Spielsucht Soforthilfe Forum (SSF)

Spieler & Angehörige => Angehörige => Thema gestartet von: Jules am 21.05.2020 01:21:07

Titel: When you`re gonna make up your mind...
Beitrag von: Jules am 21.05.2020 01:21:07
...when you`re gonna love you as much as I do?

Das ist eine Zeile aus einem Song von Tori Amos, und ich weiß nicht mehr, wie oft ich den im Kopf hatte, wenn ich neben meinem Mann lag, ihn anschaute und mich genau das fragte: Warum verachtest du dich selbst so, warum tust du dir immer und immer wieder Dinge an, die man niemandem antun sollte?

Seit Montag ist mir die volle Tragweite eines weiteren Selbstzerstörungstrips meines Mannes klar geworden, als ich nämlich von unserem gemeinsamen Konto etwas überweisen wollte.

100 Euro Abbuchung, am selben Tag noch mal 100, dann 150. Einen Tag vorher: 500. 250. Noch mal 500. Ich habe gescrollt und gescrollt, kein Ende in Sicht. Ein paar Eingänge, 2000 Euro hier, noch mal so viel ein paar Tage vorher, aber bei Weitem nicht so viele wie Ausgänge. Insgesamt, nach meiner ersten Überschlagsrechnung, über 12.000 Euro, dann noch mal über 4.000 Euro Kreditkartenabrechnung. 11.000 Euro Eingang vor zwei, drei Wochen.
Ich erinnere mich: Das war der Tag, an dem er mir sagte: Ich weiß, wie die Maschinen funktionieren. Ich kenn die Algorithmen. Die 15.000, die ich vorher verspielt habe, die wollte ich zurückhaben. Es ist nicht das ganze Geld wieder da, aber jetzt ist alles wieder gut.

Ich erinnere mich, noch einmal drei Tage vorher: Wir gehen spazieren, setzen uns auf eine Parkbank, er möchte mir etwas sagen, was ihm sichtlich schwerfällt, schafft es nicht, drückt mir schließlich sein Handy in die Hand, am Display ist sein Blog zu sehen, den er im Rahmen seiner Therapie begonnen hat. Drin steht: Er spiele wieder. Habe hohe Summen gesetzt, natürlich alles verloren. Es steht was von Scham und Schuldgefühlen drin, von Verzweiflung und der Unfähigkeit, mir, seiner Frau, alles zu erzählen.

Wieder drei Tage vorher: Es ist Wochenende, wir haben eine Unternehmung vereinbart. Sie findet nicht statt, er ist müde, er kann nicht, alles nicht zum ersten Mal. Ich sage ihm, dass wir uns verlieren, dass die Distanz zu groß wird ? er meint, nein, er käme schon wieder auf mich zu, er brauche nur Zeit. Ich sehe den Schock in seinem Gesicht, als ich ihm sage: Ja, das mag schon sein. Aber ich komme dann vielleicht nicht mehr raus aus der Distanz.

Das halbe Jahr vorher: Ein Wechselbad aus Distanz und Nähe, Rückzug, Schlaflosigkeit, Überarbeitung und Flucht in Essen, PC-Spiele, Sprachlosigkeit.

Und jetzt, seit Montag, seit ich die Zahlen rot auf weiß am Konto gesehen habe, der völlige Ausnahmezustand.

Wir kennen uns schon lange, er hat mir vor Jahren erzählt, dass er gespielt habe, hohe Summen verloren. Damals waren wir noch kein Paar, ich weiß nicht mehr, was ich gedacht habe, als er mir das erzählte ? rückblickend habe ich es scheinbar nicht so ernst genommen. Heute denke ich: Wie auch? Wenn er es mir damals so beiläufig, so distanziert erzählt hat wie jetzt zwei, drei Freunden ? wie hätte ich das auch anders auffassen sollen als eine Lappalie, einen Ausrutscher, und im Übrigen: Längst erledigt und vergessen?

Seit zwei Jahren sind wir verheiratet, haben ein gemeinsames Konto und gemeinsam einen Kredit aufgenommen, wir haben ein Haus gekauft. Bis Montag dachte ich noch, alles ist gut, sogar die Beichte auf der Parkbank hat mich noch nicht umgerissen ? ja, das Geld ist weg, aber mit der Pufferzone, die wir haben, und mit all der Liebe zwischen uns ? das geht sich alles noch aus. Die 11.000 Euro Gewinn ein paar Tage später, die haben mich dann hellhöriger werden lassen ? wie kann man, wenn man so viel verloren hat, das nicht vorhandene Geld wieder setzen?

Und der Blick aufs Konto hat mir schließlich endgültig die Augen geöffnet ? gar nicht einmal so sehr über ihn, sondern über mich.
Wie kann ich, eine intelligente, erwachsene Frau, nur so naiv sein?  Noch dazu, wo ich im Sozialbereich arbeite, täglich mit Menschen in Ausnahmesituationen zu tun habe, Begriffe wie Co-Abhängigkeit, Suchtdruck und was weiß ich noch alles keine Fremdwörter für mich sind.

Drei Tage später, nach viel Lesen im Forum, nach Gesprächen mit Freunden (denen er sich anvertraut hat ? teilweise vor mir), und vor allem nach Gesprächen ? oder Gesprächsfragmenten ? mit meinem Mann, nach einer Fast-Eskalation heute Nachmittag, als es vorbei war mit meiner selbstauferlegten ?Ich bin so reflektiert und im Notfallmodus? ? Scheiße, jetzt sitze ich hier und schreibe euch, was passiert ist und wie ich mich fühle. Das zu tun, kostet mich große Überwindung ? ich bin sonst in keinen Foren, keinen Social-Media-Plattformen, unterwegs, und ich fühle mich grade, als ob das Präsentieren der ganzen Geschichte diese noch trivialer und elender macht, als sie sowieso schon ist.

Denn das Schlimmste an der Sache ist nicht das Geld, auch nicht der Vertrauensverlust. Das Schlimmste ist für mich, dass ich grad die einzige von uns Beiden bin, die so etwas wie einen realistischen Blick für die Sache hat.

Denn: Ich habe das Gefühl, er denkt, mit dem Erzählen dessen, was geschehen ist, wäre es getan. Er macht seit einem halben Jahr eine (Online)-Therapie, hat aber in dieser Zeit immer gespielt ? obwohl er die Beratung dezidiert wegen seines Rückfalls begonnen hat.
Er sagt, er möchte mit mir reden, mir erklären, was los ist, aber erst, wenn er sich sortiert hat. Er sortiert sich im Blog, den er mir zwischendurch immer wieder angeboten hat, zu lesen ? den aktuellen Eintrag aber nicht. Dass ich das möchte, empfindet er als übergriffig.
Er hat mir am Montag seine Bank- und Kreditkarte übergeben und sich für das gemeinsame Konto sperren lassen ? das ging von ihm aus, und ich war so perplex, dass ich es erst einmal hingenommen habe, ohne mit ihm auszumachen, für wie lange das so sein soll, welche Notfallszenarien eingebaut werden müssten.
Die Gespräche drehen sich im Kreis, sind doppeldeutig: Er schämt sich und hat Schuldgefühle, gleichzeitig sagt er, ich würde mich viel zu sehr in die Materie einlesen, eindenken und einfühlen, alles würde gut werden.

