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Autor Thema: Jürgens Tagebuch

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J

Jacky1

Jürgens Tagebuch
OP: 20.12.2016 23:07:00
Hallo,

Erlösung.

Ich weiß nicht einmal ob ich dies für mich schreibe und ich weiß auch nicht,ob ich es von Jacky1 trennen kann.
Ich weiß nur,immer wenn ich meinen richtigen Namen hier gelesen habe,war ich gefordert.

Selbst erschaffene Schizophrenie,eingebildet,Stress bedingt oder durch einen chemischen Prozess,jetzt nicht wichtig.
Wichtig nur für mich,dass man mich hier schreiben lässt.

Ich sehe es als eine Art des Exorzismus,ein kleines Experiment.
Aber natürlich wohlwissend,dass es eh nicht funktioniert.
Mit Dingen die eh nicht funktionieren können habe ich genug Erfahrung,also halt eh nur eine mehr.


Jürgen:
Von der Mutter einst wohlbehütet erzogen,es war alles andere als leicht für sie.
Mein Vater war ein Draufgänger,in allen Bereichen des Lebens.
Er verbrachte wohl lieber seine Zeit mit seinen Kollegen an verschiedenen Stammtischen der Stadt,als mit seiner Familie.
Immerhin waren dies,eine Frau und zwei Söhne im Alter von fünf  und einem Jahr.
Als mein Bruder starb hatte er noch nicht einmal richtig laufen können.
Doch mein Vater konnte es dafür umso besser,er rannte weg von uns.
Mein Bruder war gerade erst eine Woche begraben. Wolfgang

So standen wir nun da,meine Mutter und ich,wir zogen in das Haus meiner Großeltern.
Meine Mutter lachte viele Jahre nicht mehr.
Er war einfach verschwunden,ohne zu fragen,zu erzählen,zu grüßen oder gar zu bezahlen.
Wahrscheinlich ist zu dieser Zeit auch schon Jacky1 geboren.
Doch über ihn schreibe ich hier nicht,man kennt ihn ja eh schon ganz gut hier.

Meine Oma sorgte sehr gut für mich,während meine Mutter arbeiten ging,ich holte sie immer sehr gerne von ihrer Arbeitsstelle ab.
Wir liefen sehr oft zusammen nach Hause,schön eine kleine Familie zu haben.
Die Mutter an der Hand und so vertraut,so beschützt.
Doch zogen sehr schnell neue Schatten auf,es erwies sich wohl,dass ich ein schwieriges Kind wäre.
Lachend und rennend durchs Laub,den Wind spürend im Gesicht,statt zu gehorchen.
Anrufe der jeweiligen Erzieher/Lehrer waren die Folge daraus.
Sie sind eifrig darin,wenn es darum geht eine Mutter zu demütigen,im Namen ihres Kindes.
Getan habe ich nichts,außer halt ein Kind zu sein.

Erlösung!

 
   
 
 

 

     

 
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Re: Jürgens Tagebuch
#1: 20.12.2016 23:23:56
Hör' grad Yo Yo Ma - Bach Six Cello Suites
Muss dann diesen Beitrag lesen.

Es steht so viel in diesen Zeilen die nicht geschrieben wurden.
Zuletzt als kleiner Junge wurde meine Phantasie so angeregt.

Ihn schön zu nennen wäre nicht gerecht.

Erleichterung
Danke


https://www.youtube.com/watch?v=Nu9MDqGhIak
( ab ca. 4:00 )
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Re: Jürgens Tagebuch
#2: 21.12.2016 14:16:52


Lieber Jacky,

vielen Dank, dass du uns daran teilhaben lässt! Eine Frage habe ich: als Jacky1 geboren wurde, wuchs seither Jürgen mit oder ist er bis heute noch der Junge von damals und Jacky1 übernahm die Führung?

Kleine Hand in meiner Hand

Kleine Hand in meiner Hand,
Ich und du im jungen Grase,
Ich und du, im Kinderland
gehen wir auf der langen Strasse:
Deine Hand in meiner Hand!

