Spielsucht Soforthilfe Forum (SSF)

Spieler & Angehörige => Angehörige => Thema gestartet von: Darksoul am 28.10.2020 13:23:38

Titel: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: Darksoul am 28.10.2020 13:23:38
Mich würde mal interessieren, ob die Spieler unter euch den berühmten Tiefpunkt erreichten, bevor sie wirklich ernsthaft und aktiv aufhören wollten mit dem Spielen.

Vielleicht möchte ja der ein oder andere mal ein wenig erzählen?..
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: Andre12 am 28.10.2020 14:10:15
Moin,
ja das höre ich auch immer wieder, es kam zum persönlichen Tiefpunkt. Ehrlich gesagt , keine Ahnung. ich würde sagen mein 30 jähriges Leben als nasser Spieler war ein einziger Tiefpunkt, den ich aber schlecht erkennen konnte , weil normal für mich. Ich habe immer einen Job ( was hoffentlich so bleibt) je älter ich wurde, so höher das Gehalt und so höher die Summen die ich in meine Spardose (die nie ausbezahlt wird) gesteckt habe. Ich habe keine großartigen Schulden gemacht, ( es gab welche ) aber keine die ich nicht verkraften konnte. Es wurde dann eben weniger gespielt. bzw weniger Geld verspielt. Ich war immer 1-7 Tage nach Gehalteingang pleite. Habe dann immer für kleines Geld handwerkliche Tätigkeiten nebenbei gemacht. Also ich  bin Betriebswirt. Dürfte dann aufm Bau 8-10 Std./Tag Steine schleppen, Abbruch machen, Pfannen abdecken, also die Tätigkeiten was jeder kann und körperlich ziemlich anstrengend. So habe ich 30 Jahre meine Urlaube, Wochenenden verbracht.  3 langjährige Beziehungen erfolgreich zunichte gemacht. Ohne meine Spielsucht hätte ich 2 Häuser. Jedes Extrageld flog in den Automaten, und paar Kröten ins Essen und oder Klamotten. Das aber eher, wenn ich was " gewonnen " hatte. Schnell los Klamotten kaufen usw. um den Schein zu wahren. Klamotten kaufen oder Essen vom Gehalt...? Ne da war das Geld für mich zu schade, brauchte ich ja zum Spielen. Also ich kann da keinen persönlichen Tiefpunkt aus machen. Meine private Systemlöserin sagte zu mir : Du kannst Dein Leben lang so weiter machen ging ja bis jetzt auch.  Zu dem Zeitpunkt war ich schon fast 3 Jahre mit meinem sogenannten Entschluß nicht mehr zu spielen beschäftigt. Also bei mir war es Januar 2017 wo ich denn mal bei einer Beratungsstelle war... Das nur auf Druck meiner damaligen Freundin. Ja klar ich wollte aufhören.... war aber nicht annährend in der Lage das umzusetzen. Habe wie Du meinen Thread ( Grün...) entnehmen kannst 3 Jahre mehr oder weniger damit beschäftigt. Und ich denke genauso gut wie ich jetzt seit 02.03.20 nicht mehr nass bin, hätte es auch passieren können, das ich trotz all der Dinge die ich unternommen habe um vom Spielen los zu kommen, immer noch spiele.
Also ich denke ich war schon fleißig, aber es war  ein Drahtseilakt. Genauso wie ich in die Sucht vor 30 Jahren reingerutscht bin, konnte ich mich nur langsam davon lösen. Für mich gab es nicht die Möglichkeit zu sagen, so ist Schluß.. nein leider muss mich das Spielen ( also es wurde immer weniger, nicht unbedingt der Einsatz aber die Häufigkeit) bis zum endgültigen Entschluß für mein Leben begleiten. Auch Druck von meiner Freundin brachte so erstmal nix, weil ich kam ins tun für Sie und nicht für mich. Und das ist meiner Meinung nach schon der falsche Ansatz für mich gewesen. Also Darkseoul,  Du kannst bei Deinem Partner weder die Spielfreiheit noch irgendeinen persönlichen Tiefpunkt erzwingen, falls Deine Frage darauf hinabzielt. Ich glaube Du drehst Dich im Kreis. Wenn Dein Partner oder wie immer Euer Status gerade ist, was tut, wirst Du es merken, ob er aber da jemals raus kommt wirst Du nicht beeinflußen können. Das kannst Du Drehen und Wenden wie Du willst. Du kannst mit dem Arsch Fliegen fangen  :) ;D es wird nichts nützen. Darüber solltest Du Dir im klaren sein.

