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Meine Geschichte / Ich spiele nicht mehr mit

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Hestia:
Hallo,

ich möchte euch gerne meine Geschichte erzählen. Warum fragt ihr euch?
Ganz einfach, als ich noch keine Ahnung hatte, was Spielsucht bedeuten kann, war es für mich wichtig viele Informationen zu erhalten. Leider ist diese Sucht noch ein Tabu-Thema. Niemand möchte sagen das er/sie mit einem Spielsüchtigen zusammen ist und alles was damit zusammen hängt.
Ich möchte das Angehörige, welche Informationen sammeln, genau wie ich damals, vielleicht etwas aus meiner Geschichte für sich mitnehmen können. Wie mit diesen Informationen dann umgegangen wird, bleibt jedem selbst überlassen.
Ich möchte auch nicht sagen "trennt euch, der oder die jenige tut euch nicht gut", das muss jeder für sich wissen, aber ich weiß wie es ist wenn man Informationen sammelt.

Wie ihr schon erkennen könnt, dies wird keine "Happy-End" Story.
Bis vor geraumer Zeit dachte ich dies jedoch. Ja ich dachte immer das wir irgendwann dieses Paar sein werden, welches sagen kann "seht her, es war ein sehr langer und steiniger Weg, doch wir haben es geschafft". Nein, die Blase ist geplatzt und die geballte Wahrheit / Realität liegt vor meinen Augen. Der Nebel ist sich am lösen und ich werde nicht mehr Teil des Spiel's sein.

Aber nun möchte ich gerne erzählen wie alles kam.

Kennengelernt und zusammen gekommen sind wir 2013.
Zusammengezogen 2014. Hier fing es bereits an das sich ab und an mein Bauchgefühl bei seinen Geschichten meldete. Es war nie etwas schlimmes, aber doch irgendwie immer etwas wo ich dachte "komisch irgendwie hatte er das doch vor XY Tagen noch etwas anders erzählt"
Anfang 2015 fand ich heraus das er Spielsüchtig ist.
Anfangs wollte er keine Therapie machen, entschloss sich dann doch dazu.
Ich sagte oft er solle das nicht für mich, sondern für sich machen. Ich denke ihr wisst alle, was man da für eine Antwort erhält (ja er mache das nur für sich, er wolle selber nicht mehr spielen)
Ende 2015 bis Februar 2016 war er also in stationärer Therapie und ich hatte wieder Hoffnung.

Danach folgte eine schwere Zeit. Jeder sagte mir das ich immer mit einem Rückfall rechnen musste. Ich machte mich schlau im Internet, recherchierte, denn ich wollte auf alles gefasst sein. Aber was soll ich sagen? Keiner kann dich wirklich, auf das was kommen kann, vorbereiten. Natürlich kann man recherchieren womit man rechnen muss (verhaltensweisen etc.), und das mag ja alles gut sein, aber letztendlich ist man in der Situation immer auf sich selber gestellt.

Über kurz oder lang hatte er also immer in ca. Abständen von 6-8/9 Monaten immer wieder Rückfälle. Immer wieder wurden Versprechungen gemacht und Luftschlösser gebaut.
Nachdem er  ende 2017 wieder einen hatte und wieder Angst hatte, ich würde ihn verlassen beantragte er eine Ambulante Therapie und ging dort ab Februar 2018 hin.

Ich kann gar nicht genau erläutern wie der Verlauf oder das Verhalten war.

Ein Problem ist ja, ich hatte bereits vieles versucht in der Vergangenheit.
Kontrollierte ich ihn zu viel bekam ich dies zum Vorwurf gemacht.
Kontrollierte ich ihn nicht mehr (um ihm den Druck nehmen zu wollen) bekam ich das ebenfalls zum Vorwurf gemacht.
Seine Worte damals "Ja natürlich ist es anstrengend wenn du mich kontrollierst, aber ich glaube irgendwo brauche ich das auch".

Also versuchte ich natürlich irgendwo eine Balance zu finden.

Kurz nachdem mein Vater dieses Jahr verstarb, meinte der Herr einfach mal von der schweren Situation abschalten zu wollen.
Und wisst ihr was der Vorwurf dazu war? Ich hätte mich ihm verschlossen, ihn aus der Situation ausgeschlossen und nicht an mich rangelassen.
Bitte nicht falsch verstehen. Der Vorwurf war nicht "weil du mich ausgeschlossen hast habe ich gespielt" Dies war nicht der Fall. Aber er brach sich dennoch in die "Opfer-Rolle" weil ich ihn ja ausgeschlossen hatte.
Es folgten 4 Wochen Abstand, nur kontakt per Whatsapp.
Dann wieder Annäherung.
Im September flogen wir in den Urlaub und der war auch eigentlich echt schön. Hatten kein Streit oder sonstiges.