Ich habe ihm gesagt, ich brauche Hilfe und Beratung für mich und habe mit einer Therapeutin einer SHG telefoniert, die mir angeboten hat, mit meinem Mann gemeinsam an einem Wochenende zum Gespräch zu kommen, ich solle mich bei ihr melden, ob er das auch wolle.

Als ich ihm das mitgeteilt habe, war die Antwort, er müsse sich das überlegen, er könne jetzt noch nicht darüber reden, schon gar nichts entscheiden. Ich wollte ein Zeitfenster, bis wann er es mir sagen kann, und er nannte mir den 30. Juli. Ich habe nachgefragt, weil ich es für einen (sehr schlechten) Scherz gehalten habe ? aber es war kein Scherz.

Daraufhin war meine Selbstbeherrschung vorbei, meine ach-so-tolle Selbstreflektion und die Meta-Ebene, und ich habe ihn angeschrien, dass MICH ja auch keiner gefragt hat, ob ich von jetzt auf gleich alles, was ich für die Realität gehalten habe, gegen das, was ich jetzt habe, eintauschen möchte..? Ich hatte keine Vorlaufzeit, keine Auswahlmöglichkeit.

Ich glaube, in dem Moment habe ich verstanden, dass er die Realität weiterhin nicht sieht. Er hat unglaubliche Schuld- und Schamgefühle, er sagt, er versteht, dass er mich in eine Situation gebracht hat, in die er mich nicht hätte bringen dürfen, aber: ich würde mich zu sehr ins Thema reinsteigern. Es würde ihn so verletzen, wenn ich über den Vertrauensverlust, den ich durchlebe, rede. Dass er es schwer aushalten würde, wenn ich so distanziert, im ?Arbeitsmodus? bin ? für mich momentan die einzige Möglichkeit, bei mir zu bleiben, mich nicht zu verlieren, nicht den Verstand zu verlieren.

All die Nächte, in denen er am Sofa oder im Büro allein online gezockt hat, ich oben im Schlafzimmer. Wo war da sein Vertrauen in mich, dass er zu mir gehen kann, mich aufwecken, mir sagen: Hilf mir, der Suchtdruck ist zu groß, ich spiele? Das ist das Schlimmste für mich, die Vorstellung dieser einsamen Zeit, allein vor dem PC, allein in irgendeinem Online-Casino.

Und dann das Lesen im Forum, die Schonungslosigkeit, mit der mir hier vor Augen geführt wird, welche Lügen, welche Geheimnisse, welche Ungeheuerlichkeiten die Begleiterscheinungen von Spielsucht sind. Die Parallelen, das Buchführen über die Gewinne und Verluste, die Verleugnung, die Bagatellisierungen, die Versprechen und Ausreden, mit denen die Angehörigen hingehalten werden. Das Zuschieben von Verantwortung an alle, nur nicht den Spieler selbst. Die vielen Zeilen von Schuld, Scham, Verzweiflung, von Geheimnissen und Tabus.

Heute ein Gespräch mit einem Freund, der mit einem spielsüchtigen Vater aufgewachsen ist und später im Casino gearbeitet hat. Die Geschichten, wie er mit der Brieftasche unter dem Kopfpolster schlafen gegangen ist, damit er nicht an sein Geld kommt, und wie die Brieftasche in der Früh trotzdem leer war. Die Lügen, die der Vater immer und immer wieder erzählt hat, um an Geld zu kommen. Die Geschichten von Frauen, die in sein Casino kamen und ihn angefleht haben, ihren Mann das nächste Mal, wenn er zu den Automaten geht, rauszuwerfen.

Nein, wir sind nicht am Rande des Ruins, und nein, ich habe noch keine jahrelange Leidensgeschichte aus Lügen und Hinhalten hinter mir ? es sind gerade einmal drei Tage. Aber alle Zeichen stehen auf Alarm, und ich, die es gewohnt bin, die Ärmel hochzukrempeln und mir im Bedarfsfall Hilfe zu suchen, Öffentlichkeit herzustellen, ich sitze hier in der Nacht am Küchentisch und schreibe einen Roman über mich, in dem Gefühl, über eine Fremde zu schreiben.
Meine einzige Chance ist, bei mir zu bleiben, mich zu sortieren, nicht Teil des Wahnsinns zu werden und vor allem mir nicht meine Wahrnehmung verschleiern zu lassen.

Und ich habe mit keinem Wort bisher über all das geschrieben, was meinen Mann eigentlich ausmacht, was ihn so liebenswert macht, was ihn so einzigartig macht. Ich mache ihm keinen Vorwurf über das, was er getan hat, ich akzeptiere, dass die Sucht ein Teil von ihm ist, und ich respektiere, achte und liebe all das, was er abseits dieser Sucht ist. Aber sein süchtiges Verhalten jetzt, nachdem er mir alles erzählt hat, zu unterstützen, käme Wahnsinn gleich. Und dass ich die Sucht als einen Teil von ihm akzeptiere, ist ein Anfang, aber mehr nicht: Er muss die Sucht auch sehen, entsprechend handeln, die Verantwortung übernehmen.

Ihr Lieben, die ihr den Roman bisher durchgehalten habt: Danke fürs Lesen. Es hat gutgetan, sich das Gröbste von der Seele zu schreiben.

Eure Jules

Titel: Re: When you`re gonna make up your mind...
Beitrag von: Andre12 am 21.05.2020 09:22:45
Hallo Jules,
Danke das Du uns an Deine Gedanken teilhaben lässt. In den Aussagen Deines Mannes erkenne ich mich wieder. Nachdem ich meiner Partnerin es erzählt habe, hat es noch 3 Jahre gedauert bis ich es mir selber eingestanden habe. Es ist schön das Du zu Deinem Mann stehst und auch wie sehr Du Dich bereits mit dem Thema Spielsucht auseinander gesetzt hast . Hut ab . Ich bin der Meinung letzten Endes kannst Du ihn nur begleiten. Das Aufhören wollen muss von ihm kommen , sonst geht es alles so weiter . Druck auf einen Spieler auszuüben bringt meistens nix. Klar hat er ein schlechtes Gewissen und Schamgefühle und ich hätte auch alles versprochen was meine Partnerin hören wollte . Nur gebracht hat es nix. Und ich überlege was meine Partnerin damals hätte machen können ... es fällt mir nix ein . Ich habe über 30 Jahre gespielt und brauchte einfach meine Zeit um endlich aufhören zu können ( sind jetzt 80 Tage )
Du bekommst hier bestimmt noch ein paar Anregungen.

