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Autor Thema: Ein lebloses Subjekt

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Ein lebloses Subjekt
OP: 23.03.2017 12:42:38
Hey,

ich weiß noch ganz genau wie es war das erste mal eine Spielhalle zu betreten.
Ich war damals beim Billard spielen mit meinem besten Freund, auf dem Heimweg hat er vorgeschlagen mal in eine Spielhalle zu gehen.
Er erklärte mir alles und wir spielten dort vielleicht eine Stunde, ich steckte damals 10 Euro in den Automaten und nahm 10 Euro wieder heraus.

Als ich ihn Daheim abgesetzt hatte und die letzten Meter zum Haus meiner Eltern fuhr, spürte ich ihn das erste Mal, diesen unbändigen Drang, ich wollte wieder spielen, ich wollte zurück zu meinem Heroin. Ich bin mir im Nachhinein sicher, ab diesem Moment war ich ein abhängiger Spieler.
Ab diesem Moment gab es für eine lange Zeit nicht die Frage ob ich wieder spiele, sondern lediglich wann.

Der Anfang war gemacht zur metamorphose in ein lebloses Subjekt, welches nur ein Ziel vor Augen hatte und bereit war fast alles dafür zu tun.
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Wenn die meisten sich schon armseliger Kleider und Möbel schämen, wie viel mehr sollten wir uns da erst armseliger Ideen und Weltanschauungen schämen.
 

O

Olli

Re: Ein lebloses Subjekt
#1: 23.03.2017 12:52:31
Hi!

Ich habe mich NIE als lebloses Objekt gesehen ...
So war ich auch nicht.
Ganz im Gegenteil habe ich mich eher aufgepuscht - mir selbst Stress gemacht, um nu ja nicht zur Ruhe zu kommen.

Denn in der Ruhe hätte ja die Gefahr bestanden, dass ich über mich nachdenke ...

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Re: Ein lebloses Subjekt
#2: 24.03.2017 15:01:06
I. Akt

Ich wurde eigentlich sehr "Deutsch" erzogen, also mit Tugenden wie Pünktlichkeit, Ordnung usw. durch meine jugendliche Rebellion habe ich viele dieser Werte in Frage gestellt und teilweise abgelegt.
Die Pünktlichkeit war jedoch ein ständiger Begleiter und mir persönlich immer sehr wichtig, warum ausgerechnet Pünktlichkeit? Ich weiß es nicht.

Auch während meiner aktiven Spielerkarriere hatte ich immer ein intaktes soziales Umfeld, vermutlich auch ein Stück weit als Tarnung, ich hatte zu dieser Zeit wenig Spaß daran irgendetwas zu unternehmen, aber brauchte es um meine Spieleskapaden zu decken.
So konnte ich immer sagen ich war mit Freund X doch noch länger unterwegs, wenn ich z.B. später als angekündigt zu meiner damaligen Freundin kam.

Anfangs bin ich auch früher von Zuhause losgefahren, wenn ich irgendetwas vor hatte um davor noch zu spielen, das Konstrukt das ich erschuf war perfekt, zu perfekt.
Rückfragen oder Verdachtsmomente gab es eigentlich nie, erst später merkten einige Leute dass etwas nicht stimmte, sie wussten nur nicht was. Falls ich gefragt wurde schob ich mein seltsames Verhalten auf Stress in der Arbeit, welchen ich auch tatsächlich viel zu jener Zeit hatte.
Schon seltsam wie leicht mir das Lügen damals ins Blut gegangen ist, ich war immer gegen alle Eventualitäten abgesichert, leider.

Die ersten beiden Veränderungen welche ich an mir festgestellt habe waren also die immer mehr fehlende Pünklichkeit und Ehrlichkeit.
Teilweise rutscht mir auch heute noch eine in diesem Moment unbemerkte Lüge über die Lippen, schon seltsam wieviel leichter es einem fällt sich ein Verhaltensmuster anzueignen als es abzulegen.

Irgendwann wurde es mir zu umständlich immer in die Spielo zu fahren, da es auch nicht immer mit meinem, doch sehr straffen, Zeitplan vereinbar war. Also verlagerte ich mein Spiel wieder dorthin wo ich mir einst geschworen hatte nie wieder zurückzukehren - in Online Casinos. Aber was ist schon der Schwur eines Spielers wert, oder?
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Re: Ein lebloses Subjekt
#3: 26.03.2017 15:14:50
Durch die ständige Verfügbarkeit der Online Casinos ist die Zeit in der ich spielte exponentiell gestiegen.

Ich übertreibe nicht wenn ich sage ich spielte immer wenn es irgendwie möglich war.
Wenn ich bewusst darüber nachdenke kann ich es kaum glauben und bin während ich diese Zeilen schreibe nicht sicher ob ich lachen oder weinen soll. Damit ihr wisst worüber ich rede, hier mal ein paar Beispiele:
-Raucherpausen in der Arbeit
-Im Stau (obwohl ich teilweise auch einfach bevor ich losgefahren den Autospielmodus eingeschalten habe)
-Ich gab oft vor Abends beim Essen noch etwas für die Arbeit erledigen zu müssen um 5 Minuten zum zocken zu haben
...

Ich könnte diese Liste noch ewig weiterführen, das traurige ist dass das noch nicht einmal die absurdesten Beispiele sind, jene möchte ich aber hier nicht aussprechen.
Es ist wirklich absurd, ich habe mich zu einem perfektem Werkzeug des Spielens instrumentalisiert, wie ihr vielleicht seht, war nur meine Vorstellungskraft die Grenze für mich.