Als wir wieder zu Hause waren hatten wir einige Gespräche, er fühlte sich zu sehr kontrolliert, ich war mit einigen Situationen unzufrieden, spürte zu wenig Veränderungen seinerseits, ja ich hatte eigentlich die ganze Zeit das Gefühl, er wolle die Spielsucht aus seinem Leben ausblenden, statt sich damit auseinander zu setzen. Und ich denke dies war auch einer der Gründe, warum wir uns letztendlich trennten.
Natürlich habe ich in den vergangenen Jahren gemerkt das er gewisse Dinge ändern wollte, aber es kamen auch immer wieder die selben Themen zur Diskussion (ich fühle mich zu sehr kontrolliert, keine Freiheit mehr etc.)


Was geschah nach der Trennung?
Er floh aus der Wohnung, ziemlich schnell wusste ich das er spielen war. Es ging mir mieserable die Tage danach. Heulattacken, Magenkrämpfe Übelkeit etc.
Jeden Abend nachdem er nach Hause kam, kam er ins Schlafzimmer um zu schauen ob ich noch da sei.

5 Tage nach der Trennung der erste Versuch. Er stand weinend vor mir und sagte mir, er habe Angst sich etwas anzutun.
Ich ging nicht darauf ein, denn ich hatte seine manipulative Art durchschaut.

Danach folgte die "Schau was du an mir hast" Phase.

Daraufhin folgte die "sieh doch was ich alles im Haushalt mache und ich mich verändere Zeit". Ja der Haushalt wofür er zuvor immer zu müde oder beschäftigt war konnte nun problemlos und ohne diskussion erledigt werden.
Freundschaften wurden gekündigt und er ging wieder seinen Hobbies nach.
Auch hier sollte ich wieder Manipuliert werden. Es wurden wieder Luftschlösser gebaut. Aber ich blieb standfest.

Irgendwann darauf folgten weitere Gespräche, er wolle dies nicht, er hätte gedacht ich würde die Trennung nicht ernst meinen und er will mich nicht verlieren.
In den letzten Wochen habe ich eine Wohnung gesucht und gefunden und werde Mitte Dezember ausziehen.

Er merkt das ich nicht mehr an mich rankommt, ich bekam also Dinge zu hören wie: Du bist kalt und distanziert. Ich habe noch nicht aufgegeben, du aber schon. Ich finde nicht das wir schon alles versucht haben aber DU hast uns ja schon aufgegeben. Ich finde du schmeißt alles zu leichtfertig weg. Und so weiter und so fort. Die Palette ist ewig lang. Aber ich denke alle die sich mit der Thematik befassen oder einem Spielsüchtigen zusammen sind / zusammen leben, können sich vorstellen welche Sätze alle auf einen einprasseln können.

Ihr wisst ja nicht wie müde ich bin, von diesem ganzen Kämpfen, und deshalb kann ich das erste mal (ohne das es mein Ego kratzt) sagen: Ich kapituliere und gehe nun meinen Weg.

Und wenn das heißt das es nun ohne ihn ist, dann ist das leider so. Ich habe meiner Meinung nach wirklich alles versucht und gemacht und getan, aber nie hat es gereicht. Es hat mich einfach nur sehr müde gemacht und daher kapituliere ich!!!

Jacky1:
Hallo Hestia und herzlich Willkommen im Forum,

ich (der Esel zuerst  :)) war im Grunde so wie er, nun hinterfrage ich mich heuer sehr häufig,
war ich wirklich nur eine Marionette meiner Spielsucht ?
Und ohne dieses "Leiden" wäre ich der Super Typ gewesen, humorvoll, charmant, liebevoll , treu und ehrlich ?
Nun unwichtig dass ich es heute ja bin.  :)
Da gibt es noch viel mehr an Charaktereigenschaften, die allerdings negativ auf eine Beziehung wirken.
Eventuell verstärkt das pathologische Spielen diese nur immens.
Was denkst Du, dass er ohne seine Sucht jener " Super Typ " gewesen wäre ?
Du kanntest Ihn ja nur unter diesen erschwerten  Bedingungen.

Er war nie ehrlich und aufrichtig, Halbherzigkeiten.
Keiner hier würde Dir irgendeine Schuld geben, niemand...außer "er" halt.
"Er" irrt sich hierbei gewaltig, eh nur ein weiteres Symptom aus seiner Hilflosigkeit.

