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Familienplanung trotz Spielsucht...

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Kerstin:
Hallo zusammen,
bin neu hier- ganz frisch angemeldet und suche Austausch mit anderen betroffenen Angehörigen. In Beratung für Angehörige bei einer Suchtstelle bin ich bereits.

Zusammengefasst mal meine Situation: bin 30 Jahre alt, mein Mann ist 36. Sind seit 2017 ein Paar. Im Mai 2020 haben wir geheiratet, sechs Monate nach unserer Hochzeit habe ich herausgefunden, dass mein Mann spielsüchtig ist (Online-Spielsucht-Slot-Machines). Ich hatte keine Ahnung- einmal nur einen komischen Verdacht, weil er sich trotz seines guten Gehaltes Geld von mir leihen wollte- einen recht hohen Betrag. Ich Idiotin, habe es ihm nach einigem Zögern gegeben. Nachdem ich Anfang Dezember entdeckt hatte, dass er unser Gemeinschaftskonto geleert hatte, kam alles raus.

Für mich ist nach wie vor alles noch ein Alptraum. Emotional gehe ich immer wieder ein auf und ab. Das schlimmste, das mit Abstand aller schlimmste ist für mich das zerbrochene Vertrauen. Ich weiß nicht, wie eine Ehe ohne Vertrauen funktionieren soll.

Derzeitiger Stand ist, dass mein Mann aktuell spielfrei ist (sofern ich dem trauen kann-wer weiß?). Anfangs wollte er nicht ganz aufhören- es kam zu einem Eklat. Ich packte meine Koffer und ging zu meinen Eltern. Daraufhin lenkte er ein, sofort das Spielen ganz einzustellen. Um es mir zu beweisen, lässt er mir einmal im Monat Einsicht auf sein Konto und die jeweiligen Umsätze. Doch er ist sehr klug- er könnte neben seinem Hauptkonto irgendwelche Dinge drehen, und ich wüsste einfach von nichts. Auch will er keine direkte Hilfe annehmen…Anonymität ist ihm sehr wichtig. Von dem anonymen Angebot „Check-dein-Spiel“ nimmt er wieder Abstand, er könne nichts mit den täglich nötigen Tagebucheinträgen anfangen. Ich fühle mich so hoffnungslos- noch einmal mehr, seitdem ich weiß, wie hoch sein Schuldenberg ist: ca. 80.000 Euro. Auf Anraten meines Beraters hatte ich neben seinen Geschwistern auch meine Eltern über die Spielsucht meines Mannes in Kenntnis gesetzt- dies bereue ich etwas, denn meine Mutter kämpft seither unerbittlich darum, dass ich mich von meinem Mann trenne. Sie ist der festen Überzeugung, ich würde meine Zeit verschwenden, da sie nicht davon ausgeht, dass er es schafft.  Sie hat schlichtweg Angst um mich. Und sie ist sehr wütend auf ihn.

Ich habe mir in den Kopf gesetzt, dass dieses Jahr das Jahr der absoluten Bewährung ist. Es muss sich in diesem Jahr klar abzeichnen, dass mein Mann aktiv etwas gegen seine Spielsucht unternimmt (was ich noch nicht im Hinblick auf Hilfe-Annahme sehe) und dass er spielfrei bleibt (was soweit zu sein scheint).  Ich liebe ihn von ganzem Herzen, bin aber auch gewillt zu gehen, wenn er dem Spiel „verbunden“ bleibt.
Wir hatten so viel Pläne für dieses Jahr: wollten mit der Familienplanung beginnen. Das liegt natürlich nun völlig auf Eis. Aber andernfalls, wenn er nun spielfrei bleibt dieses Jahr und ich mich damit nicht trenne, weiß ich nicht, ob es verantwortlich wäre, in den nächsten Jahren ein Kind in die Welt zu setzen. Das tut mir so weh- ich hatte mich so darauf gefreut, eine Familie mit ihm zu gründen, und nun? Nun habe ich den Eindruck, dass ich, sofern ich mit ihm zusammenbleibe, evtl. nie eine Familie mit ihm gründen kann…denn ich werde immer unsicher bleiben, ob er doch spielt....und habe Angst ein Kind oder Kinder mit ins Unglück zu reißen…

Könnt Ihr meinen Zwiespalt verstehen? War jemand vielleicht in einer ähnlichen Situation?