Kopf hoch und kümmere Dich um Dein Leben

André   
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: Darksoul am 28.10.2020 14:21:10
Hallo Andre,

vielen lieben Dank erstmal für die Antwort und deine persönliche Geschichte. Und Glückwunsch, dass du nun so lang schon trocken bist:)

Es ist schwierig, wir drehen uns momentan im Kreis und seine anfänglichen Taten und Versprechen Spielfreiheit zu gewinnen, haben sich in Luft aufgelöst. Seine Familie und ich warten eigentlich nur noch auftun Supergau, wo wir ihn komplett fallen lassen müsse, weil ich denken, dass er nur dann erkennt was seine Sucht alles anrichtet.. Wir wollen ihm nur helfen, aber wir können nichts tun. Er muss es selbst wollen, für sich und nicht für uns.. Ich verstehe ja, dass es schwierig ist und es auch nicht von heut auf morgen funktionieren wird, aber gerade sehe ich eher Rückschritte als Fortschritte. Und langsam bin ich an meiner Grenze.. Diese Sucht zerstört alles. Er ist schon wirklich sehr tief gesunken, vielleicht nur noch nicht tief genug, um raus kommen zu wollen?
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: Darksoul am 28.10.2020 15:03:35
Auch dir vielen Dank für die Antwort Harald.

Geld bekommt er von mir keins mehr, das zieh ich nun durch. Wenn er eklig wird oder mich terrorisiert, dann ist es so. Ich kann mich davon mittlerweile abschotten.

Dennoch wünsche ich mir, dass er endlich aktiv gegen seine Sucht kämpft.. Therapiesitzungen hat er die letzten beiden Male ausfallen lassen, das ist nicht gut
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: Jacky1 am 28.10.2020 23:12:45
Hallo,

über die ganzen aktiven Jahre passierte schon so einiges.
Irgendwann ballten sich diese ganzen negativen Erinnerungen immer mehr in meinem Kopf.
Nach außen gelang es mir schon ganz gut sie zu verdrängen...aber nicht nach innen.

So war es schon ein Tiefpunkt der mich dazu brachte anzufangen endlich etwas zu unternehmen.
Dies hat nichts mit verlorenem Geld zu tun, nur mit meinen kranken Emotionen.
Ich kann sogar den Tag gut bestimmen, in einer Spielhalle, automatisches vegetieren vor einem Automaten.
Wie in einem tiefen Fall und gefühlt gleich psychisch aufzuschlagen.
An jenem Ort und jener Tätigkeit die ich über drei Jahrzehnte fast täglich machte.
Es ging nicht mehr, es war sozusagen vorbei ...ich war tot und nur das Spielen hielt mich am erbärmlichen Leben.
Dabei war es ja dieses, welches alles erbärmlich machte.
Quasi keine Lust mehr zu leben und auch keine mehr zu spielen, ich ging aus der Halle und wartete auch nicht auf mein Geld dass noch im Automaten war.

Wie es auch danach weiterging , egal was auch noch kam, zweimal war ich ja noch spielen danach.
Aber ich fuhr zu meiner Familie, ich bin es ihnen schuldig!
Am Leben zu bleiben und nicht mehr zu spielen, man sagt/schreibt es event. oft leicht.
Lieber wäre ich tot, als wieder jenes Gefühl zu haben und wer mich etwas kennt, so sehr hänge ich eh nicht am Leben.
Also werde ich nichts mehr tun, was mir meinem Lebensatem rauben könnte.

Meine Spielsucht mag immer da sein, ich aber nun auch!