Lg André12
Titel: Re: When you`re gonna make up your mind...
Beitrag von: Taro am 21.05.2020 09:45:27
Moin Jules und Herzlich Willkommen!

Du arbeitest in einem sozialen Bereich, Begriffe wie Co-Abhängigkeit sind Dir nicht fremd und Du hast auch kein Problem Dich selber anzuschauen, das ist schon mal ein sehr guter Anfang.
Das Thema bist hauptsächlich Du, darum nur zu Beginn ein paar Worte zu Ihm. Online Therapie ist wasch mich aber mach mich nicht nass. Genauso wie online Foren. 8ch kann mich wunderbar verstecken. Spielfrei werden dadurch nur sehr wenige. Es braucht Tränen gleichgesinnte die mich auffangen es braucht Wut, Trauer, Angst und Freude und Menschen die den Weg auch gegangen sind oder gehen. Jetzt in corona Zeiten gibt es keine Selbsthilfegruppen, wie die Therapieeinrichtungen das handhaben Weiss ich nicht, aber da ist der Weg.
Der Termin den er genannt hat ist natürlich ein Witz, Deine Reaktion Klasse. Gebe Ihn keine Luft. Stelle Forderungen und führe Ihnen die Konsequenzen bei Ablehnung vor Augen.
Andre hat gesagt man kann einem Partner nicht helfen, das sehe ich anders. Nur nicht mit Freundlichkeit und Verständnis. Ich drücke es bildlich so aus, wenn Du Ihn raus schmeißt und er nach einer kalten Nacht wieder an der Tür klopft, er die Nacht auf der Fußmatte verbringt, dann öffne nur aus einem Grund die Tür, nur um noch mal ordentlich in Ihn reinzutreten.
Das soll keine Aufforderung zur Körperlichen Gewalt sein, nur bildlich für eine kompromisslose Härte sein. Wenn er dann wirklich etwas unternimmt, eine stationäre Therapie beginnt, dann kannst Du Ihn auf diesem Weg wieder unterstützen.
Ich bin hellhörig geworden, als Du sagtest er hat Dir freiwillig die Kontovollmacht gegeben. Irgendwo so vermute ich hat er noch einen Zugang zu Geld, vermutlich sogar zu eurem. Zu seinem sonstigen Verhalten passt das sonst nicht.

Die Beratungsstellen sind natürlich auch für Dich da. In Hamburg gibt es auch eine Selbsthilfe Gruppe der Angehörigen von den Anonymen Spielern GA. Im Rest Deutschland gibt es gelegentlich offene Spieler gruppe, wo auch Angehörige Teil nehmen.

Ich wünsche Dir viel Kraft.
Taro
Titel: Re: When you`re gonna make up your mind...
Beitrag von: Jacky1 am 21.05.2020 16:47:42
Hallo Jules,

"alles wird gut werden" ..... mein Croupier sagte immer zu mir "rien ne va plus", er meinte wohl das Gleiche.
Du bist hier und nicht er, Du machst Dir Gedanken und Dir geht es nicht wirklich gut.
Für einen liebevollen Ehemann kann man sicherlich durch das lodernde Feuer gehen, oder sich halt damit abfinden...er wird sich wohl schon wieder besinnen.....er ist ja an Deiner Seite und man geht durch dick und dünn..... kenn ich.  :)

Du bist ja nicht gerade Unwissend und denkst die Tragweite seiner Selbstzerstörung zu kennen, nun gut.
Viel wichtiger empfinde ich, ob du der Tragweite Deiner selbst bewusst bist ?
Da ist jetzt nichts mehr mit...ich habs ja nicht gewusst usw, nun bist Du dabei!
Stehst selbst in einer Verantwortung, wie es nun mit Euch beiden weitergehen soll.

Eigentlich würde es mir viel leichter fallen, ihm Ratschläge zu geben oder mögliche Wege zu zeigen.
Dies müsste ich gar nicht groß erwähnen, es würde reichen ihm von mir zu erzählen.
Doch anscheinend kennt er ja solche Dinge auch schon.   

Da kannst Du Dir Hilfe und Zuspruch suchen für Dich, so viel es auch nur ginge.
Mit abschließend etwas umzugehen können ändert ja nicht die eigentliche Ursache.
Es geht nicht darum sich immer wieder zu fragen, warum der Partner solche Dinge macht.
Sondern sich zu hinterfragen, was könnte ich tun dass es sich endlich ändert ?
Ich drücke Dich virtuell ganz fest und lege Dir auch meine Hand auf, Zuspruch und Verständnis so viel ich auch nur geben kann.
Sogar Dein Ehemann steht dabei wohl fest und nickend an meiner Seite.
Liebe Jules, solche Dinge sind sicherlich auch wichtig, doch sie verändern rein gar nichts.

Ich reiß Deinen Mann nun sicherlich nicht rein  :), war ja auch wesentlich "schlimmer" als er es wohl je sein könnte.
Er muss es begreifen, von was Tori Amos doch eigentlich singt!
Er ist verantwortlich für Deine negativen Gefühle dabei.
Es ist jetzt 5 vor 12, um 12 läutet der Glockenschlag eventuell das letzte Vertrauen in den Wind.
Zeige ihm diese Uhr, die Uhr eurer gemeinsamen Zukunft.

Unglaublich wichtig dass Du hier geschrieben hast, davon berichtest und Dich mitteilst.
Offen und ehrlich, er muss es auch wieder werden...offen und ehrlich und Du...
lebst es ihm vor!

Kopf hoch und bleibe nicht stehen

Liebe Grüße von ganzem Herzen

   


   

     
         
Titel: Re: When you`re gonna make up your mind...
Beitrag von: Jules am 21.05.2020 21:43:49
Lieber Andre, Jacky, Taro,

ich danke euch für eure Gedanken, eure Zeit und euren Zuspruch! Heute war ein intensiver Tag - dementsprechend erschöpft bin ich...

Am Vormittag waren wir noch so weit, dass wir über Auszug, eigene Wohnung, Kontentrennung gesprochen haben. Vieles von dem, was in den letzten Tagen gesagt wurde, war für uns beide jeweils ein Schlag in die Magengrube, und wir haben es grandios geschafft, in unserer eigenen Verletzung dem anderen auch noch jeweils eine reinzuwürgen.