Bisher habe ich fünf persönliche Geschichten von Spielsucht aus meinem Bekanntenkreis gehört, nur eine davon ging gut aus (im Grunde kennt fast jeder mindestens einen Menschen, der von Spielsucht betroffen ist). Während vier Ehen in die Brüche gegangen sind, ging eine Geschichte gut aus. Trotz hoher Schuldbeträge, blieb der Mann nach Therapie spielfrei und es kam zur Gründung einer Familie. Das macht mir Hoffnung. Auch wenn es nur ein Funke ist….ein so kleiner Funke…ich hoffe, er verglüht nicht…
Ich wünsche uns Angehörigen von Betroffenen allen Mut und Kraft durch diese schwierigen Situationen und Zeiten durchzugehen.

Bleibt gesund, Ihr alle.
Grüße
Kerstin

Jacky1:
Hallo Kerstin und auch an dieser Stelle ein herzliches Willkommen,

in diesem Forum sind wir ja nicht neutral, wenn es um Spielsucht geht.
Aufgrund unserer Erfahrungen, ob nun selbst durchlebt oder angetragen durch Nahestehende.
So bin ich auch erleichtert keine spielsüchtige Partnerin zu haben, der wäre dann ja ich  :).
Allerdings gäbe es ja auch viele andere negative Faktoren und Eigenschaften, die eine Gefahr für eine ehrliche liebevolle Beziehung wären.
....unwichtiger Prolog.  :)

Viel wichtiger bist Du, denn Du bist ja nun auch hier und nicht Dein Mann, obwohl ja gerade er sich mit seinen Verhaltensweisen beschäftigen sollte.
80 000 Schulden wäre schon ein Anstreben dafür und die Liebe zu seiner Ehefrau allemal.
Viel zu wertvoll als dass er seine Sucht nur halbherzig anginge.   
   



--- Zitat von: Kerstin am 30.01.2021 12:48:22 ---...Ich liebe ihn von ganzem Herzen, bin aber auch gewillt zu gehen, wenn er dem Spiel „verbunden“ bleibt.
Wir hatten so viel Pläne für dieses Jahr: wollten mit der Familienplanung beginnen. Das liegt natürlich nun völlig auf Eis. Aber andernfalls, wenn er nun spielfrei bleibt dieses Jahr und ich mich damit nicht trenne, weiß ich nicht, ob es verantwortlich wäre, in den nächsten Jahren ein Kind in die Welt zu setzen. Das tut mir so weh- ich hatte mich so darauf gefreut, eine Familie mit ihm zu gründen, und nun? Nun habe ich den Eindruck, dass ich, sofern ich mit ihm zusammenbleibe, evtl. nie eine Familie mit ihm gründen kann…denn ich werde immer unsicher bleiben, ob er doch spielt....und habe Angst ein Kind oder Kinder mit ins Unglück zu reißen…

--- Ende Zitat ---

Da stehst Du nun liebe Kerstin, er verheimlichte jenes was eine Partnerin nicht tragen sollte.
Ich würde nicht schreiben wollen/können, dass er seine Sucht Eurer Liebe vorzieht, er wollte halt beides und beides nicht verlieren.
Du liebst ihn von Herzen und freutest Dich auf eine gemeinsame perfekte Zukunft.
Ist es nicht wert, alles dafür zu geben ?
Zu geben , ja! Aber nicht alles dafür zu riskieren!
Falls er weiter spielen würde und natürlich heimlich, egal warum, es wäre eine unzumutbare Lüge.
Niemand möchte einen Lügner an seiner Seite, der heimlich alles ruiniert!
Fakt:  Du möchtest dass er nicht mehr spielt und ziehst eine dann fällige Trennung vor!
Er weiß es und nun wird sich zeigen, wie ernst ihm dieser offene Wunsch auch wertvoll erscheint.
Sollte doch eigentlich ein enormer Antrieb und Motivation für ihn sein.