Dieser damalige Tag war gefühlt mein Tiefpunkt und nur zweimal fühlte ich ähnlich .....
bei meinen beiden Rückfällen! ....da zog ich wohl das Spielen doch dem Tot vor.  :)

Liebe Grüße   
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: medea888 am 29.10.2020 07:30:57
Guten morgen Darksoul,

erstmal tut es mir so leid, dass Du von deinem Freund nicht wirklich los kommst und er sich nicht retten will.

Mein persönlicher Tiefpunkt.... da ging es mir ähnlich wie Jacky, ich hatte ne Menge, die sich aufgestaut haben. Ich habe x mal versucht aufzuhören, habe mich überall sperren lassen, um dann wieder beim nächsten OC mich anzumelden und wieder und wieder.... und wieder das Gefühl, wenn alles verloren war und man aus der Trance der Sucht aufwachte und es selbst nicht fassen konnte, dass man wieder soviel Zeit und Geld verspielt hatte.... irgendwann war dann der Punkt da, da wollte ich nicht mehr morgens aufwachen und mich für die letzte Nacht vor mir selbst schämen, ich wollte nicht mehr darüber nachdenken woher ich das nächste Geld heimllich bekomme um es dann innerhalb von Minuten zu verspielen, ich war sooo müde und da war dann Schluss. Auch ich habe mir nicht mal das restliche Geld auszahlen lassen, sondern bin einfach gegangen. Ich habe mich dann zwar auch in allen OC sperren lassen aber im Nachhinein, war das an dem Punkt gar nicht mehr nötig gewesen.
Und heute noch wache ich morgens auf und genieße manchmal diesen Moment, wenn ich weiß ich habe nicht gezockt und kann einfach rausschauen und den schönen Baum vorm Fenster anschauen und fühle mich nicht mies.... Ich hab mein Leben zurück, das Gefühl ist das.

Dir alles Gute
Lieben Gruß Medea
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: Fred am 29.10.2020 17:07:36
Die Theorie mit dem Tiefpunkt hatte ich auch lange.
Bei mir selbst gab es verlorene Ehen/Kinder/Partner/Wohnungen/Arbeitsplätze etc.

Vielleicht hoffte ich immer, endlich meinen "Tiefpunkt" zu erreichen.

Die persönlichen Tiefpunkte liegen aber jedem von uns völlig woanders und es muss nicht zwingend menschliches oder soziales Elend sein.
Einem Freund von mir genügten meine Erzählungen von mir selbst, damit er schon vor knapp 30 Jahren in jungen Jahren nie wieder einen Automaten anfasste. Bei anderen genügte eine ernsthafte Drohung der Ehefrau ...

Es ist ganz unterschiedlich ... bei mir war es letzten Endes ein relativ "geringfügiger" Anlass der mich mein Leben umdrehen ließ.

Das Tragen von echten Konsequenzen ist zumindest immer ein guter Anstoss sein Spielerleben zu überdenken.
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: Taro am 29.10.2020 17:51:26
Jeder von uns hat seinen Tiefpunkt. Der eine früher der andere später. Scheinbar weiß man das nicht vorher. Und doch, nach einiger Zeit Spielhalle, gefühlt habe ich mich wie ein Zombie, ein Untoter. Mir war klar, dass ich bis ganz zum Ende spielen werde, die Zeit bis dahin kam mir quälend lang vor. Darum bin ich bewußt in die Spielbank gewechselt. Dort konnte ich das erreichen meines Punktes "nichts geht mehr" stark beschleunigen. Nun ich habe es überlebt und konnte mein neues spielfreies leben früher beginnen.

Als Partner eines Süchtigen ist es wichtig, das jeder Rückfall in die Sucht harte Konsequenzen hat, das ist das einzige womit Angehörige helfen können. So eine Nacht im Winter unter einer Brücke, optimaler Weise noch heilig Abend können  das Denkvermögen eines Suchthirns doch stark erhöhen. Hört sich etwas flapsig an, hab ich aber selbst erlebt.