Kein Spieler sollte eine Therapie machen, als Rettungsversuch für eine Beziehung oder aus Liebe. 
Sie hätte nur einen wirklichen Erfolg, wenn sie aus einem festen Willen heraus angegangen wird.

" Hey Du Idiot, verspielst Dein Geld, Deine Frau und Kinder hungern, Schulden und wenn es klingelt traut sich eh keiner ran zugehen."
Jedem Spieler ist es bewusst was er tat, nach dem Spiel!
Geht halt dennoch wieder hin...und so weiter.

Ich ( wieder der Esel  :) ) tat es eines Tages nicht mehr.
Weil ich endlich bemerkte was ich eigentlich da trieb ?
Weil man mir sagte " Hey Du Idiot, verspielst Dein 'Geld....." ?
Weil ich es plötzlich "nur" wollte ?
Nein !

Weil ich erkannte dass ich Hilfe brauchte. 
Nicht einmal eine Therapie, ob nun ambulant oder stationär.
Und weil ich es nicht alleinig auf meine Sucht schieben wollte.
Sondern bemerkte, dass es auch an meinem inneren Wesen lag.
Von dem Spiel anfangs wegzukommen war relativ...jaja... leicht, zum Vergleich etwas nun wirklich zu ändern.
An mir!
Daran arbeite ich auch noch Morgen.....

"Er" hingegen hat noch nicht einmal damit angefangen.

Dies alles ist nicht leicht für Dich.
Wenn nichts mehr hilft gegen den Schmerz, muss man sich von Ihm trennen.
Eine Konsequenz für Ihn, eine Chance für Dich.
Für Euch beide.

Hey, Kopf hoch.  :)
Danke dass Du hier geschrieben hast, vielleicht bleibst Du ja etwas.

Liebe Grüße von ganzem Herzen.   

   

     
   
 
               

amTiefpunkt:
Guten Morgen Hestia,

sei Willkommen hier bei uns im Forum und danke fürs Teilen deiner Geschichte, sicher können andere ihren Teil daraus ziehen.

Das große Problem einer Therapie ist, dass sie häufig von uns Spieler benutzt wird als Alibi, etwas gegen die Sucht zu unternehmen ohne wirklich an unserem Problem zu arbeiten. Eine Therapie ist nicht die Lösung der Spielsucht, sondern lediglich eine Hilfestellung für Spieler ihr problem in den Griff zu bekommen, sozusagen einen anderen Blickwinkel zu bekommen. Die Herausforderung für uns Spieler ist, die gewonnen Erkenntisse im realen Leben, wo überall Gefahren lauern, umzusetzen.
Hestia, ich war wie er, ein Konstrukt aus Lügen und Realitätsverlusten sondernsgleichen, agierte ohne Rücksicht auf Verluste, nur um spielen zu können. Manipulierte wo es nötig war. Die Sucht ist mächtig! Und dennoch hatte ich eine Partnerin wie du es bist, die gekämpft hat für unsere Zukunft. Sie gab mir ihre Hand und ich ergriff sie, diese letzte Chance ins Leben zurück. Die Erkenntnis, dass ich alle Hebel in Bewegung setzen musste, obwohl mir das Wasser damals bis zum Hals stand, hat mir das Leben gerettet und meiner Familie eine Zukunft geschenkt.
Du hast es ebenso versucht, meinen Respekt dafür! Auch dass du dich wahrscheinlich mehr mit seiner Sucht auseinandergesetzt hast als er es bisher getan hat, verdient Respekt.
Ich finde keinen Fehler in deiner Schilderung - du hast in allen Belangen richtig gehandelt. Es ist nun Zeit für deinen Weg ohne ihn, ich wünsche dir das Beste! Es kommen jetzt wieder bessere Tage...ganz sicher!

aT

Olli:
Guten Morgen Hestia!

Herzlich willkommen!

Viel Wut, Enttäuschung und Verletzungen springen mir beim Lesen Deines Beitrages entgegen.
Vor Allem, weil er Dir nun vorwirft nicht genug getan zu haben.

Doch der gesamte Beitrag zeigt, dass dies so nicht stimmt.
Du hast alles versucht, was in Deiner Macht stand.

Doch seine Sucht, sowie seine Genesung, stehen nun mal nicht in Deiner Macht - die liegt ausschließlich bei ihm.

Und es ist Dein gutes Recht zu sagen: Bis hierher und nicht weiter!

Chancen über Cahncen hat er "verspielt" und nun muss er mit den Konsequenzen leben.

So lange Zeit hat er Dich an Deine Grenzen gebracht und sie auch überschritten.
Da ist es vollkommen legitim für Dich zu kapitulieren vor Eurer Beziehung und seiner Sucht.

