Nach unten Skip to main content

Autor Thema: Ich bin verantwortlich

0 Mitglieder und 3 Gäste betrachten dieses Thema.

T

Taro

Re: Ich bin verantwortlich
#150: 31.03.2021 00:09:39
Moin moin,

was für ein schöner Beitrag Jacky. Geld ist bei weitem nicht das wichtigste und doch gebe ich dafür oft viel zu viel Aufmerksamkeit. Ich liebe meine Frau und doch bekommen wir immer wieder Streit weil Sie auch nach 16 Jahren noch immer nicht die Zahnpastertube aufrollt. Oder andere Themen auf einem mit der Tube vergleichbaren Niveau. Letztlich muss ich hinterher immer wieder darüber lachen das ich kurz vor dem Auszug erst bemerke das es nur um eine Zahnpastertube geht und Sie sie schon immer so ausgedrückt hat. Und das verückteste, seit 30 Jahren kommt in der ein oder anderen Form das Thema Zahnpsta immer wieder auf den Tisch in der SHG. Wie einfältig ich doch bin.

Ich glaube Petrus war gerade beim Netze knüpfen als Jesus Ihn aufforderte Ihn zu folgen und er folgte. Er fragte nicht nach finanzieller Sicherheit. Würde ich das auch tun? Puh, Gebe ich soviel das ich in finanzielle Not komme? Nein.
Genau das ist etwas was ich mir öfters anschaue und ich bin tatsächlich ziemlich feige. Ich bin mir sicher, es wäre gut meine Netze Netze sein zu lassen und den für mich richtigen Weg zu gehen.

Als ich aufhörte mit dem Spielen, versprach ich mir nicht mehr wegzulaufen. Das bedeutet das ich Menschen die mir lieb und wichtig sind eben nicht mehr Wechsel. Weder wegen einer Zahnpastertube, noch wegen persönlicher Angriffe. Mein Problem zu meiner Spielerzeit, als ich gerne weggelaufen bin war ja genau, egal wo ich auch immer hingelaufen bin ICH war trotzdem dabei. Das größte Problem in Konflikten bin ja geraden bei mir lieben Menschen immer ich und nicht mein Gegenüber.

Vieles meines Handeln ist so widersprüchlich, ich kann es sehen und doch kann ich es nur ganz langsam ändern. Dafür besuche ich die SHG und auch einen Bibelkreis um mich immer ein Stück mehr zu trauen.

Taro
  • IP logged
 
Folgende Mitglieder bedankten sich: Andre12, medea888

A
Re: Ich bin verantwortlich
#151: 01.04.2021 22:11:00
Moin,
na, ja zum Thema Geld .... es ist schwierig für mich, mich darüber zu äußern, versuche mal meine Gedanken dazu zu schreiben : ja,  Geld ist nicht alles : Freundschaft , Liebe , Halt , Erfahrungen kann ich nicht mit Geld bezahlen , oder ernsthaft bekommen . Doch ist es wichtig für mich es zu haben : ich kann meine Miete bezahlen , ich kann mich und meine Tochter ernähren , ich kann ich selbst sein, muss mich nicht anpassen und jdm mehr Aufmerksamkeit schenken weil er mehr Geld hat oder weil er Geld hat , ich kann mich selbst versorgen , brauche keinen anbetteln ( unseren sozialen Staat oder wen auch immer ) es gibt mir Freiheit , befreit mich einerseits von gesellschaftlichen Zwängen und anderseits eben genau nicht. Erst wenn ich Geld habe, kann ich mich  auf die wichtigen Dinge konzentrieren und mich entwickeln . Ich denke die Wertschätzung des Geldes zu erlernen , war für mich sehr wichtig , zu wissen ein Millionär ist nicht automatisch glücklich ,aber  zu sehen
das ein gewisser Grad an Geld zu haben , mich das erst erkennen lies...

Lg André
  • IP logged
Wer etwas will, der findet Wege. Wer etwas nicht will, der findet Gründe….
 
Folgende Mitglieder bedankten sich: Jacky1

Re: Ich bin verantwortlich
#152: 02.04.2021 10:09:36
im Grunde verliert Geld an Gewicht wenn man genug davon hat und die Konzentration kann sich dann auf wesentlichere Dinge richten.

Ich kenne beide Seiten und kann dem nur zustimmen.

Die Zeiten in denen wir nachrechnen mussten, ob wir uns Lachs oder Nordseekrabben leisten können, sind lange vorbei.
Die Erinnerung daran verblasst zusehends.
Das Gefühl, dass sich der gesamte Alltag darum dreht, wie man den Monat über die Runden kommt, allerdings nicht.

Daher bin ich dankbar in der Komfortsituation zu sein, dass ich darüber nicht mehr nachdenken muss.
Und wenn man es nicht mehr muss, widmet man sich in der Tat völlig anderen DIngen im Leben.

Dies sind Erfahrungen, die viele Menschen nicht erleben können. Ein finanziell mehr oder weniger entspanntes Dasein.
Daher wäre ich für ein pauschales Grundeinkommen, aber das ist ein anderes Thema.

---

Dieses "Geld ist nicht alles"-Mantra will ich allerdings nicht so unterschreiben.
In dieser (westlichen) Welt in der wir aufgewachsen sind ist Geld einfach unabdingbar.
Das gesamte soziale Leben ist darauf ausgerichtet Geld zu haben.
Hat jemand dies nicht, ist er auch gleichzeitig von unserem ach so tollen sozialen Leben ausgeschlossen. Zumindest in weiten Teilen.

Meine Frau stammt ja aus einem anderen Kulturkreis. Die Menschlichkeit, die Hilfsbereitschaft und der Zusammenhalt ist dort sowas von anders als bei uns, dass ich es nicht einmal versuche zu beschreiben.
Da wird einem (leider) so krass vor Augen geführt, wie abgefuckt abhängig vom Geld wir im "tollen Westen" unsere Zeit verbringen (oder gar verschwenden ?)