Nun könnte ich ewig und noch so gescheit hier schreiben, dazu gäbe es unbedingt zu erwähnen....ich selbst war ja über 30 Jahre viel schlimmer als es er jemals sein könnte. Dies mag meine Glaubwürdigkeit aber kaum schmälern, ganz im Gegenteil.
Wenn auch spät, ich erkannte dass es unabdingbar (nicht nur in einer Beziehung) ist, offen und ehrlich zu sein.
Diese Erkenntnis kam wohl auch deshalb leider sehr spät zu Stande, weil eben niemand mich vor solch eine Motivation stellte, als Du zu Deinem Mann.

Was ist denn auch das, einerseits zu hoffen und andererseits nie wirklich vertrauen zu können ?
Immer in der Versuchung zu sein, Deinen Mann kontrollieren zu wollen, ob er auch wirklich spielfrei ist.
So würde eine glückliche Zukunft sicherlich nicht funktionieren.
Er muss sich einfach wirklich besinnen und es akzeptieren, dies sollte er zweifellos auch untermauern.
Mit entsprechenden Maßnahmen, auch nie mehr in jene Situation zu kommen, wieder zu spielen!
Und Du musst Ihm dabei vertrauen, sonst ist der Offen eh aus , bevor er jemals richtig entflammt wurde...oder nicht?

Er muss es nun beweisen, ob er seinen ganzen Versprechen auch würdig und ein Eheversprechen ist wahrlich eins!

Kopf hoch Kerstin, nun geht es weiter.
Schaue genau hin und eines Tages musst Du es nicht mehr...so oder so.
Er weiß Bescheid und wir nun auch etwas von Dir, danke dafür.

Auch als pathologischer Spieler (aber seit einigen Jahren spielfrei), ich verstehe Dich sehr gut.
Sein ehemaliges Verhalten verstehe ich auch, aber keinesfalls würde ich ein gleiches zukünftiges von ihm akzeptieren.
Von ihm würde ich es erwarten alles zu ändern, hauptsächlich für Dich.
Denn wer so offen hier darüber berichtet, hat es mehr als verdient.


Liebe Grüße     

Kerstin:
Hallo Jacky1,
deine Nachricht hat mich sehr gerührt und bewegt. Sie hat sich angefühlt wie ein tröstliches über den Rücken streicheln und gleichsam wie eine aufrüttelnde Ermutigung. Danke! Gerade, dass du aus dem Erfahrungsschatz eines Spielers schreibst, der es geschafft hat, spielfrei zu werden, gibt mir viel und lässt mich staunen. Chapeau! Ich hab solchen Respekt vor dir und all jenen, die es schaffen ihrer Sucht die Stirn zu bieten und die Kontrolle zurückzugewinnen.
Das ist es ja: um frei zu werden, gehört so viel mehr dazu, als nur von außen dazu bewegt zu werden-  Es gehört aller menschenmöglicher Wille und viel Anstrengung dazu. Weil ich von Berufs wegen ein bisschen was über Suchtdynamiken weiß, ist mir einmal mehr bewusst, dass der Weg für meinen Mann alles andere als einfach ist. Gerade deshalb verstehe ich seine Sturheit nicht, bzw. ist es wohl vor allem auch seine Scham, sich keine externe Hilfe zu holen. Er ist der festen Überzeugung, er schaffe es alleine. Jedes Werben meinerseits für externe Unterstützung fasst er als mein Zweifeln an seiner Stärke auf.
Mmhh, ich bete so sehr, dass er es schafft. So sehr...

Heute Vormittag habe ich mich ein bisschen durch das Forum gelesen und was soll ich sagen, es ging mir danach erstmal nicht so gut. Es ist von so viel Leid und Schmerz zu lesen. Es ist schon erschreckend. Um innerlich dann ein bisschen Abstand zu gewinnen, fange ich an verstandesmäßig die Dinge zu relativieren- auf der Arbeit nämlich (ich arbeite in einer Klinik)  sehe ich auch so viel Leid...immens viel Leid. Leid, das irreversibel ist. Wenn ein Mensch stirbt, dann ist er fort. Wenn ein Mensch im Wachkoma liegt, und es keine Hoffnung mehr auf Besserung gibt, dann ist das für die Angehörigen einfach nur schwer. Dann denke ich mir: in dieser, in meiner Situation gibt es Chancen- da gibt es Zukunft, wie auch immer die aussehen mag. Die Chance, dass mein Mann spielfrei wird, oder aber eben die Chance, dass falls er es nicht wird, ich nach einer Trennung dennoch auch glücklich werden kann.
Das Leben ist endlich. Gerade das, macht es mir aber auch so dringlich, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich kämpfe für ihn und werde geduldig aber auch mit gewisser Entschiedenheit die Entwicklungen abwarten und sofern ich kann, auch forcieren. Ich werde aber auch die Grenze wissen wollen, wo ich loslassen sollte/muss, wenn sich nicht wirklich etwas bewegt.