Gleichzeitig stehst Du damit für Dich und eine hoffentlich bessere Zukunft ein - alleine, oder mit einem Partner, der Dich akzeptiert und respektiert.

Fred:
Hestia, willkommen in diesem Forum.
Ein paar Meinungen zu deinem Beitrag hast du ja bereits erhalten.
Da ich mich dem überwiegend anschließe, möchte ich nur ein paar Ergänzungen hinzufügen.


--- Zitat ---Ihr wisst ja nicht wie müde ich bin, von diesem ganzen Kämpfen, und deshalb kann ich das erste Mal (ohne das es mein Ego kratzt) sagen: Ich kapituliere und gehe nun meinen Weg.
--- Ende Zitat ---

Ich denke eine Menge Leute hier wissen GENAU wie es dir geht. Aus eigener Erfahrung und aus den vielen Gesprächen mit Betroffenen.
"Ich kapituliere" - ist für mich der wichtigste Satz aus deinem Beitrag.

Klingt erstmal "traurig", "verloren", "resigniert" und das ist es für die meisten Menschen auch.

Aber in Wahrheit steckt in diesen wenigen Worten die Lösung.

Die Spielsucht ist eine Suchterkrankung. Ich selbst habe diese über 30 Jahre "ausgelebt".
Die bedingungslose "Kapitulation" vor dieser Krankheit hat es mir erst ermöglicht, mein Leben grundlegend zu ändern.
Auch meiner Frau ermöglichte diese Einsicht überhaupt erst zu erkennen, dass nicht "sie" die Schuldige an allem ist.
Sondern ganz im Gegenteil, dass SIE nicht helfen kann. Auch das ist eine schwere Erkenntnis und ein Lernprozess.
( Die Geschichte des "sich schuldig fühlen" der Angehörigen könnte jetzt hier hunderte Seiten füllen )

DU bist als Außerstehender bei einer Sucht völlig machtlos. Kannst bestenfalls "helfende" Hände reichen. Ermuntern.
Ich vermute dein "Freund" hatte nie wirklich aufgehört mit dem Spielen, und diese "Rückfälle alle X Monate" waren nur Situationen, wo es keine andere Lösung mehr gab als sich zu "outen".
Mit dem Thema "Co-Abhängigkeit" bist du vermutlich bereits vertraut. Prüfe ob du da durch Einlesen in das Thema Hilfen für dich findest.

Die "offizielle" Meinung ist, dass jeder an seine "Schmerzgrenze" gelangen muss, um der Suchtkrankheit zu "widerstehen". Von "heilen" oder "genesen" sprechen wir ja nicht.
Offiziell bleiben wir ein Leben lang "krank". Auch wenn ich da nicht 100% übereinstimmen mag.

Diese Schmerzgrenze ist aber bei jedem ganz individuell. Mir waren Scheidungen / vernachlässigte Kinder / drohende Obdachlosigkeit etc. meist relativ egal.
Vermutlich ein "einfach die Schnauze voll haben" und ein ganz besonderes Erlebnis mit meiner ( nun schon ) 3. Frau haben es mir ermöglicht diese letzten Endes für mich "ganz einfachen" Schritt auch zu gehen.

Das Verhalten deines Freundes erachte ich als "normal", verlogen bis zum geht nicht mehr um die Sucht zu "beschützen" / "verstecken".
Andere Schlüsse würde ich daraus nicht ziehen. Ich war selbst fast genauso. Ich sehe sowas als "Schutzhandlungen".
Das ist für Außenstehende aber eher unverständlich. Habe ich sie doch nach Strich und Faden belogen, betrogen, hintergangen etc.

Was ich damit sagen will. Ich kenne ganz viele Menschen die durch "Trennungen" wachgerüttelt wurden.
Somit kann eine Trennung auch ein Neuanfang sein. Eine Neuausrichtung.

Wichtig ist, dass du dein Leben für dich ausrichtest. Denn es is deine Pflicht, dich um dein eigenes Wohlergehen zu kümmern.
Dein Partner muss sich um sich selbst kümmern. Ob er dies tut liegt nicht in deinem "Machtbereich". Da bist du "machtlos".
Wie du ja selbst schreibst, du hast kapituliert. Und das ist GUT so, auch wenn das jetzt missverständlich klingen könnte.

Gruß aus Hamburg



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Gibt es einen Grund für deine Nameswahl ?
Hestia (griechisch Ἑστία, ionisch Ἱστίη ?Herd?) ist in der griechischen Mythologie die Göttin des Familien- und Staatsherdes, des Herd- und Opferfeuers und eine der zwölf olympischen Götter.

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