Taro, ich habe ja vor meinem eigenen Eintrag im Forum quergelesen, in einem deiner Beiträge habe ich den letzten Anstoß gefunden, hier zu schreiben: Es ging um deine Geschichte mit dem Spieltisch in deiner eigenen Wohnung. Du hast so klar deine Gefühle des nicht-ernst-genommen-werdens, des nichts-sagen-könnens beschrieben, und ich habe mich davon sehr berührt und angesprochen gefühlt. Ich weiß, dass mein Mann sich auch oft so fühlt. Heute konnten wir darüber sprechen, ich konnte es zuerst überhaupt nicht annehmen, war wütend, dass mir (aus meiner Sicht) nun auch noch mein Verständnis, mein Respekt ihm gegenüber angekreidet wird - denn wenn er etwas sagt, oder etwas nicht will oder kann, dann habe ich das bisher immer akzeptiert (so wie auch du, Andre, schreibst: Mit Druck geht gar nichts).
Es hat eine Weile gedauert, bis ich verstanden habe, dass es ihm nicht darum geht, dass ich falsch agiere, dass ich mich ändern soll (denn das habe ich rausgehört, und es war unglaublich verletzend), sondern dass es um ihn geht - um sein Gefühl, dass er er kein Recht darauf hat, mitzubestimmen, seine Meinung zu sagen. Sie dann nicht sagt, und dann nicht damit zurecht kommt, wenn über ihn bestimmt wird, wenn er nicht gehört und gesehen wird.

Ab da habe ich es dann verstanden...erst sehr langsam, dann aber mit voller Wucht. Denn ich kenne das Gefühl doch auch, mein Thread beginnt doch so: Ich liege da, wir sind zusammen, und ich fühle mich trotzdem allein, weil jeder von uns in seiner Welt gefangen ist.

Ich habe einfach das Glück, dass meine Mechanismen, mich zu schützen, mein Innerstes zu bewahren, um so Vieles sozialverträglicher sind als seine Rückzugstendenzen. Ich flüchte mich eben in die Arbeit, diverse Projekte, renoviere Irgendetwas, baue den Garten komplett um. Und ja, nicht alles davon sind Fluchttendenzen, es liegt mir einfach, aber manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich drauf hoffe, dass es jemand sieht, dass mir jemand sagt, wie super ich das alles gemacht habe, und es ist kein normaler Wunsch nach Anerkennung, sondern etwas, das tiefer liegt.

Heute sind die Dämme gebrochen, von der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit haben wir es geschafft, wertschätzend miteinander zu reden, und es auszuhalten, dass wir uns, jeder für sich, klein, schwach und hilflos fühlen dürfen, und die Welt dreht sich weiter. Mehr noch, mein Mann zeigt nicht mit dem Finger auf mich und lacht mich aus, weil ich verzweifelt bin, sondern fängt mich auf, und ich kann dasselbe für ihn tun.

Wir sind, was die tatsächlichen Themen betrifft, noch keinen Schritt weiter - aber das ist für heute und vielleicht auch morgen ok so. Was wir heute geschafft haben, ist, wieder eine gemeinsame Sprache zu finden, uns wieder zu spüren, unsere Liebe wieder zu spüren, zu erkennen, dass jeder von uns an sich und wir gemeinsam an uns arbeiten müssen.

Wie das im Detail aussieht, werden wir herausfinden, welche Erkenntnisse über uns noch hinter der nächsten Wegbiegung auf uns lauern, auch -

Ach ja: https://www.youtube.com/watch?v=_PDlGUdDF8Y

Jules
Titel: Re: When you`re gonna make up your mind...
Beitrag von: Jacky1 am 21.05.2020 22:40:02
Hallo Jules,

Ich habe einfach das Glück, dass meine Mechanismen, mich zu schützen, mein Innerstes zu bewahren, um so Vieles sozialverträglicher sind als seine Rückzugstendenzen.

Das Eine durch das Andere zu ersetzen, gibt dem Symptom nur eine andere Bezeichnung.

Ihr haltet zusammen und geht gemeinsam diesen Weg, finde ich gut.
Es steht mir nicht zu es zu rügen, auch nicht dass Du Dich auf die gleiche Stufe stellst.
Nun gut, wenn schon...dann aber auf Augenhöhe.
Wo kämen wir auch alle hin, würden wir immer die äußerste Konsequenz wählen.

Gebt nicht auf, beide nicht.

Liebe Grüße   
Titel: Re: When you`re gonna make up your mind...
Beitrag von: Jacky1 am 22.05.2020 10:16:18
Hallo Harald,

@jacky: wie haste es ejentlich mit de Trinkgeld an de Croupiers gehalten?

Ich gab jeweils immer den angemessenen Betrag.  :)
Allerdings war die Erwartungshaltung der Croupiers schon immer etwas lästig.

Ich gebe Dir nun einmal ein Danke unter Deinen Beitrag, nicht dass es eine besondere Auszeichnung wäre.  :)
Doch hinter Deinem Dialekt und sonstigem steht ja ein pathologischer Spieler der einen Weg gefunden hat.
Auf seine Art sich Mitteilt und im Grunde auch in vielem recht hat.

Grüß Dich             
Titel: Re: When you`re gonna make up your mind...
Beitrag von: Taro am 22.05.2020 10:52:49
Moin Jules,

der schöne Beitrag mit dem Spieltisch in der Wohnung war nicht von mir sondern von TAL, nur zur Richtigstellung.
Um es für mich und andere greifbarer und erklärbarer zu machen teile ich mich in zwei Personen. Einmal der der ich ohne das Spielen bin, und einmal den Spieler. Ich habe den Spieler in mir Eugen genannt. Nun Eugen hat nur ein Interesse, er will mich zum spielen bringen. Dabei ist ihm ausnahmslos jedes Mittel recht. Auch nach einigen Jahren Spielfreiheit ist Eugen noch immer da, er meldet sich selten, doch er meldet sich regelmäßig. Eugen ist ja ein Teil von mir, er Weiss genau wo meine Schwächen sind und er hat für mich offensichtlich Zugang zu meinem Unterbewusstsein, weil er Weiss immer wieder Schwachpunkte von mir die ich selbst noch nicht kannte.
Der einzige gangbare Weg im Umgang mit Eugen ist, mit Ihm nicht zu diskutieren, Eugen ist mir in der Diskussion überlegen. Am Ende finde ich mich am Spieltisch wieder. Eugens einziges Interesse ist eben mich zum spielen zu bringen. Mit der Planung füllt Eugen 100% seiner Aufmerksamkeit. Ich habe heute wieder ein tolles Leben, darum habe ich nur begrenzte Kapazitäten Eugen abzuwehren. Der einzige Weg für mich daher, keine Diskussionen mit Eugen. Meldet er sich, schicke ich Ihn kommentarlos zurück ins Körbchen. Das heißt, ich gehe mit Eugen Niemals auf Augenhöhe.

Bei einem Nassen Spieler ist es nun so, daß Eugen das sagen hat. Immer wenn sich der nicht Spieler meldet, wird der von Eugen zurück ins Körbchen geschickt. Ein aktiver Eugen hat nur ein Interesse. Partner Freunde und Bekannte werden nur dafür genutzt weiter spielen zu können. Auch und gerade im emotionalen Miteinander ist er in der Lage die feinsten Schwingungen aufzunehmen und in seinem Sinn zu manipulieren.