Allen einen schönen Abend.
Und Danke dir nochmal, Jacky1

Taro:
Moin moin und herzlich willkommen Kerstin!

du hast es ja schon richtig erkannt. Der Weg in die spielfrei ist weit mehr als bloßes wollen. Alle Hilfsmaßnahmen achten die Anonymität. Das Argument ist Unsinn und bedarf keiner Diskussion. Wenn er macht was erforderlich ist, nämlich nicht weniger als ein langanhaltenden Überlebenskampf wo er jede erdenkliche Hilfe gerne annimmt, dann wirst Du es merken und das Vertrauen kann auch zurückkommen. Bleibt es beim wollen, wirst Du Ihn nicht Vertrauen und er wird weiter spielen.
Taro

amTiefpunkt:
Hi Kerstin,

sei Willkommen hier bei uns, schön, dass du geschrieben hast!

Zunächst einmal finde ich deine Einstellung fabelhaft, deine Gedankengänge schlüssig und deine bereits veranlassten Taten absolut angemessen. Für viele Angehörige bricht mit dem Auffliegen der Spielsucht des Partners eine Welt zusammen. Zukunftspläne und Träume platzen wie alte Seifenblasen und man selbst weiß nicht wohin mit den vielen Gedanken und die Wahl des richtigen Weges erscheint einen zu überfordern.
Tatsächlich schaffen es wohl tendenziell wenig Spieler, koordiniert mit ihrer Sucht zu leben, das bedeutet, mit der Sucht zu leben ohne sie auszuüben. Ich kenne mittleweile einige von diesen Menschen, auch hier im Forum wirst du einige davon finden und jeder wird dir klar machen, dass dieser Weg in die Abstinenz niemals, wirklich niemals alleine zu bewältigen ist.
Meine Sucht kam heraus, da war ich verheiratet, hatte 2 kleine Kinder und einen Schuldenberg, der weitaus größer war als der deines Mannes. Das von dir angesprochene Vertrauen, die Basis einer jeden Beziehung, die jeder Spieler mit den Füßen tritt, war damals auch auf dem Nullpunkt. Ich traf damals bedingungslos die Entscheidung mit dem Spielen zu brechen, ging zu Suchtberatung mit meiner Frau, war teil einer Selbsthilfegruppe über Jahre hinweg und bleibe Online auch immerzu mit dem Thema verbunden. Heute, fast 10 Jahre nach meiner Entscheidung, haben wir 3 Kinder und führen mittlerweile wieder eine "feste" Beziehung. Noch nicht alles hat sich regeneriert, jedoch fehlen nur noch ein paar Prozent um wieder auf dem Vorniveau zu sein. Ich will dir mit meinen Zeilen keine übertriebene Hoffnung machen, jedoch auf deine Betreff hin geantwortet, ist eine Familienplanung trotz Spielsucht möglich, jedoch ist das Dilemma, dass das Ermöglichen dieses Unterfangen zum Großteil am Spieler hängt. Du, liebe Kerstin, kannst dein Leben planen, leider nicht das deines spielsüchtigen Mannes. Hoffentlich erkennt er die Kritikaliät der Lage und wählt den Weg der Abstinenz. Voraussetzung ist ein offener und ehrlicher Umgang mit seinem Problem, solange er es mit sich selbst ausmacht, wird er früher oder später wieder vor den Slots hängen!  :(
Ein Blick aufs Konto von ihm wird dir allerdings keine Antworten liefern!
Sei wachsam Kerstin! Erkläre ihm klar, wie deine Zukunft aussehen soll,  mit euch, aber nur, wenn er sein Problem angeht! Ein Leben mit einem nassen Spieler ist kein Leben, Kerstin, da hast du weit besseres verdient!

Ich drücke die Daumen,

aT

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