bist Du ein wichtiger Teil hier geworden.
Durchatmen und ja nicht mehr stehen bleiben,  durch meine Besuche in diversen Therapien traf ich so viele.....
wie sie mich ja auch... darum immer an Deiner Seite.

Natürlich kannst Du mit dieser Sucht fertig werden, wie wäre es eine Suchtberatung aufzusuchen?
Auch eine Therapie mit anderen wie "uns" würde Dir wohl maßgeblich helfen.
Brauchst Du Adressen von Anlaufstellen, kein Problem und gerne, einfach Bescheid sagen.

Dass ist alles kein Spaß, ich weiß dies sehr gut.
Doch lohnt es sich allemal wieder Spaß zu empfinden, dort geht es nun hin mein Handwerkerfreund,
Habe selbst eine Handwerksunternehmen   

Doch kann ich und keiner Dir seine Hand auflegen und Dich vor dieser Finsternis befreien.
Aber wir sind füreinander da.
An Deiner Seite.

Liebe Grüße         
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Re: Hallo, bin der Paul
#3: 23.08.2022 06:17:01
Moin Paul,

schön das Du noch da bist, schön das Du hier bist. Ich mochte gestern nicht mehr antworten, doch bin ich heute früher aufgestanden.

Beim Lesen Deines Beitrages wurde ich stark an die Patienten mit Polysüchtigen, während meiner stationären Therapie, erinnert. Das war für mich ganz schlimm, wenn Sie erzählten, mit Koks vollgedröhnt, voll mit Alkohol und dabei in der Kneipe 2 Automaten gespielt. Die Patienten waren im eignen Flügel, aber ein mal in der Woche hatten wir zusammen eine Art SHG ohne Therapeuten. In der 3 Woche war ein Thema, dass sie sich da alle um  eine Frau stritten. Sie hatte gesagt, der hatte gesagt usw. Unfassbar. Spiegelt es aber doch nun wieder, dass es einfacher ist sich mit allem anderen zu  beschäftigen, aber nicht worum es geht. Um sich selbst.Der Sucht ist jedes Mittel recht: Die Partnerin nervt-Zocken, die Partnerin ist gegangen-zocken, der Kunde hat ordentlich Trinkgeld gegeben-zocken, der Kunde hat zu wenig bezahlt-zocken... Diese Liste kann ich beliebig fortführen
Was mir extrem auffällt ist wie sehr Du betonst dass Du alles unter einem Filmriss machtest, diesen Alkoholkonsum aber nicht als bedenklich ansiehst, Du nimmst das irgendwie als Entschuldigung für Dich selbst, die Verantwortung schiebst Du  innerlich Richtung Alkohol , die 1000 Euro kannst Du verschmerzen, wenn es bei den 1000 Euro bleibt, fängst also an es runterzuspielen, es darf nur nicht so weiter gehen. Du steckst so in einem Gedankenkreislauf fest. Du hoffst das es in ein paar Tagen wieder vorbei ist, wird es wahrscheinlich auch, aber wie Du es ja selbst so treffend beschreibst bis zum nächsten Mal.

Du hast aber diesmal was anders gemacht, Du hast uns schon mal berichtet. Nehme es als Schuss vor den Bug, denn trotz allem, trotz Alkohol warst Du es der mit diesen Gedanken, letzen Endes bei der Seelsorge angerufen hast. Gehe zur Suchtberatung. Trinke keinen Alkohol, der enthemmt und lässt alle Emotionen raus, die Du anscheinend auch während des Trinkens, also bereits betäubt, zur Zeit nicht aushalten kannst und noch ins Spiel flüchten musst.

Als ich selbst ca. 8-9 Monate spielfrei war, war ich in der Stadt unterwegs, in der meine Stammspielhallen sind. Völlig berudert stand ich davor,  um ein Haar hätte ich auch gespielt. Ich konnte es abwenden, wer weiß wo ich gelandet wäre, wenn ich da rein gegangen wäre. Danach habe ich die Mischungen (Whiskey) weggelassen und Bier in Rahmen getrunken.

Lieber Paul schaue auf Dich, ändere Deine Automatismen. Mache was anders. Pack Deine Kinder ein und lade sie spontan zu was ein, wenn Du "zuviel" Geld hast
Selbst wenn Du dann 2,3,4 Monate spielfrei bist, höre nie auf an Dir zu arbeiten. Bleib immer dran, bei mir war es selbst ja auch nen Drahtseilakt davon loszukommen. Heute, ohne Probleme, das erste Jahr musste ich höllisch achtsam bleiben, bis ich meine  neue Automatismen verinnerlicht habe. Ich bin es heute noch, aber es ist viel einfacher.

Mache Dich nicht selbst klein, bestrafe Dich nicht immer wieder selbst, Du bist ein wertvoller Mensch.

Lieben Gruß

André
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Wer etwas will, der findet Wege. Wer etwas nicht will, der findet Gründe….
 
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