Es wäre schon schön, wenn "wir" dem Geld nicht mehr diese Wertigkeit geben würden
Aber ich hätte nicht mal eine Idee wie man das anpassen könnte
  • IP logged
 

Re: Ich bin verantwortlich
#153: 02.04.2021 13:11:11
Moin,

Also ich habe sowohl in meiner Familie als auch in meinem Beruf erfahren können, dass auch zuviel Geld den Menschen negativ verändert. Ich reagiere schon immer auf Geiz und Gier extrem ungehalten und halte mich selbst für einen großzügigen Menschen. Ich denke Geld sollte einfach keinen zu großen Stellenwert einnehmen, dennoch ist es so, dass bei Armen und bei Reichen Menschen Geld immer mehr Mittelpunkt hat.
Für mich stand Geld in meiner aktiven Zocker Zeit Geld im Mittelpunkt, aber nicht das Geld selbst, sondern die Beschaffung des Suchtmittels und das Verstecken des Mangels war Mittelpunkt.
Heute, wo ich die Geldsorgen hinter mir habe achte ich gar nicht mehr darauf, ich schaue kaum auf mein Konto und habe immer wenig Bargeld bei mir. Im Grunde müsste ich mich längst darum kümmern, wie ich Geld anlegen sollte, aber das Kümmern um Geld erscheint mir Zeitverschwendung, wie absurd hat sich doch noch bis vor 1,4 Jahren alles darum gedreht...

Ich merke dennoch, dass etwas zu besitzen mir immer weniger wichtig wird, ich brauche keine neuen Klamotten oder Handys oder einen neuen Fernseher. Zu wissen, dass ich alles ohne Probleme kaufen könnte beruhigt mich dennoch unterschwellig.
Aber ich bin froh, dass Liebe, Freundschaft, Kultur, Musik, Natur nun Mittelpunkt meines Lebens sein können.
Und Fred muss ich zustimmen, ich wünschte unser Land wäre nicht so stark Geld geprägt und andere Werte würden wieder mehr im Mittelpunkt stehen.
Allen einen ruhigen schönen Karfreitag
Eure Medea
  • IP logged
Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.

Aristoteles
 

T

Taro

Re: Ich bin verantwortlich
#154: 03.04.2021 20:13:11
Moin moin,

vielen Dank für eure Beiträge. Vor vielen Jahren fragte ich einen Freund nach einem gemeinsamen Abend, er antwortete, er hätte gerade kein "Actionpapier". Ist es so? Kein Geld kein Action? Mein Kopf will es mir erzählen, meine Erfahrung sagt mir aber genau das Gegenteil. Meine besten Urlaube waren die mit fast kein Geld. Zelten auf Fehmarn ganz ohne Geld, nur einen Becher dabei usw,. Zur Zeit sind Kulturelle Veranstaltungen kaum möglich, richtiges Leben ist aber immer das äquivalent zur Bezahl Veranstaltung. Klettergarten gegen Bezahlung oder im Wald alleine in die Bäume. Es gibt soviele Beispiele, ich habe es nur noch immer so im Kopf das ich für Action Papier auf der Bank brauche.
Selbst mit Harz IV kann man gut leben, wenn man es denn nicht für alk und Zigaretten verwendet.
Nichts desto trotz fühlt es sich gut an immer ausreichend Geld zu haben. Ich habe da sogar einen ausgesprochenen hau weg. Wenn es mehr wird dann wird das automatisch zum neuen Standard als mindestreserve. Ich habe gerade heute meine Frau gefragt was Sie meint wieviel Geld wir haben, Geldanlage ist meine Aufgabe. Sie hat mächtig daneben gelegen, es interessiert Sie einfach nicht. Das könnte mir nie passieren.

Taro
  • IP logged
 

T

TAL

Re: Ich bin verantwortlich
#155: 04.04.2021 21:44:33
Hoi,

ich las eben einen der letzten Sätze im Chat. Geld, Beziehungen, Liebe, Zugehörigkeit und Abgrenzung sind auch bei mir Themen, bei denen ich oft genug wieder über mich selbst und meine Wand im Kopf falle. Hinzu kommen noch die hier thematisierten Dinge wie Demut, Dekadenz und Menschlichkeit. Und die Suche nach den 'wahren Werten' (wo liegen die überhaupt? Eine interessante Frage).

Mhh. Ja. Je weniger man sich über Geld Gedanken machen muß, desto besser. Ich tue das auch nicht (mehr). Medea hat das ganz gut beschrieben, so geht es mir auch. Ironischerweise bin ich bei uns zu Hause auch derjenige mit den Ersparnissen, und meine bessere Hälfte weiß nichtmal, wieviel es ist. Bei mir ist es aber kein Anlegen, sondern eher 'Weglegen'. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Als Kind konnte ich sehr lange überhaupt nichts damit anfangen. Andere kauften sich Süßigkeiten, Sammelkarten oder irgendwelche Plastikfiguren. Ich packte mein vergleichsweise schmales Taschengeld dann einfach in eine schöne Kiste, bei der ich immer genau wußte, was drin ist. Das hatte mehr mit Ordnung und Übersicht zu tun, als mit dem Gedanken an die Kaufkraft. Hab's halt irgendwie 'gesammelt', wie so viele andere Dinge damals auch. Meine Mutter fand diese Kiste eines Tages, das war mir extrem unangenehm. Sie war erstaunt darüber, und sagte, das solle nicht rumliegen. Dann wollte sie es mir wegnehmen. Sowas täte man auf ein Sparbuch. Am nächsten Tag ging sie mit mir zur Bank. Ich wollte das nicht, habe nicht verstanden, wie und warum man Geld in ein Buch tun sollte, das fällt doch raus... so eine Kiste ist doch viel praktischer. Hinterher hatte ich dann ein kleines rotes Büchlein mit Zahlen drin. Das war doof, unsinnig und uninteressant. Ich mußte das zukünftig also besser verstecken.

Irgendwann in meiner Jugend dachte ich dann auch, finanziell 'mithalten' zu müssen, bei Dingen, die mir eigentlich zuwider waren. Aber so ist das eben. Das nennt sich 'normal'. Dafür brauchte ich dann doch Geld.
Was das 'Sozialleben' angeht, stimme ich Fred also zu. Dafür ist Geld unabdingbar.
Eine Zeitlang dachte ich das zumindest. Und selbst heute empfinde ich es als beruhigend, zu wissen, daß ich könnte, aber nicht muß. Etwas nicht zu tun ist meine freie Entscheidung, und keine Frage des Geldes mehr. Die Zeiten, wo ich Geld 'organisieren' mußte, um den Schein zu wahren, sind vorbei.