Taro
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: Jacky1 am 29.10.2020 21:12:08
Hallo ,

Als Partner eines Süchtigen ist es wichtig, das jeder Rückfall in die Sucht harte Konsequenzen hat, das ist das einzige womit Angehörige helfen können. So eine Nacht im Winter unter einer Brücke, optimaler Weise noch heilig Abend können  das Denkvermögen eines Suchthirns doch stark erhöhen.

Und heute noch wache ich morgens auf und genieße manchmal diesen Moment, wenn ich weiß ich habe nicht gezockt und kann einfach rausschauen und den schönen Baum vorm Fenster anschauen und fühle mich nicht mies.... Ich hab mein Leben zurück, das Gefühl ist das.


Solche Dinge möchte ich lesen und hier im Forum bekam ich doch schon einiges davon.
Wie es früher war und im Vergleich zu heute ...kein comme ci comme ça.

Danke Euch beiden, danke an alle hier...ach was solls, Sternchen für alle hier im Thread.
Es mag event. nur ein Klick sein, doch kommt es aus tiefstem Herzen.
Weil es mich gerade freut hier zu sein.
...Andre, Fred, Darksoul, medea ,Taro, Harald ......alle einfach. 

Liebe Grüße
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: amTiefpunkt am 01.11.2020 20:38:13
Hallo Darksoul,

einst gab ich mir meinen Forumnamen, da ich der Ansicht war, diesen Tiefpunkt erreicht zu haben. Jetzt, Jahre später, kann ich mir schon vorstellen, dass es noch tiefer geht, aber letztendlich spielt es keine Rolle mehr! Nicht immer ist es ein Tiefpunkt der zum Umdenken führt, dennoch ist dies wohl schon oft der Fall, dass ein persönlicher Tiefpunkt der Grundstein für den Entschluss zur Abstinenz ist. Ich war damals tatsächlich sehr weit unten angekommen, als ich beschlossen habe, den Weg der Abstinenz zu gehen.
Schulden im 6 stelligen Bereich, das Vertrauen der Familie verspielt, fast alle sozialen Kontakte an die Wand gefahren und die Akzetpanz der Realität verloren - nahe am Suizid. Puh, da muss ich heute noch Schlucken, wenn ich daran denke.....

Dein Freund muss es eben entscheiden, es liegt nicht an dir....

aT
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: Jacky1 am 01.11.2020 22:07:53

einst gab ich mir meinen Forumnamen, ,,,,,

Als ich den Titel dieses Thema las, dachte ich erst Du bist gemeint.  :)

Aber dies ist schon viele Jahre her, mein lieber "berühmter"  Tiefpunkt 

Liebe Grüße
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: Darksoul am 05.11.2020 20:58:16
Hallo ihr Lieben,

tut mir leid, dass ich mich jetzt erst melde, es war etwas stressig in letzter Zeit.
Erst einmal freue ich mich, dass ihr alle den Spielteufel besiegt habt. Auch wenns natürlich schlimm ist zu lesen, was ich durchgemacht habt. Aber ihr könnt stolz auf euch sein, ihr habt ihn bezwungen und habt euren Tiefpunkt überwunden :)

Was ich mich gerade Frage: Man muss wirklich aufgehört haben zu spielen, um rückfällig zu werden oder? Ich glaube nicht, dass mein Freund rückfällig ist, sondern nie ernsthaft aufhörte.

Ich habe eingesehen, dass ich ihn nicht retten kann. Das einzige womit ich "helfe" ist ihm kein Geld zu geben, konsequenter zu sein und ihm nur zu sagen, dass er aktiv etwas dagegen tun muss..Nicht ich oder seine Familie. Wir haben ihm schon oft die Hand gereicht, er schlägt sie weg, also können wir nichts tun.

Hattet oder habt ihr eigentlich eine Suchtverlagerung erlebt? Also statt spielen dann trinken oder exzessives Konsolenspielen etc.? Soll ja auch gar nicht mal so selten sein? Teilweise parallel zum spielen oder halt in "trockenen" Phasen.
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: Jacky1 am 06.11.2020 00:17:51
Hallo Darksoul,

Ich habe eingesehen, dass ich ihn nicht retten kann. 