Was Jacky geschrieben hat gilt auch für mich, es steht mir nicht zu es zu rügen, aber doch möchte ich vor der Gefahr warnen sich mit einem Eugen auf Augenhöhe zu unterhalten oder schlimmer noch, sich von Eugen auffangen zu lassen.
Woran erkennst Du ob Du Deinen Partner oder Eugen vor Dir hast?

Dein Partner wird alles, aber auch wirklich alles tun um aus dem Körbchen raus und Eugen rein zu bekommen. Nicht morgen sondern sofort. Kein Preis für die Freiheit wird dafür zu gross sein.

Taro
Titel: Re: When you`re gonna make up your mind...
Beitrag von: Jules am 22.05.2020 12:42:23
Lieber Jacky, lieber Taro!

Eure Beiträge bringen mich zum Nachdenken, danke.

Jacky, heute Früh habe ich dich gelesen und die Runde mit meinem Hund durch den Wald genutzt, um darüber zu reflektieren. Mein erster Impuls war: Jetzt muss ich schnell erklären, wie ich das gemeint habe, sonst werde ich noch missverstanden und alle glauben, ich schlittere gerade in die Co-Abhängigkeit rein. Mein zweiter Impuls war: Ja, aber tust du das nicht tatsächlich?

Ich habe ein paar Alarmglocken bimmeln gehört, deinerseits. Ja, wir kennen uns nicht, aber du kennst die Sucht und die Mechanismen und, so nehme ich an, die Versuche der Angehörigen, damit zu Rande zu kommen.

Was ich sehr schön finde, ist dein Ausdruck "auf Augenhöhe". Ich denke, es ist essentiell für uns gewesen, uns emotional wieder auf Augenhöhe zu bringen - meinen Mann und mich, nicht die Sucht, die ich als dritte Person in unserer Ehe empfinde. Die Schieflage, die durch diese dritte Person da ist, die können wir durch diese Augenhöhe wohl überhaupt erst wahrnehmen.

Nachdem ich wieder daheim war, hatten wir jetzt noch ein Gespräch, wieder sehr anstrengend, aber eben auf Augenhöhe - emotional. Für mich heißt das: Wir beide haben unsere Defizite und Verletzungen, aber wir sind noch die Menschen, in die wir uns verliebt haben und die den Wunsch haben, ihr Leben miteinander zu verbringen. Von dieser Basis aus kann ich meinen Mann mit meinen Sorgen und Ängsten konfrontieren, und auch - wertfrei, ohne ihn als Mensch in Frage zu stellen - mit meinem Gefühl, dass es noch viel mehr Konfrontation und Arbeit und Erkenntnis brauchen wird, um die Sucht überhaupt einmal wahrzunehmen.

Taro, vorab einmal: Entschuldige, dass ich dich verwechselt habe!
Zu dem, was du sonst schreibst, kann ich mich nur fragen, ob du vielleicht eine Kristallkugel hast... nachdem ich Jackys Beitrag gelesen habe und während ich mit meinem Mann gesprochen habe, hast du wohl deinen Beitrag verfasst, der so ziemlich das wiedergibt, um was es sich in unserem Gespräch (auch) gedreht hat, und vor allem hast du es geschafft, das, worüber wir teilweise um Worte ringen, auf den Punkt zu bringen.
Nein, mit Eugen wird nicht diskutiert. Und genau darum ging es gerade... woran erkenne ich, ob ich mit Eugen spreche oder mit meinem Mann? Aktuell ging es darum, dass ich ihn darauf ansprechen und konfrontieren soll, wenn mir auffällt, es läuft wieder aus dem Ruder (egal, ob es um Spielen geht - was derzeit sehr eingeschränkt, da kein Zugriff auf Geld da ist, bzw. nur mit Hürden). Klingt ganz nett, im Optimalfall, in der Ponyhof-Welt wird mein Mann dann ganz reflektiert sagen: Oh, danke für den Hinweis, das ist nett von dir, gut dass du es erwähnst, grade drifte ich wieder in Verhaltensweisen ab, die mir nicht gut tun.
In der Realität ist damit zu rechnen, dass er auf meine Konfrontation pfeift, weil eben grad Eugen am Steuer sitzt.

Eine meiner größten Fragen im Umgang mit der jetzigen Situation ist: Wie kann ich es schaffen, meine Bedürfnisse, Ängste und Wünsche in der Balance zu halten? Dass ich berufliches Vorwissen habe, ist Fluch und Segen zugleich. Wäre mein Mann, oder wir beide, mein(e) Klient(en), wüsste ich, was ich zu tun hätte; ich würde begleiten und konfrontieren. In meiner Rolle als Ehefrau kann ich Beides nur bedingt, und noch dazu stellt sich die Frage: Wer begleitet und konfrontiert mich?

Hilfreich für mich wäre eine Beratung, sei es eine SHG, eine Therapie, was auch immer. Ich wünsche mir Draufschau und Input von außen, für beide. Und zwar vor allem, weil mein Mann - und damit habe ich ihn sehr wohl konfrontiert, dass das meine Meinung ist - noch immer denkt, er käme allein aus dem Schlammassel, welches im Übrigen nicht nur aus seiner Spielsucht besteht. Aus meiner Sicht ist der Versuch, es allein, und vor allem mit den altbekannten Strategien (und Eugen im Nacken!) zu versuchen, ein Spiel mit dem Feuer. Und zudem unfair mir gegenüber, weil es mich potentiell immer wieder in Gefahr bringt, die Nerven zu schmeißen, selbst durch sein Verhalten angetriggert zu werden und damit in Hilflosigkeit, Wut und Beschämung gestürzt zu werden.

Ich allein bin nicht stark genug, um Eugen konsequent zu ignorieren, mit mir spricht er zudem ja nicht einmal. Abgesehen davon gibt es nicht nur Eugen, sondern auch noch vier oder fünf andere Einflüsterer, die nichts anderes zu tun haben, als zu flüstern: Bleib noch eine Stunde länger vorm Computer. Spiel doch noch eine Runde mit den Jungs an deinem Onlinegame. Was macht denn schon noch ein Stück Schokolade. Bleib doch einfach länger wach. Ach, du musst nicht aufstehen und mit dem Hund rausgehen, deine Frau macht das alleine. Geh einfach schlafen am Nachmittag, gestern war`s wieder spät, nur eine Stunde - du kannst dann ja auch in der Nacht arbeiten. Oder gamen. Oder zocken.

Diesen Eugens mit den eigenen Mitteln zu widerstehen stelle ich mir, beim besten Willen, unmöglich vor. Denn die eigenen Mittel und Strategien haben es den Eugens ja überhaupt erst ermöglicht, so stark zu werden.