Ich bin nicht in Reichtum aufgewachsen - ganz im Gegenteil. Das Ganze war etwas kompliziert, aber ich glaube, darüber habe ich schonmal geschrieben.
Bei mir begann es also erst vor ein paar Jahren, finanziell bergauf zu gehen. Vorher kannte ich so etwas wie 'Überschuß' gar nicht... auch wenn ich es mein Leben lang Anderen vorgespielt habe. Für mich war es beruhigend und gefährlich zugleich, besonders am Anfang. In gewisser Weise war es gut, daß ich zu dem Zeitpunkt schon eine Weile spielfrei war. Davor hatte ich mich lange gefürchtet. Zurecht.
Nun ja. Ein vergleichsweise langer Weg bis dahin. Andere schaffen es gar nie, obwohl sie deutlich mehr dafür getan haben als ich, und es sich verdient hätten. Mit Gerechtigkeit hat das nicht viel zu tun.

Wenn mich das Verhalten (oder besser gesagt die Reaktionen) Anderer verwirrt, sagt meine bessere Hälfte manchmal augenzwinkernd zu mir: "Eigen- und Fremdwahrnehmung differieren da womöglich?!". Ja, das stimmt. Außenwirkung spielt auch beim Thema Geld eine große Rolle. Bezeichnend ist es, wenn wir zu einer Wohnungsbesichtigung gehen. Meine bessere Hälfte direkt von der Arbeit im Casual-Look... und dann noch ich. Das ist schon ziemlich witzig, wenn wir erst so abgefertigt werden, verglichen mit der plötzlich auftretenden Freundlichkeit, sobald wir den Zettel mit den Angaben zum Einkommen ausgefüllt haben. Das ist nicht immer so, aber schon recht häufig. Wir sind auch schonmal eine halbe Stunde in einem Autohaus komplett ignoriert worden, weil man uns wahrscheinlich für Gaffer hielt. Meine bessere Hälfte sprach den Verkäufer schließlich an, welcher darauf pampig und lustlos reagierte, einen kurzen Standarttext zum Aufbau des Schauraums runterratterte, dann behauptete, er hätte jetzt einen Termin und deshalb keine Zeit, sich demonstrativ wieder hinter sein Pult stellte, in die andere Richtung sah, und einen Tratsch mit seiner Kollegin anfing. Wir sind dann gegangen. Okay dann eben nicht. Ich finde sowas immer sehr lustig und durchaus interessant.
Geld und Oberflächlichkeit macht schon viel aus, auch in der Art und Weise, wie man behandelt wird. Ich habe das nur eben überhaupt nicht drauf, und es gibt wichtigeres im Leben, als Leuten, die man gar nicht kennt, den 'richtigen' Eindruck zu vermitteln. Das habe ich schon lange aufgegeben... ich bekomme es sowieso nicht hin.
Ich brauche auch nicht ständig neue Dinge.
Mir ist das ganz einfach egal, weil es keinen Sinn macht, dennoch wird meine Einstellung gerne mit 'Geiz' oder zumindest Knauserigkeit verwechselt. Das ist aber Unsinn. Jeder kann machen, was er will, auch innerhalb der Beziehung. Daß ich etwas nicht nachvollziehen kann, heißt ja nicht, daß ich dagegen bin, wenn es andere tun. Besonders dann nicht, wenn es mich überhaupt nichts angeht. Da muß sich doch keiner rechtfertigen.
Bei größeren Anschaffungen liegt das Problem für mich auch oft darin, daß ich ewig für eine Entscheidung brauche.
Ich brauche nicht viel (Aber ja, es beruhigt mich ebenfalls, zu wissen, daß ich jederzeit genug hätte). Meine Ausgaben ändern sich nicht, auch wenn die Einnahmen steigen. Meine nach außen komische Einstellung zu (und Handhabung von) Geld erscheint für Andere oft irritierend und sinnlos - gerade zu Hause. Auf der anderen Seite sind die Schlüsse, die Andere daraus ziehen, für mich schon sehr abstrus und befremdlich - und ziemlich weit gefehlt.

Mich stört sowas aber auch eher weniger, denn ich hatte (und habe) etwas anderes, von dem ich heute weiß, daß es für mich unbezahlbar wertvoll ist - die Menschen in meinem näheren Umfeld. Ich kann mich auch sehr gut an Kleinigkeiten 'aufhängen', die mich wahnsinnig machen. Ganz besonders, wenn ich dann hinterher auch noch erkenne, daß jemand es bewußt mit Absicht gemacht hat, um mich zu ärgern. Sofern man mir das sofort sagt, kann ich dann nach anfänglichem Ärger sogar ganz gut über mich selbst lachen. Meist ist es aber keine Absicht - von beiden Seiten. Und so sehr es mich auch 'nerven' kann, die positiven Dinge überwiegen. Deshalb bleibe ich dabei, auch wenn es mal eine zeitlang mal mehr negative sind. Das hängt dann ja auch zu einem großen Teil mit mir selbst zusammen. Komplette Harmonie gibt es eh nur im Märchen. Und meine negativen Seiten sind doch deutlich mehr als die aller anderen zusammen. Das sollte ich auch nicht vergessen.