Aus meinem Leben:
Letztendlich waren es jene Menschen, die ja am meisten unter mir litten, die mich gerettet haben.
Unwichtig ob sie daran glauben würden....denn ich habe mich retten lassen.
Dabei mussten sie gar nicht viel tun, so hatte ich nur Glück dass sie noch da waren.
Es ist für jeden Spieler eine Chance, geoutet zu sein, wie eine offene Tür.
Ja, mehr geht kaum.




Hattet oder habt ihr eigentlich eine Suchtverlagerung erlebt? Also statt spielen dann trinken oder exzessives Konsolenspielen etc.? Soll ja auch gar nicht mal so selten sein? Teilweise parallel zum spielen oder halt in "trockenen" Phasen.

Ich kompensierte es in meine Arbeit, irgendetwas musste ich einfach haben.
Etwas dass mich fern hielt, nicht einmal von einem Gedanken ans Spielen...sondern mir selbst.
Diese Arbeitszeit war sehr intensiv, mehr geht kaum.
Auch heute noch, kann ich kaum in einer normalen Dimension mit meiner Arbeit umgehen.

Gruß   
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: TAL am 06.11.2020 02:16:13
Hallo Darksoul,

ja, heute ist mir klar, daß es wahrscheinlich immer schon so war, daß ich irgendetwas zum 'Kompensieren' brauchte.
Bevor ich mit dem Spielen anfing, hab ich exzessiv getrunken. Nicht jeden Tag, und auch nicht unbedingt bei jeder Gelegenheit, aber wenn ich erstmal angefangen hatte, dann jedes Mal bis ich wirklich 'dicht' war. Ganz oder gar nicht; ein gesundes Mittelmaß, oder sowas wie Genuß, gab es nicht. Dabei mochte ich den Geschmack von Alkohol nichtmal, und es gibt nur wenige Sachen, bei denen ich mir das erste Glas nicht 'reinquälen' mußte. Also je schneller, desto besser. Es ging wohl auch da schon nur um die Wirkung.

Ich trinke heute selten, und wenn, dann nur, was mir schmeckt, und wenn ich mir sicher bin, daß ich es gerade nicht mehr möchte, als ich eigentlich sollte.
Ich kann auch nach einem Glas aufhören (oder ein Halbvolles stehenlassen), weil ich gar nicht mehr mag. Wäre mir das nicht möglich, würde ich es komplett lassen. Ich habe lieber die Kontrolle, so gefalle ich mir besser.
Man kann also sagen, daß ich glücklicherweise mit dem Trinken aufgehört habe, bevor es zum dauerhaften Problem wurde, auch wenn das ehrlich gesagt eher 'Zufall' war (ich bin umgezogen).
Das ging schließlich aber doch nur ein paar Wochen gut - dann kam der Grund für meine Anwesenheit hier.
Offenbar brauchte ich immer schon ein Ventil.

Dabei bin ich eigentlich ein sehr langweiliger Mensch, aber das war schon immer so. Es würde auch ehrlicherweise nicht ganz der Wahrheit entsprechen, wenn ich sagen würde, daß ich heute frei von jeglicher Art 'exzessiven Verhaltens' bin. Ich habe da nach wie vor die ein oder andere Baustelle, und auch wenn es weit weniger 'destruktiv' ist, komme ich bei einer davon in unregelmäßigen Abständen an einen Punkt, an dem ich ein ernstes Wort mit mir selber reden muß. Wie du dir sicher vorstellen kannst, klappt das aber nur bedingt. Das ist immer ein Grund, aufmerksam zu werden, auch wenn ich nichts lieber als das Gegenteil täte.
Dabei denke ich gar nicht mal ans Spielen, es ist mehr eine innere Resignation, die sich langsam anbahnt. Scheißegalhaltung und Selbstsabotage... und die auf eine pervers-kranke Weise 'befriedigende' Tatsache, daß es sich 'richtig' anfühlt, das Falsche tun zu können, und es auszuhalten... sogar gar nicht anders zu wollen. Dann fühle ich mich mies, wenn sich doch mal jemand Sorgen macht, bekomme ein schlechtes Gewissen, ziehe es aber ins Lächerliche... und denke gleichzeitig "Was soll der Mist? Mir geht es gut, ich bin doch kein Kind!" Festgefahren. Nun ja...
Ich weiß, daß ich Unrecht habe. Ich mag aber nichts ändern, ich mag generell grad nicht...
Das dauert immer etwas, aus dem Morast wieder rauszukommen.