Ich weiß nicht warum, aber diese Zeilen tuen mir gerade unglaublich weh, vielleicht ein Moment der Schwäche oder doch ein Moment der Erkenntnis des damaligen Handelns.

Ich war das leblose Subjekt geworden, ohne Reue oder Gewissen das einzige Ziel vor Augen war nur noch das Spielen, zu jedem Preis.


"Die selbst verantwortete Dramatik frisst sich abendlich
Durch alles was normal ist bis zum mickrigsten banalen Mist
Hat dich im Griff, dass du fast erstickst
In der Absenz von allem, was dir ab und an den Atem nimmt
Sauerstoff-Übersprung, laufend zu müde zum
Laufen, rühr ich noch 'n bisschen in jener
Trauerkloß-Brühe rum, faustgroße Lügen um die Ohr'n geprügelt"

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Re: Ein lebloses Subjekt
#4: 26.03.2017 18:47:09
Hallo,

also bzgl. Lebloses Subjekt, möchte ich das Beispiel einer Spinne anbringen.

Wobei die Spinne der Casinoanbieter ist, und das Opfer der Spieler.

Die Spinne spinnt sein Netz, hochgradig professionell um das Opfer dorthin zu locken.

Einmal dort drin, injiziert die Spinne ihr Gift und saugt das Opfer aus. Sinnbildlich das Geld als Lebensenergie.

Nachdem es sein Opfer verspeist hat, bleibt die leere Hülle über, sprich ein lebloses Subjekt!

Lg

Crazy
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Re: Ein lebloses Subjekt
#5: 16.06.2017 12:07:12
Wenn die Verluste wieder mal, wie flammendes Teer, unter den Fingernägeln brannten habe ich schnell die Faust geballt um mal wieder diesen einsamen Kampf zu kämpfen, zumindest bis die Flammen durch fehlendenden Sauerstoff in der Faust erstickt sind, nur war die Glut in mir in jenen Tagen nicht gelöscht, sie wartete darauf erneut auszubrechen und tief in mir wusste ich das auch.

Ich war nicht bereit die logische Konsequenz zu gehen und mir die Hilfe zu holen die ich so bitter nötig hatte, noch nicht
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Re: Ein lebloses Subjekt
#6: 17.06.2017 15:35:08

Hey Apathetic,

ich freue mich, dass Du dich hier mitteilst!

Ja, die Glut lodert in Dir, eben weil Du weit entfernt von einem leblosen Subjekt bist! Lass bitte nicht zu, dass Dein Feuer erlischt .... es ist nicht das Feuer des Spiels - versuche Dich davon nicht blenden zu lassen was der Suchtteufel versucht Dir einzubrennen. Lerne dein Feuer zu beherrschen und jenes für Dein Leben leuchten zu lassen.

Du schreibst in der Vergangenheit: "Ich war nicht bereit die logische Konsequenz zu gehen und mir die Hilfe zu holen die ich so bitter nötig hatte, noch nicht".

Wie schaut es nun gegenwärtig aus? Bist Du nun bereit? Aus welchem Grund?

Lieber Apathetic, es ist nun an der Zeit loszulassen - auf Dich wartet noch so unendlich viel!

Volle Kraft voraus

MiLu
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Re: Ein lebloses Subjekt
#7: 19.06.2017 06:23:00
Hey Apa,

mich würde ebenfalls interessieren, wie es dir heute gegenwärtig geht!? Im März klang das so:
Zitat
Mir geht es gut, wenn ich die Differenz aus den Momenten ziehe in denen es mir gut oder schlecht geht.

Was ist heute ein viertel Jahr später? Geht die Rechnung noch auf? Arbeitest du weiterhin an dir?

Die Apathie ist ein schlechter Ratgeber, das weißt du!!

aT
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Re: Ein lebloses Subjekt
#8: 28.06.2017 13:39:23
Ihr Lieben,

nur zur Klärung, ich schreibe hier in der Retrospektive, ich bin immer noch trocken.

Mir fehlt im Moment irgendwie die Zeit für alles, es hat unt tut sich aktuell so viel, mal wieder ist alles im Umbruch und die Pläne und Gelegenheiten ändern sich ständig, aber nicht im negativen Sinne.
Ich bin regelmäßig in der SHG und arbeite weiter an meiner Sucht, auch wenn es mir im Moment besser denn je geht.
Ich schreibe euch alles mal in einer ruhigen Minute nieder.

Es gibt keinen Grund sich Sorgen um mich zu machen :)
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Re: Ein lebloses Subjekt
#9: 16.10.2017 06:25:17
Moin Apa,

Respect zu einem Jahr spielfrei!

Ich hoffe, das leblose Subjekt gehört zu großen Teilen der Vergangenheit an!  :)

aT
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Re: Ein lebloses Subjekt
#10: 24.10.2017 01:33:29
Vielen Dank aT, habe erst mit deinem Post bemerkt dass ich schon ein Jahr trocken bin.
Wie die Zeit rennt ist so brutal, es wirkt fast schon surreal.

Meistens ja, im Moment geht es mir emotional nicht ganz so gut, wohl mal wieder eine depressive Episode, wird sicherlich auch wieder rum gehen.
Ich habe da wohl noch ein paar Baustellen aus der Vergangenheit offen, kann sie aber im Moment nicht konkret benennen.

Ich hoffe euch allen geht es gut!

LG,
Apa
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