Kleine Hand in meiner Hand,
Die einander zärtlich fassen:
Ich und du, nichts hat Bestand.
Einmal, ach! muss ich dich lassen,
Kleine Hand aus meiner Hand.

Kleine Hand in meiner Hand,
Kleiner Schritt bei meinem Schritt,
Kleiner Fuss im weiten Land:
Einmal geh ich nicht mehr mit.
Einmal gehst du ohne mich,
Wie ein Traum mein Bild verblich.

zt. von Friedrich Schnack

(dieses Gedicht schrieb mir mal meine Mutter bevor sie erkrankte..... es fiel mir beim Lesen deiner Zeilen sofort ein)

Liebe Grüße

MiLu
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Jacky1

Re: Jürgens Tagebuch
#3: 21.12.2016 22:20:56
Hallo,

Glaube.


Jürgen:
Meiner Mutter war eigentlich ein anderes Schicksal zugewiesen.Aufgrund einer streng religiösen Erziehung war das Leben einer Nonne für sie gedacht.Die Begegnung mit meinem Vater und mein heranwachsendes Leben in ihrem Körper,zeigte aber nun zukünftig in ein weltliches Dasein.Selbstredend übernahm sie den vorgegebenen Part und übertrug ihren Glauben auf mich.
Selten war wohl ein kleiner Junge mehr in der Kirche.

Auch der Kindergarten unterstand der Kirche,gerne ging ich nicht dorthin.
Was aus heutiger Sicht als schwerer Missbrauch und Verletzung der Psyche gelten würde,war damals der völlig normale Umgang,in einem fanatischen Wertesystem.
Ich nahm alles hin,meine Mutter auch,es geschah im Namen des Herrn.
Wenn auch die religiösen Gemälde in der Wohnung meiner Oma,mehr an einen Holocaust erinnerten,als an ein liebliches Himmelreich.       

Ich fühlte mich im Hause Gottes immer sehr behütet,oft ging ich auch alleine hin.
Ich betete,ich habe vergessen für was ich diese Gebete einsetzte.
Dieses Haus spendete mir Wärme und ich dachte man hörte mir zu,obwohl keiner da war.
Dass ich recht früh schon Ministrant wurde,war also ganz selbstredend.
Ein schönes Gefühl auf einer Bühne zu stehen,wenn auch nur als Diener.

Gott war ein ewiger Begleiter meines Weges,man hat ihn mir zur Verfügung gestellt.
Sollte ich nun schreiben dass ohne ihn alles schlimmer gewesen wäre.
Nein nicht schlimmer,aber eventuell erträglicher.
So unterlag ich ja schon ständig einem Gewissen,dass ein Kind nicht tragen sollte.
Es war schön mit anderen Menschen zu singen,aber wehe man störte die göttliche Ordnung.

Die alte Holzbrücke über den Rhein liebte ich,es war eine Faszination über den Rand in die Tiefe zu schauen.
Die strengen Blicke der hölzernen Figuren,die Brückenheiligen.
Ich war noch nicht einmal zehn Jahre alt,als ich von ihr sprang.
Irgendwie ging alles gut aus,eine kleine Punktation in meinem Knie,sonst nichts,abgesehen von etlichen Standpauken.
ich habe es nie jemanden gesagt,sie glaubten alle an meine Tollpatschigkeit.
Alle hätten nur auf mich gezeigt,was für ein krankes Kind,die arme Mutter.
Doch es hatte etwas sehr positives,ich bekam für eine lange Zeit einen Gipsverband.
Der kleine Held,der Brückenspringer.

Glaube.


/Liebe MiLu,ich versuche es gerade zu finden.   
   
 



   
 

   
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« Letzte Änderung: 21.12.2016 23:29:22 von Jacky1 »
 
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Jacky1

Re: Jürgens Tagebuch
#4: 23.12.2016 00:07:35
Hallo,

Ohnmacht.