Ohne diese Leute wäre für mich also vieles anders, auch wenn sie sich dessen nichtmal bewußt sind. Das war mit einigen wenigen (phasenweisen) Ausnahmen schon immer etwas, mit dem ich unsagbares Glück hatte.
Ich kenne zwar auch die andere Seite, also Ablehnung und Ausgrenzung, aber bei mir liefen solche Dinge immer im Verborgenen ab, und es immer zwei oder drei einzelne Personen, die irgendwann keinen Bock mehr darauf hatten (und dies auch nur taten, wenn es keiner sah), und nicht mein gesamtes Umfeld. Ich mußte also nur zusehen, diesen Leuten aus dem Weg zu gehen. Ich weiß heute auch, daß ich damals etwas hätte sagen können, und man hätte mir geholfen - und nicht umgekehrt - und die wußten das offenbar ja auch, sonst wären sie nicht so bedacht darauf gewesen, daß es keiner mitbekam. Es waren also Ausnahmen, und nicht die Regel, und hörte mit dem Wegzug der 'Hauptperson' dann auch fast komplett auf.
Kollektives offenes 'Wegsehen' habe ich nur ein einziges Mal erleben müssen, als ich in der zwölften Klasse war. Und ja, ich kann mich nicht erinnern, daß jemals etwas so wehgetan hat wie die die Tatsache, daß Leute, von denen ich dachte, sie wären meine Freunde, auf diesen Zug mit aufsprangen. Nicht aktiv, nein, aber passiv. Die vorangegangenen Vorfälle waren das Eine; aber fast noch schwerer wog das kollektive Wegsehen und die abstrusen (ungefragten) Rechtfertigungen des eigenen Verhaltens unter vier Augen, was letztlich nur zeigte, daß sie ein schlechtes Gewissen hatten, weil sie es eigentlich besser wußten; und bei mir die Haltung unterstrich, weniger wert zu sein als Andere. Eben da diese Leute sonst die ersten waren, die derartiges Verhalten verurteilten, wenn sie Publikum hatten. Die Entschuldigungen und Rechtfertigungen zeigten mir ja, daß sie sehr wohl wußten, was passiert war (obwohl ich gar nichts gesagt hatte), bei mir schien es aber trotzdem okay zu sein, denn da sagte keiner offen etwas zu. Sowas ist fast noch demütigender als Schläge oder Tritte es je sein könnten.
Ich habe es im Kopf durchgespielt. Tausendmal. Doch noch heute frage ich mich, was ich falschgemacht habe, obwohl ich vom Verstand her inzwischen weiß, daß ich nichts davon hätte ändern können.

Ich möchte kein Opfer sein, weil Hilflosigkeit ein schreckliches Gefühl ist. Deshalb verstehe ich nicht, wie sich jemand freiwillig diese Rolle aufsetzt. Sie verbaut einem so vieles und lähmt das Denken und die Entscheidungen... und damit auch den Weg 'da raus'.
Das ist etwas, was ich nicht vermitteln kann. Wenn ich das regelmäßige 'Gejammer' bestimmter Personen in meinem Umfeld höre, und nicht auf den Mitleidszug aufspringe, ist das kein Zeichen von Ignoranz oder mangelnder Empathie, sondern aus der Tatsache heraus, daß ich weiß, daß dieser vermeintlich 'bequeme' Weg der Person selbst nur schadet.
Weil ich selbst oft genug damit kämpfe, und diese Gedanken hasse.
Wie kann man sich das freiwillig antun?

Im Laufe meines Lebens bin ich oft in derartige Situationen geraten, auch wenn es mit zunehmendem Alter immer weniger wurde. Aber ich habe Menschen um mich, die mir zeigen, daß es auch anders geht. Die Geduld mit mir haben, und bei denen ich nichts falschmachen kann. Und wenn doch, dann sagen sie es mir. Unter vier Augen.

Wahre Werte sind wohl für jeden etwas Anderes. Für mich hat Geld auch keinen sehr hohen Stellenwert. Diese Einstellung an sich ist aber eine Art Luxus, den ich mir heute leisten kann - eben weil ich genug davon habe. Ich möchte auch nicht arm sein. Natürlich nicht. Der Weg aus der Armut ist aber ähnlich schwer wie der aus der Opferposition. Beides hängt viel mit Bestreben zusammen, ist aber nicht zuletzt auch von äußeren Faktoren und einem günstigen Umfeld abhängig. Denn um eine Chance ergreifen zu können, muß man sie erst einmal bekommen - und auch als solche wahrnehmen.

Ich hatte in meinem Leben viele Chancen, weit mehr, als mir zustehen. Doch die meisten davon habe ich entweder nicht ergriffen, oder nicht gesehen. Glück hatte ich immer, ich habe es nur selten als solches erkannt - oder eben erst viel später.
Heute weiß ich das. Ich muß es nicht mehr herausfordern. Es ist mir wichtig, bequem leben zu können ohne Sorgen. Alles darüber hinaus kommt auf die Machbarkeit an. Wenn ich morgens aufstehe, möchte ich mich nie wieder fragen, wozu ich das tue... und ich möchte nie wieder ein negatives Gefühl dabei haben. Ich habe auch schon mehrmals berufliche Beförderungen abgelehnt, weil ich meine Grenzen besser kenne als jeder Andere, und mir mein persönliches Befinden deutlich wichtiger ist als Geld oder Status. Niemand versteht das, weder auf der Arbeit, noch zu Hause. Aber das muß ja auch keiner. Akzeptieren tun sie es trotzdem.

Ich bin nicht arm, dafür bin ich sehr dankbar.
Ich könnte trotzdem mehr für Andere tun, denen es schlechter geht, gerade weil ich ein Stückweit weiß, wie das ist, wenngleich es bei mir selbstverschuldet war.
Das tue ich aber nicht, zumindest nicht in dem Umfang, indem es mir theoretisch möglich wäre. Ich bleibe weitestgehend bei mir selbst. Da habe ich genug zu tun.
Das macht mich dann sicher nicht zu einem besseren Menschen. Eher im Gegenteil.

Die Dekadenz ist vorbei. Egoistisch bin ich aber heute noch.

Sorry, das waren mal wieder recht wirre Gedankengänge.

Ich wünsche Frohe Ostern.
  • IP logged
 
Folgende Mitglieder bedankten sich: Andre12, medea888

T

Taro

Re: Ich bin verantwortlich
#156: 30.04.2021 22:55:10
Als ich aufhörte zu spielen war ich ein Beziehungskrüppel. Das war irre ersten Jahre mein größtes Thema. Ich baute mir 2 Jahre einen neuen Freundeskreis auf, und erkannte das ich mich leider wieder nicht getraut habe mich zu zeigen. Also noch mal von vorne. Meine erste Partnerschaft in der Spielfreiheit war eine Katastrophe, doch nicht ganz, ich habe da viele Dinge kennengelernt die ich nie wieder in einer Beziehung will. Ist ja schon mal ein Anfang zu wissen was man nicht will. Dann wurde es sowohl in der Partnerschaft als auch im Freundeskreis deutlich besser.
Heute habe ich Familie, langjährige Freunde drei pubertierende Jungs, eine tolle Frau.