Und im Übrigen habe ich auch meine Eugens zwischengeparkt bei mir, so ist es ja nicht... Taro, du hast völlig recht, anders, als diesen Schweinehund konsequent ins Körbchen zu schicken geht es nicht.

Harald, zu deinen Fragen: Nein, das Haus gehört uns (bzw. der Bank) zu gleichen Teilen. Und ja, er ist bereit auszuziehen und seinen Anteil am Kredit und den Erhaltungskosten weiter zu bezahlen. Aktuell ist das jedoch kein Thema.

Ich lese mir jetzt gar nicht mehr durch, was ich geschrieben habe - in Wahrheit, weil ich Angst habe, dann noch tausend Sätze hinzuzufügen, die erklären, erklären, erklären sollen, wie ich mich fühle, weil das eine meiner größten Ängste ist - dass ich nicht verstanden werde, egal, wie sehr ich es versuche...

...ich denke aber, ihr versteht, nur zu gut -

So long,

Jules

Titel: Re: When you`re gonna make up your mind...
Beitrag von: Jules am 22.05.2020 13:21:33
Eines noch, zum Thema Geld: Ich denke nicht, dass schneller Zugriff auf Geld, andere Konten etc. derzeit nicht* möglich sind. Es wäre aber ein Leichtes für meinen Mann, mit seinem Ausweis zu Bank zu marschieren und wieder Zugriff zu beantragen. Und selbst mir, als Nicht-Spielerin, fallen ad hoc drei Möglichkeiten ein, wie er zu Geld von unserem gemeinsamen Konto kommt, ohne auch nur vom Sofa aufstehen zu müssen.

Anyway. Das zu verhindern (oder es auch nur zu versuchen) liegt wahrlich nicht in meiner Verantwortung!

Jules

* ich habe das "nicht" hinzugefügt, weil es war, was ich schreiben wollte - vielleicht hat sich da aber ein Freud`scher Verschreiber eingeschlichen...
Titel: Re: When you`re gonna make up your mind...
Beitrag von: Jules am 22.05.2020 13:24:57
Und noch eins, Taro: Ja, ich denke, ich habe heute über Strecken mit Eugen gesprochen, nicht mit meinem Mann. Ob Eugen auch da war in Momenten und Gesprächsfetzen, als ich dachte, er wäre gerade stumm, weiß ich nicht.

Danke für dieses Bild, das hilft mir gerade sehr!
Titel: Re: When you`re gonna make up your mind...
Beitrag von: Fred am 22.05.2020 13:30:35
Ich mag diese "Eugen"-Darstellung nicht so, da es meiner Meinung nach deutlich komplexer ist.

aber:

Mein "Eugen" konnte mich absolut perfekt imitieren.
Aus heutiger Sicht war er smarter, wortgewandter, cleverer, witziger und vor allem deutlich intelligenter als ich.
"Eugen" konnte auf Befehl die herzerreissensten Dinge sagen, wusste welche Knöpfe gedrückt werden müssen und nutzte nicht zuletzt großzügige Mengen Tränen um Menschen zu überzeugen, wie gern Eugen doch "tot" wäre.

Ohne "Eugen" bin  ich heute nur noch ein langweiliger, relativ normaler Familienvater von 4 Kindern.
Auch wenn "Eugen" heute weg ist, so war doch zu seiner Zeit ich selbst dieser "Eugen"
Mit allen Konsequenzen war ich dieses verlogene, manipulierende, verletzende und Kindervernachlässigende und auch kriminelle Miststück.

Da ist man doch richtig froh, einfach ein langweiliger, relativ normaler Familienvater von 4 Kindern zu sein.

Lieben Gruß aus Hamburg
Titel: Re: When you`re gonna make up your mind...
Beitrag von: Taro am 22.05.2020 14:21:04
Natürlich ist es deutlich komplexer, darum dient es ja auch nur als Model. Aussenstehende können mit dem Bild Eugen viel tiefer den Sachverhalt verstehen als ohne dieses Bild. Sag mal Fred, bist Du nach Hamburg gezogen? Dann können wir ja mal zusammen Eisbaden gehen im Winter, mit 1,50m Abstand natürlich, oder nur ein Bierchen trinken, wie sieht es aus?

Ich selber war der Drecksack und Eugen ist wesentlich intelligenter  als ich, so ist es. Kann ich beides unterschreiben.
Daher auch die Gefahr. Es gibt nicht mehrere Eugen, nicht den, der noch mit den Freunden online ein Game beenden will, um später zu Bett zu gehen. Eugen will heute schon den Freiraum für morgen freischaufeln. Ich kann mich auch nicht mal mit einem Eugen unterhalten und mal mit der wahrhaftigen Person. Einer von beiden ist die ganze Zeit im Körbchen. Eugen hat aber natürlich ein berechtigtes Interesse das das Gegenüber glaubt nicht mit Eugen zu sprechen.

Er wird immer irgendwie an Geld kommen Jules, so ist es. Eine große Erkenntnis für eine Angehörige. Ich nenne das übergeben der Kontovollmacht immer den Angehörigen Placebo. Aber was Du für Dich tun kannst ist, das er nicht Dein oder euer Geld verzockt. Du kannst alles so einrichten das egal was er macht es seine Schulden bleiben und Du nicht mit drinnen hängst. Wie das geht erfährst Du am besten bei Beratungsstellen.

Taro
Titel: Re: When you`re gonna make up your mind...
Beitrag von: Fred am 22.05.2020 14:56:23
Sag mal Fred, bist Du nach Hamburg gezogen?

Jup 31.03.1979 :)
Titel: Re: When you`re gonna make up your mind...
Beitrag von: Jules am 22.05.2020 21:18:05
Ihr Lieben,

es fällt mir grade sehr schwer, rational zu sein. Ich habe mir jetzt eure Antworten durchgelesen, mehrfach... bin grad gar nicht imstande, auf einzelne Punkte einzugehen, nur so viel: Danke, dass ihr zuhört und mir eure Zeit schenkt!

Wir waren heute einkaufen, dann spazieren, und ich habe die ganze Zeit schon gemerkt, dass ich immer unruhiger und unruhiger werde. Auf der Heimfahrt hat mich eine abgrundtiefe Traurigkeit übermannt, ich konnte nicht einmal sagen, worüber.

Die Gespräche empfinde ich in dem Moment, in dem wir sie führen, als konstruktiv, im Nachhinein als beängstigend.
Ich lese eure schonungslosen Ansichten und Berichte darüber, wie ihr selbst in eurer Zeit als aktiver Spieler gehandelt habt, und alles in mir schreit: Nein! So ist er nicht!

Und doch...
...es fällt mir so schwer, dass ich es nicht einmal schreiben, geschweige denn aussprechen kann: Er leugnet.

