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Diktat der Apathie

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Apathetic:
Gute Nacht zusammen,

ich bin trocken, soviel sei gesagt, doch steht mir nicht der Sinn danach heute mehr über das Thema Spielsucht zu schreiben, ich hole das bei Gelegenheit nach.

Es ist spät und der Schlaf verwehrt sich mir, ich würde gerne schlafen und doch fülle ich diese Seite mit Belanglosigkeiten.

Mir geht es in letzter Zeit so gut wie seit Monaten nicht mehr, in diesem Moment jedoch fühle ich mich apathisch, vielleicht liegt das am fehlenden Schlaf oder an der schlechten Angewohnheit spät nachts den Blick Richtung Vergangenheit zu lenken und diese zu bereuen.
Versteht mich bitte nicht falsch, ich habe mir die meisten meiner Fehler verzeihen können, doch resultiert daraus nicht das Gefühl diese Entscheidungen nicht ändern zu wollen, zumindest nicht in Momenten wie diesen.

Die Apathie ist ein bittersüßer Freund, einerseits erlaubt sie es Schmerz zu ertragen andererseits macht sie Blind für die Freuden des Lebens.
Das Diktat der Apathie bedeutet also hinzunehmen dass beide Seiten gleichwertig sind und sich negieren und ihnen somit die Daseinsberechtigung zu entziehen.

Ich habe gelernt dass das nicht der Fall ist, denn jedes Gefühl hat seine Legitimität, doch in Momenten wie diesen ist die Apathie wohl die bequemere Lösung für mich. Ein einfacher Ausweg damit ich mich nicht mit Dingen beschäftigen muss die möglicherweise Schmerzen, eine Strategie die ich mir während meiner aktiven Spielerzeit angeeignet habe.
Womöglich auch deswegen meine Registrierung hier zu ausgerechnet diesem Zeitpunkt.

Ich wünsche euch allen eine erholsame Nacht

amTiefpunkt:
Guten Morgen Apathetic,

auch dir ein herzliches Willkommen hier bei uns im Forum!
Einen interessanten Beitrag hast du da heute Nacht verfasst, der keinesfalls nur mit Belanglosigkeiten geschmückt ist. Ich musste ihn ein paarmal lesen, um ihn zu verstehen und dennoch gibt er mir Rätsel auf, wie es dir wirklich geht.
Die Apathie, wie du sie nennst, kennt wohl jeder Spieler, sie ist ein Fluch und Segen zugleich. Sie ist quasi das sag "nein" zum Leben und doch ist sie ein profanes Mittel das Leben trotz der Sucht zu ertragen. In meiner exzessiven Spielzeit war sie die einzige Möglichkeit zu Überleben. Ohne die völlige Abgestumpftheit gegenüber meinen Gefühlen, ohne die Verdrängung aller Probleme und ohne den Rückzug in mich selbst hätte ich mir wohl früher oder später das Leben genommen.

--- Zitat ---Die Apathie ist ein bittersüßer Freund, einerseits erlaubt sie es Schmerz zu ertragen andererseits macht sie Blind für die Freuden des Lebens.
--- Ende Zitat ---
Die Apathie ist sozusagen ein Selbstschutz, um das eigene Leben zu erhalten und nicht wirklich am Leben teilzunehmen.
Wie du auch weiterhin geschrieben hast, ist die Apathie ein Mittel, welches sich unheimlich leicht anwenden lässt und sich dieses Stadium der Passivität, die sie mit sich bringt, mit der Zeit automatisch einstellt. Der Rythmus Spielen, Apathie, Schlafen, Apathie, Spielen...stellt sich ein und macht es letztendlich so schwer, aus dem Teufelskreis auszubrechen. Die Probleme wachsen von anfangs linear und dann plötzlich exponentiell, doch die Apathie macht es erträglich, wenn nicht gerade gespielt wird. Doch nicht nur die Probleme, sondern auch auch die unterdrückten Gefühle, wie Scham, Wut, Verzweiflung und schlechtes Gewissen wachsen immerzu an ohne, dass man sie zulässt. Die Krankheit schreitet fort und es wird quasi unmöglich ohne fremde Hilfe Heilung zu erlangen.

Du schreibst es geht dir gut wie lange nicht, bist trocken und trotzdem ziehst du dich zurück und siehst den Problemen nicht in die Augen!? Du kannst Dinge aus der Vergangenheit nicht mehr ändern, das musst du akzeptieren, aber du kannst sie besser machen. Du weißt selbst, dass Apathie dabei kein guter Ratgeber ist. Deine Registrierung hier war eine gute Entscheidung und ein weiterer Baustein weiter in die richtige Richtung zu marschieren!

--- Zitat ---doch steht mir nicht der Sinn danach heute mehr über das Thema Spielsucht zu schreiben, ich hole das bei Gelegenheit nach.
--- Ende Zitat ---
Das würde mich freuen!
Sag "JA" zum Leben, du hast nur dieses eine!
aT

Apathetic:
Vielen Dank für deine Worte und die herzliche Begrüßung, amTiefpunkt.