Ich mag nicht Spielen, ich mag auch nicht Trinken oder irgendwelche Substanzen konsumieren (und sollte meine Abstinenz in einer solchen 'Phase' nicht nur aufs Spielen beschränken - was ich auch tue, da mir mein Leben doch etwas wert zu sein scheint), aber dennoch schlägt meine glorreiche Selbstkonditionierung manchmal noch durch.

Ja, wenn ich ehrlich bin, denke ich inzwischen schon, daß ich 'suchtaffin' bin. Passe ich nicht auf, renne ich rein. Das wird wohl auch immer so bleiben. Das Gute ist, daß ich das eben weiß, und ich muß mir da nichts vormachen. Auf Spur zu bleiben ist inzwischen die meiste Zeit ein 'Selbstgänger', über den ich nicht nachdenken muß. Trotzdem sollte ich nie vergessen, daß sich das ganz schnell wieder ändern kann. Ich bin eher 'anti', so daß ich vor einer unfallchirurgischen OP zwar einsehe, wenn sie mir sagen, daß das ohne Vollnarkose nicht geht, und auch, daß es nicht unbedingt förderlich wäre, wenn ich mich übergeben müßte - ich aber die Scheißegalpille, nicht nehme. Und das, obwohl direkte Aussagen sonst eher weniger meine Art sind.
Der Respekt davor, wie ich 'ticke', übertönt aber alles andere um ein Vielfaches. Auch der (durchaus vorhandene) Schmerz die Tage danach kam dagegen nicht an.
Haste Angst (und die hatte ich nichtmal, hab mich nur über mich geärgert) - kein Problem, gibt ja Benzodiazepine.
Haste Schmerzen - auch kein Ding, es gibt sogar die guten Sachen.
Nein, verdammt.

Für mich ist der vermeintlich einfache Weg immer fatal. Vielleicht übertreibe ich manchmal, aber man weiß ja nie.
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: Darksoul am 11.11.2020 18:33:36
Danke für die Antworten.

Selbstdestruktion ist auch ein gutes Stichwort. Möchte nicht pauschalisieren, aber denke generell Spielsüchtige neigen zu selbstzerstörerischem Verhalten, können den Kreis nicht durchbrechen, obwohl sie genau wissen wie sehr sie sich und anderen Schaden. Ein Kreislauf aus Scheißegalhaltung und schlechtem Gewissen, kann mir nicht vorstellen, wie sich das anfühlen muss..
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: Jacky1 am 11.11.2020 22:17:21
Selbstdestruktion ist auch ein gutes Stichwort. Möchte nicht pauschalisieren, aber denke generell Spielsüchtige neigen zu selbstzerstörerischem Verhalten, können den Kreis nicht durchbrechen, obwohl sie genau wissen wie sehr sie sich und anderen Schaden. Ein Kreislauf aus Scheißegalhaltung und schlechtem Gewissen, kann mir nicht vorstellen, wie sich das anfühlen muss..

Selbstreduktion aber verbunden mit einer gewissen Dualität.
Der Selbstwert steigt oder fällt praktisch mit dem Gewinn oder Verlust.
Armselig und ohne jeden Wert und nicht nur wegen der gesicherten kranken Anonymität, um ja weiterhin ungestört spielen zu können , wird alles verheimlicht.
Sondern auch diese Scham! Was sollte man auch sagen ? Dass man jeden Abend sein ganzes Geld in einen Spielautomaten schmeißt?
Und warum sollte man es sagen ? Doch nur wenn man nicht mehr kann und sich eingesteht : " Ich gebe auf, fängt mich jemand" 

Es fühlt sich so an als wäre man schon längst gestorben....und hört nicht auf die "Anderen" die da rufen...Du lebst!
Tausende wieder verloren, aber am nächsten Morgen wieder nach außen hin zu funktionieren.
Mit leeren Taschen und Selbsthass, ja richtig, wenn eh schon alles wieder verloren, ist es Scheißegal.
Nur wenn wieder Geld in der Hand, geht es weiter...an den Automaten und grünen Tischen.
Die verlorene Lebenszeit und der ganze Antrieb für ein gescheites Leben, eh am Arsch.