Besonders meine Jungs zeigen mir in letzter Zeit sehr deutlich, daß ich in Beziehungen noch deutliche Mängel habe. Kann sein, dass ich übertreibe, und es völlig normal ist. Und doch habe ich das Gefühl dass ich oft kein guter Vater bin.

Meine Schwäche mich sprachlich richtig auszudrücken kann ich durch meine Mimik und Gestik im realen Leben ausgleichen. In Foren geht das natürlich nicht. Im Nachbarforum habe ich gelesen das ein Mitglied gestorben ist. Wegen seines Kampfes gegen die Zahlungsdienstleister war er soetwas wie der Star dort. Ich bin von der Nachricht sehr getroffen. Ich hatte lange PN Kontakt zu Ihm, er war kurz hier. Vieles was ich Ihm sagte war meine Überzeugung, aber sicher nicht sehr empatisch. Vielleicht fühlte er sich hier vertrieben durch meine Worte. So das er garnicht erfahren konnte wieviel mehr das Leben zu bieten hat als der Kampf gegen Zahlungsdienstleister.

Taro
  • IP logged
 
Folgende Mitglieder bedankten sich: Andre12, Jacky1, medea888

N

Nutella

Re: Ich bin verantwortlich
#157: 01.05.2021 06:45:27
Hallo Taro..

hab lange nicht mehr im anderen Forum gelesen und bin gerade etwas geschockt über die Nachricht vom Tod Borns..

Er war noch recht jung.. Erinnert es mich auch gleich wieder an Ivan an dem ich doch oft denken muss..

Zwei Menschen, welche auf ihre unterschiedlichen Art und Weise gegen die Sucht und ihre Folgen angegangen sind.. Zeigt es aber auf, wie schnell es vorbei sein kann ohne das eigentliche Leben zurück zu gewinnen mit all dem schönen was es wirklich zu bieten hat konzentriert man sich auf die wirklich wichtigen Dinge..

2019 und 20 habe ich selbst diese Momente zweimal erleben dürfen, daß Leben und Tod nur ein Wimpernschlag ist, lässt das erwachen danach einem nochmal Raum und Zeit zu erkennen daß alles Leben nur geschenkt wird und wir, jeder einzelne für sich die Zeit so gut wie möglich auskosten dürfen..

Bleibt gesund und LG..
  • IP logged
 
Folgende Mitglieder bedankten sich: Andre12, Jacky1, medea888

Re: Ich bin verantwortlich
#158: 01.05.2021 11:18:39
Hallo,

Danke Taro für Deinen Beitrag und diese traurige Nachricht.
An anderer Stelle habe ich es schon so ähnlich geschrieben, es ist halt jenes was in mir gerade so vorgeht.

Als wir kleine Kinder waren, unbefangen und frei in unseren Gedanken.
Im Sandkasten zu spielen, vor dem Einschlafen spannenden Märchen zu lauschen, behütet von seelischen Schmerzen.
Lachen und weinen im Wechsel ohne eine Last dabei ertragen zu müssen.
Unwissend und herrlich naiv durch das Gras zu rennen.
Doch wir mussten ja unbedingt erwachsen werden....

Und es ist mehr als nur ein Wunsch, wenn wir eines Tages das Lichte sehen...wissen wir das es Liebe war.
Wie damals, als wir noch kleine Kinder waren .

Mein Mitgefühl für seine Familie und Freunde und tiefe Trauer.

Liebe Grüße
  • IP logged
« Letzte Änderung: 01.05.2021 12:24:23 von Jacky1 »
 
Folgende Mitglieder bedankten sich: Andre12, medea888

T

Taro

Re: Ich bin verantwortlich
#159: 02.05.2021 23:59:46
Ich bin dem Spielen gegenüber machtlos, meinem Gegenüber und dem anderer.
Ich habe in den 32 Jahren in dem ich die SHG insbesondere die GA Gemeinschaft kennengelernt habe, einige Freunde gehen sehen. Krankheit, Selbstmord und auch ein Mord war dabei. Selbstmord und Krankheit hält sich etwa die Waage.
Ich bin immer ein Sensibelchen gewesen, oder besser ich bin es noch. Notfallkoffer werden die Hilfsmaßnahmen gegen die Spielsucht oft genannt. Ich habe sowas wohl auch. Das gleiche habe ich auch gegen meine Depressionen oder meinem Weltschmerz. So wirke ich zumindest außerhalb der Familie und von Freunden als Taff, ohne das da irgendwas gespielt ist. Gutes Training in den Jahren.

Ich habe ein ähnliches Gefühl wie Du Harald gehabt. Ich habe grundsätzlich allen Spielern gegenüber ein Gefühl weit über das geschriebene oder gesprochene hinaus.

Nur was nützt all das Wissen. Frei aus einem Lied übertragen. Was nützt mir der Lastwagen von Wissen wenn die Einfahrt zum Herzen zu schmal des Gegenübers zu schmal ist.

Diese Machtlosigkeit ist für mich bis heute schwer zu akzeptieren.

Taro
  • IP logged
 
Folgende Mitglieder bedankten sich: Andre12

Re: Ich bin verantwortlich
#160: 04.05.2021 00:06:34
Nur was nützt all das Wissen. Frei aus einem Lied übertragen. Was nützt mir der Lastwagen von Wissen wenn die Einfahrt zum Herzen zu schmal des Gegenübers zu schmal ist.

Etwas was wohl jeder so oder so ähnlich erlebt hat:
Ein junges Paar, typisch verstrickt in der Scheiß egal Mentalität, doch aber schon noch motiviert und ich dachte event. mit Potential.
Die waren sehr nett und gegenseitige Empathie mehr als nur spürbar.
Wegweisend und mit fachkundigen Mitförderern an der Seite mauerten wir Ihnen ein Fundament.
Wohnung, Steuern, schier unüberschaubare Verschuldung, Krankenversicherung, therapeutische Versorgung, Starterkitt in die Selbstständigkeit bis hin zur Besorgung von täglichen Lebensmitteln.....alles organisiert uns stets mit Ihrem "naja" Mitwirken.
Und nicht zuletzt Freundschaft, die beiden waren an Weihnachten bei mir und meiner Familie, sangen mit meiner Mutter Weihnachtslieder.
Das Ganze ging nicht einmal 4 Wochen gut!