Auf die Frage, ob er ehrlich zu seiner Therapeutin ist - er hat die ganze Zeit während der Therapie gespielt - weicht er aus: Kommt drauf an, was du mit durchgehend meinst?
Tja, das haben wir dann gemeinsam erörtert. Er empfindet durchgehend als "jeden Tag". Und nachdem die Kontoauszüge oftmals von einem Tag Pause zwischen den Abbuchungen zu berichten wissen - ist es nicht durchgehend.

Auf die Frage, wie denn seine damalige Freundin reagiert hat, als er gespielt hat, sagt er: Wir hatten ja getrennte Konten.

Auf die Frage, warum er nach dem 11.000-Euro-Gewinn, von dem er mir ja erzählt  hat, nicht auch noch gleich erzählt hat, dass er zwei Tage danach (also in seiner Definition nicht durchgehend...) wieder gespielt hat, bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich ins Konto geschaut habe, meint er: Du hast mich nicht gefragt.

Dass ich mich im Internet informiere, im Forum schreibe, dazu sagt er, ich würde dem ganzen zu viel Gewicht beimessen.

Seine Spielsucht, meint er, ist nur ein Teil der Probleme bzw. des destruktiven Verhaltens, das er an den Tag legt.

Einer gemeinsamen Beratung stimmt er (bedingt) zu, wenn ich in der nächsten Zeit nicht bemerke, dass es besser wird und aufwärts geht, auch abseits vom Spielen. Auf meine Frage, wie ich denn dann seiner Meinung nach am besten vorgehen soll, meint er: Indem du mich zu Gesprächen wie diesen zwingst.

Heute, als wir unterwegs waren, habe ich gefragt, ob wir zum See fahren, dort spazieren gehen. Das wollte er nicht, nur eine kleine Runde woanders.
Als wir daheim waren, und ich die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte, hat er mich gefragt, ob ich lieber zum See gefahren wäre, und ja, das wäre ich - und habe mich nicht getraut, das klar und deutlich zu sagen. Aber das war nicht der Grund für meine Tränen. Der Grund waren die letzten Wochen und Monate, in denen ich oft und oft nichts gesagt habe, ihn immer wieder in Ruhe gelassen habe, ihn kaum konfrontiert habe und einsam neben ihm war. Mich nicht trauen, Forderungen zu stellen, oder eigene Wünsche, aus Angst davor, dass Eugen (welcher auch immer) wieder antwortet: Nein, ich kann nicht... will nicht... du musst verstehen...

Die Situation derzeit triggert mich so fürchterlich an. Ich will nicht aus dem Blauen heraus in Tränen ausbrechen, ohne auch nur ansatzweise zu wissen, warum, wieso, weshalb. Ich habe ihm gesagt, dass ich riesige Angst habe vor dem, was kommt, und er versteht es irgendwie und irgendwie auch wieder nicht, er denkt, unsere Liebe wird ausreichen.

Er möchte das alleine schaffen, hat ein paar Pläne, was er in der Therapie besprechen möchte, nicht viel davon hat mit dem Spielen zu tun. Ich habe ihm gesagt, was ich denke, nämlich, dass er immer noch nicht ehrlich ist, auch und vor allem sich selbst gegenüber nicht.

Er erzählt von einer Therapeutin, die ihm wohl einmal gesagt hat, ihrer Meinung nach wäre er nicht spielsüchtig, er hätte eine Menge anderer Baustellen, aber ein klassischer Spieler, das wäre er nicht.

Eine SHG möchte er nicht, weil ihm die nichts bringt.

Ich höre euch schon schreien: Der meint`s nicht ernst, und tief drin spüre ich das auch... und trotzdem klammere ich mich an Strohhalmen fest, daran, dass er sich noch nie Geld ausgeborgt hat, daran, dass ich - über weite Strecken, und bei allem, was nichts mit der Spielsucht zu tun hat - nicht belogen wurde. Bis jetzt? Oder vielleicht nur, weil ich nicht genau nachgefragt habe - siehe die Definition von "regelmäßigem Spielen"?

Ich kann ihm das alles nicht sagen, wir waren gestern so hoffnungsvoll, so voller Vertrauen, dass wir das gemeinsam schaffen, und heute fühle ich mich so traurig, leer und ausgebrannt, habe Angst, ihm Unrecht zu tun, ihn in einen Topf mit allen Spielern dieser Welt zu werfen, habe Angst, er liest das, habe Angst, ich verliere meine Beherrschung und sage es ihm, dass ich solche Zweifel und solche Ängste habe.

Und ja, er hält es aus, dass ich ihn konfrontiere, dass ich weine, dass ich irrational bin. Das macht es für mich ja noch verrückter. Und ich glaube ihm, dass er seine Probleme angehen will, aber ob er das alleine - und vor allem, indem er mMn noch immer leugnet und bagatellisiert, im Gegenzug dazu der Meinung ist, ich übertreibe - schaffen kann.

Ich liebe diesen Mann, und ich hoffe, ich bringe die Kraft und die Vernunft auf, das alles mit heiler Haut durchzustehen  :(

Danke ein weiteres Mal für eure Zeit.

Jules

Titel: Re: When you`re gonna make up your mind...
Beitrag von: Fred am 22.05.2020 22:03:44
Jules, ich stehe jetzt extra aus unserem gemütlichen Fernseh-Nest auf, weil ich es einfach nicht mehr ertrage.

Ich habe meine Freundinnnen/Verlobten/Ehefrauen ungefähr 30 Jahre mit irgendwelchem Scheiß hingehalten.
Selbsthilfegruppe bringt mir nichts, Therapie mach ich doch, muss keiner Wissen .. .schaffe ich alleine.
Wir schaffen das ...

Mann / Frau ... das ist ein absoluter Scheißdreck !

Du hast Angst ihm Unrecht zu tun ?
Als Außenstehende würdest du jeden seiner Sätze sofort als Manipulation erkennen.

Du machst dir Vorwürfe, dir geht es schlecht, du willst deinem Partner beistehen.
Man steht doch alles gemeinsam durch. Man hält zu seinem Partner. Liebe schafft alles.

Das ist ein Scheißdreck !

Dein Partner ist spielkrank. Spielsüchtig. Glasklar ohne den Hauch einer Chance eines Irrtums.
Die Ausreden hier wirst du tausendfach finden wenn du alle Beiträge liest.
Das Spiel wiederholt sich immer und immer wieder.

Und eines ist absolut sicher:
DU KANNST IHM NICHT HELFEN

Das kann er nur selbst. Und davon ist er zur Zeit noch meilenweit entfernt.
Eine Sucht aufgeben wollen ist MACHEN ... nicht Sabbeln.

10 Jahre wollte ich mindestens schon aufhören. Eigentlich 20 Jahre lang.
Eine stationäre Therapie machte ich, damit meine 1. Ehefrau den Scheidungsantrag zurück nimmt.
Hat sie .. und ich schön weitergezockt ...