Gruß


     
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: Darksoul am 15.11.2020 15:47:02
Es sich und anderen eingestehen fällt auch schwer oder? Ich finde es mangelnd Spielern generell an Selbstreflexion und Kritikfähigkeit. Habe das Gefühl es wird einfach immer alles verdrängt. In klaren Momenten ist man durchaus rational und gesteht sich ein, dass man krank ist und Hilfe braucht, in anderen Momenten kommt wieder das Spieler Ich durch. Ich frage mich manchmal aber auch was ehrlich ist und was nicht. Ich habe das Gefühl, dass Spieler Menschen wie Spielautomaten behandeln und einfach alles manipuliert wird.. Es treibt einen wirklich in den Wahnsinn, das Nervenkostüm wird sehr dünn

Jacky1 das was du da schreibst find ich einfach so treffend. Es ist wirklich traurig wie eine Sucht einen Menschen zerstören kann und alles um ihn herum gleich mit. Ein wirklich abscheulicher Abgrund..
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: Fred am 15.11.2020 18:35:14
Ich habe das Gefühl, dass Spieler Menschen wie Spielautomaten behandeln und einfach alles manipuliert wird.. Es treibt einen wirklich in den Wahnsinn, das Nervenkostüm wird sehr dünn

Solange der "Spieler" aktiv ist, hast du zu 100% Recht. Immer und zu jeder Zeit.
Selbst Reue und Zugeständnisse sind geplante "Schachzüge".
"Wir" sind in diesem Punkt echt pervers ...
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: Jacky1 am 15.11.2020 23:28:08

Hallo Darksoul

Es sich und anderen eingestehen fällt auch schwer oder?

Nach einiger Zeit gesteht man es schon ein, dass man spielsüchtig ist.
Es zieht einem ja immer dahin, wie ein Magnet mit unbändiger Kraft.
So traf ich früher schon einige die sagten sie seien spielsüchtig, bevor sie wieder alles verloren.
Auch mir war es durchaus bewusst, doch änderte es nichts.

Dennoch entstand dadurch ein immer wieder kehrender Gedankengang, der irgendwann zu einem festen Entschluss wurde.

Doch niemals absolut niemals hätte ich es aufgebracht einem lieben Nahestehenden dies zu erzählen!
Auch dieser Entschluss musste erst enorm wachsen, meiner Familie zu erzählen dass ich ein pathologischer Spieler bin und Unsummen verspielt habe, war einer meiner schwierigsten Momente in meinem Leben.
Damit wusste ich und es war mir klar, zukünftig wird sich so einiges ändern.
Nicht was der Umgang mit meiner Familie bedeutet, sondern dass ich damit meine Abstinenz sozusagen unterschrieb.
Kein zurück mehr, kein zurück in mein altes erbärmliches Zockerleben.

Ich habe es versprochen!
Es mag Süchte geben bei denen ein solch Versprechen sich nahezu in kurzer Zeit in Luft auflöst.
Aber nicht nachdem man begriffen und wirklich registriert hat,  ich möchte mein Leben nicht mehr wegwerfen!
Und eines der Gründe warum ich schon noch oft hier im Forum bin , mich daran zu erinnern.
Dies geht schon sehr weit bei mir, nahezu wie bei "Alex" (Uhrwerk Orange) ...wenn ich Geräusche eines Automaten höre oder eine Roulettekugel am Anschlag, empfinde ich eine Übelkeit...genau so wie früher, nachdem ich alles verspielt habe.