Dahinter steckte eine schon größere Logistik, Hoffnung und Vertrauen.
Zwei Affen hätten das hinbekommen, sie hätten erfahren dass man so ja nicht mehr seine Bananen klauen müsste.
Affen verraten, hintergehen und treten auch nicht, nachdem man Ihnen geholfen hat.

So denke ich dass einige Menschen schon wollen und es versuchen, aber einfach nicht können.
Dies wissen sie auch und versuchen es dennoch, was bleibt Ihnen auch anderes übrig.
Aber es macht keinen Sinn, jemanden zu fördern der sich nicht eingesteht aufgegeben zu haben.
Dann ist es halt ein dahinsiechen und ich weiß auch wie sich das anfühlt.

Wenn jemand zu blöd, unsicher oder hilflos auch in Emotionen ist, im Grunde nichts kann.
Muss er es sich eingestehen!
Sonst braucht er erst gar nicht anfangen etwas zu lernen oder zu verändern.
Es würde eh nur in Lügen enden.

Es muss nicht einmal eine Suchterkrankung dahinter stecken.
Hilfe bekommen sie natürlich immer.
Sie steht Ihnen auch zu.
Und manchmal, aber wohl nur manchmal fruchtet diese auch.


Liebe Grüße
  • IP logged
« Letzte Änderung: 04.05.2021 00:24:05 von Jacky1 »
 
Folgende Mitglieder bedankten sich: Andre12, medea888

A
Re: Ich bin verantwortlich
#161: 04.05.2021 07:22:54
Moin Jack,
Dein Beitrag stimmt mich heute morgen sehr nachdenklich. Ich musste ihn 3 mal lesen... Er bringt mich zum nachdenken über mich , mein Verhalten ggü. meinen Eltern , die es zwar nie geschafft haben, mir irgendwas von Wärme , Rückhalt geschweige sonst irgendwas vermittelt zu haben,  gegeben haben . Trotzdem waren sie auf Ihre Art für mich da ... ich bin gut erzogen , habe einen guten Beruf / Job etc ... da werden Sie mir ja nun doch was mitgegeben haben.. klar das emotionale blieb total auf der Strecke , hätte auch alles noch schlechter sein können... das waren halt Ihre Werte der Schein nach außen und das „auf eignen Füßen“ stehen.. hm vielleicht sollte ich dafür auch mal dankbar sein .
Ein bisschen Wut und Enttäuschung entnehme ich Deinen Beitrag, der mir auch noch mal zeigt , wie machtlos ich  selbst doch bin, wenn ich andere helfen will ( muss ) , wenn die es denn nicht  sehen können oder wollen , wenn die nicht bereit sein wollen / können Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Als Dankeschön bekommst noch nen Tritt . Das schmerzt und kostet viel Kraft , so wird es denn wohl auch vielen Angehörigen von Suchtkranken, psychisch Kranken , Eltern oder what ever ergangen sein oder noch ergehen. Da man sie liebt , lässt man sie nicht los ... obwohl ja genau das so oft der richtige Weg ist .

Auch ich hab mir oft die Frage gestellt , warum ich mir nicht helfen lasse habe , und ich komme immer wieder zum gleichen Schluss, es ging nicht , es war nicht zu sehen für mich , denn ich hab ja letzten Endes genau die 2 Punkte gelebt , die ich gelernt habe ....

Lg
André
  • IP logged
Wer etwas will, der findet Wege. Wer etwas nicht will, der findet Gründe….
 
Folgende Mitglieder bedankten sich: Jacky1, medea888

Re: Ich bin verantwortlich
#162: 05.05.2021 00:03:13
Hallo André,

unsere lieben Eltern......
Ich hatte/ habe  da so ähnliche, falls allen Ursprung in der Kindheit läge, dann tragen auch sie mit.
Meine Eltern waren der Grund weshalb ich nicht total in ein unehrenhaftes Leben geraten bin.
Was früher auch immer war, die emotionale Bindung stand für mich immer aufrecht.
Mein Stiefvater hat mich mehr geschlagen und angeschrien als ignoriert, immerhin.
Ich habe halt einfach seine Erwartungen nicht erfüllt und er wusste sich nicht anders zu helfen.
Es war sein Problem und nicht meines, ich war halt nur da und konnte nicht gehen.

Ihn trifft genau so wenig Schuld daran wie allen anderen denen ich begegnete.
Doch beeinflusste es sicherlich mich in meinen Gedanken und Handeln.
Entschieden habe ich dann ja selbst...Suchtkrank zu werden  :)

Freunde so geht das nicht!
Verantwortung zu tragen für sein Handeln, immerzu!
Doch glaube ich dass keiner hier an seinem erfahrenen Unglück ganz alleine schmiedete!
Es ist "legitim" Suchtkrank zu werden und es auch sehr lange zu bleiben.
Man kann hierbei nicht von einem Fehler sprechen, den man machte.
Es wurde halt zugelassen, man bekam etwas dafür und bevor man merkte dass es zum Untergang führt, war man schon mitten drin.
Keiner möchte Spielsüchtig werden, es geschieht einfach und wird ignoriert.
Dieser dann schier unbändigen Kraft dieser Krankheit muss man erst einmal entkommen.

Ich muss gestehen ich habe mir solange nicht helfen lassen, weil ich es halt auch nicht wollte.
Nun gut ...dieser Beitrag nahm irgendwie ganz plötzlich eine andere Richtung.

Schon lange empfinde ich keinen Groll mehr auf Menschen die sich mir gegenüber als schlecht erwiesen haben.
Denn auch ich habe viel dazu beigetragen und nun in der Hoffnung, das meine früheren "Opfer" genau so denken.
Daran arbeite ich jeden Tag meines Lebens.

Jaja, spät habe ich mich dafür entschieden.
Ging wohl nicht früher, ging halt einfach nicht.
Es war keiner da, dem ich so etwas schreiben oder erzählen konnte wie ich es hier gerade mache. 
Es konnte auch keiner da sein, denn ich war es ja auch nicht!