Vielen Dank auch für den Spiegel den du mir vorhältst, der mich im Moment etwas sprachlos zurück lässt.
Ich brauche noch etwas Zeit um über das Geschriebene nachzudenken um auch eine ehrliche Antwort geben zu können.

In der Zwischenzeit schreibe ich mal etwas über mich:

Ich bin 26 Jahre alt und komme aus München, die Sucht ist seit ungefähr 2012 mein ständiger Begleiter.
Erstmals bemerkt habe ich diese nach meinem ersten Kontrollverlust, vermutlich 2013 oder 2014, es war spät abends als ich in einem Online Casino mehrere tausend Euro verspielte.
Als mich die Realität einholte, an diesem Abend, habe ich mich meinem Vater geöffnet, mir eine SHG gesucht und besuchte sie jede Woche.
Mein Suchtverlauf war bis zu diesem Zeitpunkt nicht sonderlich lange dafür sehr extrem, die Zeit die ich mit spielen verbrachte stieg explosiv, bis zu einem Punkt an dem ich sogar während der Raucherpausen in der Arbeit, in Online Casinos, spielte und keinen Fokus für etwas anderes als das spielen hatte.

Die SHG half mir ungemein in jener Zeit.
Nach ungefähr einem halben Jahr hatte ich einen üblen Rückfall, habe ihn in der Gruppe und vor meinem Vater offen gelegt, mir ging es furchtbar.
In der Retrospektive war ich zu arrogant, fühlte mich zu sicher, ich habe daraus gelernt.
Das ganze wiederholte sich erneut, danach war ich an einem Punkt an dem ich beschlossen habe dass die SHG für mich nicht mehr ausreicht und trat eine ambulante Reha an (mitte 2015).

Die Therapie lief sehr gut, ich durfte viel über mich erfahren und konnte unglaublich viel aus den Erfahrungen der anderen Teilnehmer für mich ziehen.
Bis zu einem Punkt Ende letzten Jahres, nach einer sehr ünschönen Trennung von meiner damaligen Freundin passierte es erneut, ein Rückfall.
Ich habe ihn sofort meinen Bezugspersonen, meinem Einzeltherapeuten und der Gruppe offenbart

Ich konnte durch die Aufarbeitung in der Gruppe und Einzelgesprächen sehr viel daraus lernen, trotzdem eine sehr schmerzliche Erfahrung.
Ein Rückfall kann auch eine Chance sein, wenn man ihn als solchen versteht, ihn intensiv aufarbeitet und die richtigen Schlüsse daraus zieht.

Vor 3 Wochen habe ich die Therapie beendet.
Ich war letzte Woche mal wieder bei meiner alten SHG (GA), doch merkte ich dass das Konzept nichts für mich ist. Bitte nicht falsch verstehen, das Konzept der GA funktioniert definitiv, nur eben nicht für mich.
Morgen trifft sich eine andere Gruppe, die ein anderes Konzept verfolgt, ich bin sehr gespannt darauf.

Das war natürlich nur eine kleine Zusammenfassung der Schlüsselereignisse meiner Spielerkarriere, Dinge wie Geldnot, Selbsthass, das Lügen habe ich nicht separat erwähnt da sie meine ständigen Begleiter waren.
Ich werde bestimmt einzelne Ereignisse sukzessive ausführen.

Heute bin ich an einem Punkt an dem ich meine Sucht aktzepiert habe, auch alles was damit einhergeht und kann meinen Fokus auf andere Dinge legen, was nicht heißt dass ich nicht wachsam bin oder mich nicht mit der Sucht beschäftige. Jetzt nur aus einer anderen Perspektive.

LG

Fred:
Vielleicht hast du Lust dich in unsere Tabelle eintragen zu lassen.
http://www.spielsucht-soforthilfe.de/index.php/topic,44.msg1839/topicseen.html#msg1839

Dann bräuchte ich deinen ersten spielfreien Tag :)

Jacky1:
Hallo,

wir haben Gelder verspielt und einige auch Gelder von Anderen.
Eventuell wurden Schulden nicht zurück bezahlt,Versprechen nicht gehalten,gelogen,betrogen,gestohlen,geraubt.
Ich brauche ja nicht auszuführen was sich alles dahinter verbirgt,die Sorgen,Ängste...das Scheitern.


All diese Dinge können natürlich zermürben,gerade im Nachhinein.
Zu einer Apathie führen,keine Frage.

Doch genau dies ist der Punkt,der Moment.
Wo es daran geht,zu verarbeiten,wieder gut zu machen,zu verzeihen.
Ich scheitere täglich daran........ und wenn schon.

Solange sich irgendwas in mir noch bewegt,ich denke und fühle.
Hoffe,bange,trauere,kämpfe und oft verzweifle.
So lange werde ich es immer wieder versuchen und zwar egal wie klein die Schritte auch sein werden.
Ich gebe erst auf wenn ich tot bin!
Sonst könnte ich auch einfach weiter spielen und mir sagen....und wenn schon.

Nachtrag:
Ich bin mir nicht sicher was ich da vorhin geschrieben habe.
Es ändert sich minütlich.
Eventuell eine Illusion.   

Liebe Grüße                 

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