Was dein "Spieler" da von sich gibt deckt sich mit meinen Erfahrungen ungefähr .. na sagen wir 100% :)
Und ganz sicher mit vielen anderen auch.

Wenn er verstanden hat, dass er suchtkrank ist und den WIllen hat, abstinent zu werden,
dann wird alles ganz anders aussehen. ER wird jemand sein der dich um Unterstützung bittet,
der dir all deine Fragen beantwortet, sich und euch schützt wo es nur geht.
Alles offenlegt was war, was ist, was werden wird.

Ach Jules ... Erfahrungen muss man "erfahren" .. die sind so schwer zu vermitteln.
Ist es Liebe, wenn er DEIN Leben zerstört ? Und das wird es, wenn er so weitermacht.

Hör auf zu fragen, warum, weshalb. Nach Gründen zu suchen. Erklärungen haben zu wollen.
Es gibt keine Gründe, keine wirklichen Erklärungen. Alles was er ehrlich sagen würde, würde dich im nachhinnein verletzen.

CUT ... heute beginnt ein neues Leben. Entweder mit ihm oder ohne ihn.

1) Karten / Kontozugang verwaltest du ( als HILFESTELLUNG und nur wenn du es willst ) Auch wenn Taro das nicht gutfindet, hilft es die  ersten Monate Verlockungen zu vermeiden.
2) Er legt alles offen was an Schulden / Lügen anliegt
3) Therepie ambulant / stationär ?
4) Selbsthilfegruppe ( ggf. auch Online )

Und die Frage ist nicht, ob er das Eine oder Andere macht, sondern ob er es ohne sabbeln bis Montag Abend komplett in die Wege geleitet hat.
Es gibt keinen Grund der Welt die obigen Punkte nicht sofort umzusetzen.

Alles andere wäre "Eugen" ... so traurig es dich auch stimmt ...

Die meisten von "uns" müssen erst ihren persönlichen Tiefstpunkt erreichen, bis sich was ändert.
Oft ist dies eine Trennung von der Partnerin ( muss ja nicht dauerhaft sein )/ Familie / Obdachlosigkeit / finanzieller Ruin / Arbeitsplatzverlust

In erster Linie bist du für dich verantwortlich. Für deine Gesundheit, dein Wohlergehen.
Das ist ganz natürlicher Überlebensantrieb.
Du musst dich um dich kümmern.

Solange "wir" aktiv sind machen wir alles kaputt .. ob wir es lieben oder nicht spielt dabei keine Rolle.

Lass du dich nicht kaputt machen, liebe Jules.
Du bist zu wertvoll um so mit dir umgehen zu lassen.
Jules, wach auf !
Titel: Re: When you`re gonna make up your mind...
Beitrag von: Jacky1 am 23.05.2020 00:15:57
Hallo Jules,

dies alles was wir hier berichten soll Dich doch nicht belasten.
Wenn man einen Menschen liebt und zu ihm steht, geht man halt jeden Weg gemeinsam...dies ist nicht schlimm!
Es wertet ihn oder die Grundlagen eurer Liebe auch nicht ab!

Ich kann Fred nur zustimmen, was es uns angeht.
Bei mir sitzt das ganze so tief in mir drin, da denken manche ..jaja der Jacky ist schon sehr gefestigt.
Ich freue mich wenn jemand mich darauf anspricht, dass ich nicht mehr spiele.
Ich muss es mir beweisen..ich muss es einfach, jeden Tag!
Ich glaube es sonst nicht, ich kann mir nie wieder etwas glauben, ich muss es mir beweisen.
Da habe ich in meinem Leben enorm viel zu tun, alles um mich herum ist immer in Bewegung, doch ich nehme mir die Zeit hier im Forum zu sein.
Egal was alles auch ansteht, denn früher verbrachte ich meine Zeit ganz irgendwo anders.
Ich musste extremst an mir arbeiten, einer wie ich kann sich kaum selbst kontrollieren.
Jules, ich ließ Menschen hinter mir wie Du!
Ich wäre so froh heute, wären diese doch nur von alleine gegangen.
Auch mich hat dies viel Schmerz gekostet, diese Narben bleiben für immer!
Ich könnte nun auch ganz leicht meine letzte Lebensfreude hier wegschreiben, ich kann das.

Es soll ihm nicht so ergehen, niemandem sollte es dies.
Einen Dreck auf diese Krankheit, was saß ich früher oft voller Sorgen und da ging es nicht nur um ein paar Tausender.
Da ging es um die pure Existenz von meiner ganzen Familie!
Was mache ich nur....diese lieben Menschen!
Die dachten ich lebe, doch ich war doch schon längst gestorben.

"Hey, ein wenig  online zocken....etwas Pokern, entspannt mich sicherlich und ich hätte es ja auch wieder einmal verdient.
die paar Hunderter, einfach mal wieder ganz relaxt. "
Leck mich am Arsch, Jacky1
Menschen verlassen sich auf mich, ich will es nie mehr brechen.     
 
   

Aber ich schreibe gerade nicht für mich, sondern nur für Dich, ich nehme mir diese Zeit gerne.
Du sollst hier niemanden glauben oder einen Ratschlag annehmen, Du sollst nur etwas begreifen.
Nur zwei Dinge:
Wenn ein pathologischer Spieler sich nicht wirklich entscheidet, absolut und konsequent , etwas zu unternehmen.
Und zwar ohne irgendetwas vertuschen zu wollen, wirklich alle Türen verschließt und im Gegensatz offen damit umgeht.
Auch erzählt dass er gerade wieder enormes Verlangen spürt, spielen zu wollen.
Mag er event. eine Zeit lang nicht spielen, doch ich würde nicht darauf bauen.
Es ist mir auch egal wenn jemand etwas anderes behauptet, habe ich ja auch...30 Jahre lang. 

Und wenn zwei so "glorreiche Halunken" wie Fred und ich, nach einer so langen aktiven Zeit es endlich geschafft haben, dann schafft es jeder!!!!!! 
Auch Dein Mann!   

Grüß Dich
   
   

Titel: Re: When you`re gonna make up your mind...
Beitrag von: Fred am 23.05.2020 14:40:04
Und wenn zwei so "glorreiche Halunken" wie Fred und ich...

Ha·lun·ke
Aussprache: /Halúnke/
Substantiv, maskulin [der]

    1.  abwertend
    Mann, dessen Tun als in empörender Weise gemein, boshaft angesehen wird
    "das sind doch alles Gauner und Halunken"

aha

    2.  scherzhaft
    Schelm, durchtriebener, frecher [junger] Mann
    "na, ihr [kleinen] Halunken?"

Ok, damit kann ich leben :) .. aber nur wegen dem [jung]  ;D