Meinen letzten Satz brauche ich gar nicht schreiben, André hat dies schon getan in seinem tollen Beitrag.

Liebe Grüße 
 
  • IP logged
 
Folgende Mitglieder bedankten sich: Andre12, medea888

T

TAL

Re: Ich bin verantwortlich
#163: 31.05.2021 01:18:51
Hallo,

in letzter Zeit wurde hier an verschiedenen Stellen viel geschrieben. Bisher kam ich nicht dazu, in einer ruhigen Minute zu antworten, obwohl mir viele Gedanken dazu im Kopf rumgeistern.
Ich lasse das jetzt zusammenfassend mal hier im Thread. Ich hoffe, das ist okay. Das ganze thematisch sortiert in mehrere Beiträge aufzudröseln bekomme ich gerade nicht hin.

Ja, Jacky, du hast recht. Niemand würde einfach an einem Blinden am Straßenrand vorbeigehen.
Niemand, außer mir.
Denn sehr oft sehe ich das Offensichtliche nicht, wenn man es mir nicht direkt sagt.
Das gilt aber ja auch andersrum. Was für mich offenkundig ist, ist deshalb noch lange nicht für Andere ersichtlich. Da wird es dann wohl manchmal schwierig.

Natürlich ist es dadurch leichter, zu verstecken, was man nicht sieht. Denn gerade weil man es doch noch irgendwie kann (wenn auch oft nur mehr schlecht als recht), versucht man es ganz von allein.
Ich schrieb es glaube ich auch schonmal drüben: Ich kann mich aber nicht darüber 'beschweren', nicht wahrgenommen zu werden, wenn ich alles daran setze, daß es so bleibt. Genau das ist ja das eigentliche Problem. Du sagst es ja selber: Erfahrungsgemäß fehlt das Vertrauen in die Gesellschaft, da niemand gerne 'abgestempelt' wird. Aufklärung würde helfen, aber aus genau diesem Grund möchte ich sie nicht leisten. Da schiebe ich die 'Verantwortung' von mir. Gleichzeitig ärgere ich mich dann über die Ignoranz Anderer. Das macht bei näherer Betrachtung keinen Sinn.

Und ja, bei Familie und Freunden ist das natürlich immer ungleich schwieriger. Wenn es mir wirklich mal über einen längeren Zeitraum nicht gutgeht, fällt das schon auf - sehr sogar.
Dann ärgere ich mich über mich selbst, und schäme mich dafür, mich nicht im Griff zu haben. Trotzdem ist der Gedanke daran, das Schneckenhaus zu verlassen, viel zu verstörend.

Andere können nicht wissen, was ich weiß. Oder was 'in mir vorgeht'.
Aber ich mag es auch nicht erklären, das kann ich gar nicht.
Die Frage sollte also nicht sein "Warum sehen die das nicht?", sondern "Warum sage ich nichts?"
Ja, da ist sie dann wieder... die Angst davor, nicht verstanden zu werden.

Warum trinkt ein Trinker? Warum spielt ein Spieler?
Sie wissen es doch eigentlich besser. Kann ja keiner behaupten, sie wüßten nicht um die negativen Folgen.
Doch jeder hat seine eigene Logik, die eigene Sicht auf die Dinge; aber diese zu erfassen, und dann gegebenenfalls ändern, ist manchmal ein wahnsinnig schwieriges Unterfangen, und ab und an sogar schlichtweg unmöglich.
Für Andere ist es Ignoranz, Sturheit, Arroganz, Starrsinn, Verarschung, Verblendung oder Dummheit. Für mich ist es 'normal'. Ich kann nicht mit dem Finger schnipsen, und plötzlich hab ich einen Löffel Erkenntnis für die Erleuchtung.

Nun ja, ich denke aufgrund eurer kürzlichen  Unterhaltungen jedenfalls gerade darüber nach, ob es wirklich immer einen 'Grund' gibt, und warum ich glaube, daß die Wahrscheinlichkeit, wieder zu spielen, nicht unerheblich von Äußeren Umständen abhängt - obwohl ich doch eigentlich ganz genau weiß, daß letztlich ich das Problem bin, und niemand sonst. Denn das merke ich ja immer wieder.

Jemand sagte vor ein paar Tagen im Chat, daß die 'Gefahr', wieder zu spielen, für ihn wohl deutlich höher wäre, wenn er Single wäre. Das sehe ich genauso, auch wenn das irgendwie unlogisch ist.
Ja, das ist recht absurd, denn zu Anfang meiner bisherigen Abstinenz war ich Single, und hatte auch sonst nicht mehr viel 'zu verlieren'. Ich würde trotzdem behaupten, daß es für mich nur ohne Beziehung überhaupt möglich war, dauerhaft trocken zu werden.
Von daher ist das irgendwie ein Widerspruch.
Erfahrungsgemäß sind viele meiner Ansichten von Außen betrachtet anscheinend widersprüchlich und schwer nachvollziehbar, auch weit über mein 'ungesundes Spielverhalten' hinaus.
Für mich selbst ist es aber nicht unlogisch, auch wenn es wohl so klingt.

Zitat von: Jacky1 im Thread "Hirnfunktion"
Was einen letztendlich zur Sucht trieb wäre schon interessant, wenn jenes auch wieder dazu führen könnte, wieder erneut zu spielen.

Im Gegensatz zu Fred kam es bei mir bei einigen wenigen vergangenen Situationen gelegentlich schon vor, daß ich das innere Gefühlschaos noch deutlich nachempfinden konnte, wenn mich etwas plötzlich daran erinnerte - auch zwei oder fast drei Jahrzehnte später. Das kommt selten vor, aber wenn, dann ziemlich überraschend, und gilt ganz besonders für 'Negatives'. Hilflosigkeit, Überforderung, Unsicherheit... und ja, auch Angst. Er hat aber absolut recht damit: Ich kann es nicht ändern, und es hilft mir nicht weiter. Denn ich bin kein Kind mehr - und auch kein aktiver Spieler; weder abhängig, noch hilflos. Heute habe ich daher ganz andere Möglichkeiten. Diesen Freiraum habe ich mir geschaffen, und das ist gut und wichtig.
Ich habe auch nie nach einem Grund gesucht, da ich mir ziemlich sicher war, daß dies ein fruchtloses Unterfangen wäre.
Es gibt keinen Grund, nein. Keinen Greifbaren oder Spezifischen, kein 'Schlüsselereignis'.
Dennoch gibt es Dinge, die nicht passieren sollten. Sonst habe ich ein 'Problem'.
Denn ich bin nunmal ich. Gefangen in meinem eigenen Kopf war ich schon immer mein unberechenbarster Gegner.