So habe ich einfach zu lange gespielt, bis ich erst angefangen habe wirklich davon zu berichten.
Nicht einmal von mir dem Spieler, sondern von mir dem Menschen.

Ja, dies viel mir beim ersten male sehr schwer, ich freue mich aber es nun gerne zu tun.
Ich muss es nie mehr verbergen!     

Liebe Grüße
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: medea888 am 16.11.2020 11:17:13
Guten morgen Darksoul,

ich kann deine Wut gut verstehen und alles was die anderen geschrieben haben stimmt natürlich. Als nasser Spieler ist man in seiner eigenen Welt gefangen, dein Freund sieht die Dinge momentan nicht so wie Du, er sieht nur seine Sucht, die ihn genauso manipuliert wie er andere manipuliert, das soll keine Entschuldigung für ihn sein, eher ein Erklärung, denn am meisten belügt er sich selbst und um bei sich selbst nicht aufzufliegen benutzt er sein gesamtes Umfeld. Ich bin jetzt fast 11 Monate trocken und erst seit kurzer Zeit, fange ich an mich von damals zu erkennen, wie als würde ich zurückblicken und da ist ein großes Nebelfeld.... als Spieler war ich in dem Nebel gefangen und  nur ab und an, vor allem wenn ich viel verloren hatte und die Reue mich fertig machte, blickte ich kurz raus aus dem Nebel aber ich konnte ihn lange Zeit nicht verlassen und dann holte er mich immer wieder ein. Das zu erkennen, wenn man drin steht ist unglaublich schwierig und hat auch bei mir einige Anläufe gebraucht, aber irgendwann war ich eben bereit wieder im Licht zu stehen und mich nicht mehr im Nebel zu verstecken. Ob und wann Dein Freund das erkennt und versucht wieder ins Licht zu kommen, dass kann Dir niemand beantworten, leider nicht mal ob er jemals wieder rauskommt. 
Es gibt im Netz gute Artikel zum Thema Suchthirn, vielleicht suchst du nochmal danach. Aber vor allem versuch Du im Licht zu bleiben und Dich nicht immer wieder in seinen Nebel ziehen zu lassen.
LG Medea
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: Taro am 17.11.2020 13:22:12
Es sich und anderen eingestehen fällt auch schwer oder? Ich finde es mangelnd Spielern generell an Selbstreflexion und Kritikfähigkeit. Habe das Gefühl es wird einfach immer alles verdrängt. In klaren Momenten ist man durchaus rational und gesteht sich ein, dass man krank ist und Hilfe braucht, in anderen Momenten kommt wieder das Spieler Ich.

Das ist erstmal das normale Verhalten eines Süchtigen. Alles andere muss vor der Sucht zurückstellen. Wenn er irgendwann aus den Sumpf raus will ist das seine Entscheidung. Hilfe von außen ist kaum möglich und wenn dann nur das durchziehen unangenehmer Konsequenzen.

Im Leben verläuft nicht alles wie geplant. Meine Aufgabe ist es auf unangenehme Vorfälle angemessen zu reagieren. Dabei ist es egal ob es der Süchtige Partner, die Kinder oder ein Arbeitgeber ist. Die Antworten auf Fragen die das Leben stellt hole ich mir Hilfe, wenn ich selber keine Antwort kenne.
Nur oft fehlt es den Angehörigen an selbstreflexion sich einzugestehen das sie es sind die Hilfe brauchen.

Taro
Titel: Re: Der berühmte Tiefpunkt
Beitrag von: Darksoul am 22.11.2020 21:09:05
Danke für all eure Antworten. Vor allem die Einblicke in die Gedanken eines Suchtkranken. Ich sehe es ja nur von außen, und so sehr ich auch versuche alles nachzuvollziehen, fällt es mir natürlich oft schwer, zumal ich einfach persönlich davon betroffen bin.

Ich kann nicht helfen, das habe ich eingehen, doch der Wille diesbezüglich ist da. Und ich finde zumindest unterstützen kann man, nur ist es wirklich schwierig mit einem spielsüchtigen eine Beziehung zu führen..