Es gibt Menschen, die würden mir Dinge abnehmen, oder mir helfen. Jederzeit. Ich müßte ihnen nur sagen, wie und wobei. Das zu wissen ist beschämend und ermutigend zugleich. Die Scham ist das, was mir im Weg steht.
Im Gegensatz zu früher kann ich die Frage nach dem 'Wie' heute manchmal sogar beantworten. Mir selbst zumindest. Das ist immerhin etwas, und es hilft schon sehr. Wenn ich schon nicht um Hilfe bitten kann, weiß ich wenigstens, wie ich mir selber gewisse Dinge einfacher machen kann.
Kleine Schritte.
Denn ja, Kausalitätsketten gibt es immer, sich dem komplett zu entziehen ist nicht möglich.

Vorgestern hatte ich eine Unterhaltung über gewisse Adjektive, die man in Bewerbungen verwendet (meine Schwägerin ist gerade auf Jobsuche). Meine bessere Hälfte las ihre Bewerbung, und fragte mich: "Mhh... Schließen sich 'selbständig' und 'teamfähig' nicht gegenseitig aus?"
Ich meinte nur: "Könnte man meinen, ja. Bei mir wäre 'teamfähig' auch tatsächlich eine ziemlich dreiste Lüge. Trotzdem geht es nie ganz ohne, nirgendwo reicht 'selbständig' allein aus. Daher ist auch immer beides gefragt. Je nach Situation sind die Anforderungen an verschiedene Aufgaben ja unterschiedlich."
Beide nickten.
Meine Schwägerin schob dann noch lachend ein, es stimme schon, von den eigenen Kollegen genervt zu sein zeuge nicht gerade von 'Teamfähigkeit'. Ich habe davon abgesehen, ihr zu erklären zu versuchen, daß der Grund dafür bei Weitem nicht so simpel ist. Das ist mir zu anstrengend, und ihre Meinung nicht relevant genug, den Versuch zu unternehmen.

Aber ja, ich bin kein 'Teamplayer', allein bin ich besser darin, Probleme zu lösen - allerdings auch ein Meister darin, sie überhaupt erst zu schaffen. Mich auf mein Bauchgefühl zu verlassen führt erfahrungsgemäß doch eher selten zum Erfolg. Das macht Offenheit notwendig, wenn das Miteinander gelingen soll. Zumindest bei nahestehenden Personen.
Das zu verstehen hat sehr lange gedauert, und die Umsetzung ist alles andere als einfach.

Doch auch wenn es, so wie es ist, besonders momentan oft anstrengend für mich ist, schätze ich die Gefahr, wieder zu spielen, zum jetzigen Zeitpunkt als sehr gering ein. Denn meine Bemühungen sind nicht einseitig, ich bekomme etwas zurück. Und ich verlasse meine Komfortzone, wenn ich es unbedingt muß. Nützt ja nichts.

Mhh... lange Rede, kurzer (oder eher gar kein) Sinn. Sorry für den Roman.

Ich gehe besser schlafen. Gute Nacht. :)
  • IP logged
 
Folgende Mitglieder bedankten sich: Andre12, Jacky1, medea888, Allesaufanfang

T

Taro

Re: Ich bin verantwortlich
#164: 01.09.2021 22:11:06
Verantwortung übernehmen und auch bei Gegenwind dazu stehen. In Zeiten von Corona eine Herausforderung. Ob ich will oder nicht, es bilden sich verhärtete Lager, die ich sonst so nicht kenne. Ich habe im Bekanntenkreis Freunde die sich nicht impfen oder testen lassen. Grundsätzlich kann ich ja entscheiden ob ich mit solch einer Person in einem Raum sein möchte oder nicht. Trotzdem entstehen da immer wieder Diskussionen drüber und von einigen kommt neben den Unverständnis darüber einfach andere zu gefährden, richtiger Hass auf die Person durch.
Jetzt haben wir auch noch im Meeting eine Person die sich nicht testen lässt. Das wiederum kann das komplette Meeting crashen. Was für ein Mist.
Um das ganze noch auf die Spitze zu treiben, haben wir entschieden unsere Kinder nicht impfen zu lassen. Die Entscheidung stammt noch aus der Zeit, als die Stiko keine Empfehlung für Kinder ausgesprochen hat. Jetzt ist die Empfehlung ausgesprochen, aber auch um der Politik entgegen zu kommen wie die Impfkomission sagt.
Doof ist jetzt, daß die Kids durch das nicht geimpft sein teilweise ausgeschlossen werden.

Was ist richtig, was ist falsch. Wieviel Toleranz kann ich anderen entgegen bringen, wo muss ich stop sagen, weil Sie mir schaden könnten. Auf all die Fragen gibt es keine Eindeutigen Antworten. Und alle möglichen Antworten werden vom Umfeld gegeben. Für Selbsthilfegruppen ist die Einigkeit bei solchen grundsätzlichen Fragen die Grundlage der Genesung. Da wo es bis jetzt immer möglich war, ist jetzt zumindest Irritation.

Ich bin mir heute in vielen Dingen des Lebens sehr sicher. Bei der Corona Frage, den Umgang mit meinen Mitmenschen die sich nicht testen lassen wollen, bin ich es nicht. Ich bin da in einen fließenden Prozess, wo ich immer wieder nachjustiere. Wo es immer wieder neue Erkenntnisse gibt.
Was wird Jesus machen, ist für mich eine Sichtweise, wo ich zumindest nie den Menschen wegen der "Sache" aus den Blick verliere.
Taro
  • IP logged
 
Folgende Mitglieder bedankten sich: amTiefpunkt, Jacky1

 
Nach oben