Jürgen:
Mein Onkel hatte ein Zimmer in der Wohnung meiner Oma.
Er arbeitete wohl nicht so gerne,trank lieber Bier und schaute Fernsehen,wer würde dies auch nicht lieber wollen.
Keiner im Haus ging gut mit ihm um,teilweise war es unerträglich,er tat mir unendlich leid.
Er brachte es nicht weit in seinem Leben,doch war er ein lieber Mensch,was wollte man eigentlich mehr ?
Er starb an einer Kreuzung,ein Lastwagen zerfetzte ihn auf seinem Mofa.
Das Blut unserer Familie färbte tagelang diese Strasse und wir liefen alle täglich daran vorbei.
Eines Nachts vergoß ich unzählige Becher mit Wasser darauf,ich wollte es wegschwemmen.
Es war eine viel befahrene Strasse,eine Polizeistreife brachte mich nach hause.
Diese Prügel hatte ich nicht verdient.
Menschen die man liebt sollten einem so etwas nicht antun.

Ich besuchte ihn sehr gerne auf dem Friedhof,ich goß seine Blumen.
Angst hatte ich auch dort,aber nicht vor den Toten,die Lebenden sind überall.
Opa starb wenige Wochen danach,er hat nie viel mit mir geredet,geschumpfen schon.

Der Schulalltag gestaltete sich schwer,nicht für mich,eher für meine Mutter.
Sie war wohl mehr dort als ich.
Es wurde ihr angeraten mich untersuchen zu lassen,irgendwelche Kabel am Kopf und farbige Bausteine zuordnen.
Einige male gingen wir dorthin,man wollte mich sondieren. 
Eine Lobotomie hätte mich im Nachhinein auch nicht verwundert.
Hetzer gibt es überall,Schergen mit erhobenem Finger,alte Generationen mit einem Hakenkreuz im Herzen.
Sie wissen was sich gehört und dulden keinen Abschaum in den eigenen Reihen.     
Doch in der Schule ganz hinten zu sitzen schmälerte meine Zensuren nicht.
Keinen interessierte es,alle schauten nur auf mein Benehmen.
Was für ein verdorbenes Kind,kein Wunder ohne Vater.

Ich fing an mich zu schämen,für meine Herkunft,für meine Familie.
Doch war es ja wohl ich,der dies erst verursachte.
Man sagte es mir oft,eine Mutter hat es nicht leicht,ich wäre lieber in einem Heim gewesen.
Ich habe eine liebe Mutter,sie trifft keine Schuld.
Wenn ich ihr dies alles sagen würde,zerbricht ihre heile Welt,kein Sohn sollte dies tun.

Ohnmacht.
     
   
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Jacky1

Re: Jürgens Tagebuch
#5: 23.12.2016 19:08:07
Hallo,

Begierde.

Jürgen:
An einem Tage brachte meine Mutter einen neuen Vater nach hause.
Ein recht einfacher Mann,seriös und noch nicht weit herum gekommen in der Welt.
Kein Draufgänger,ein bescheidenes Leben führte er bisher,niemals versucht ein anderer zu sein.
Doch beruflich in einer führenden Position,meine Mutter profitierte davon.
Und plötzlich musste ich mich nicht mehr,angezogen wie ein Kind in den Wirren des Krieges,nach draußen begeben.
Alles ging recht schnell,Heirat,ein Eigenheim in einer neuen Stadt.
Ich konnte ihn nicht leiden.

Einen Vater hätte ich mir gewünscht,der mich auf seinen Schultern trägt und mit mir spielt.
Einen Despoten habe ich bekommen,ich war sein Feind.
Ich plante oft seinen Tod,Wunschpläne.
Ich kann kaum beschreiben wie sehr ich oft Angst hatte nach hause zu kommen.
Irgendetwas war ja sowieso,eine alte Scheibe eingeschlagen oder Blumen aus einem Garten abgerissen.
Was bin ich immer von Daheim weggelaufen,doch wo sollte ich schon hin.

Ich muss es nun kurz erwähnen,so höre ich doch immer wieder dass man ja selbst "seines Glückes Schmied" wäre.
Dieses Sprichwort ist der blanke Hohn,auch für einen Erwachsenen.
Niemand fragte mich ob ich geboren werden sollte,ich musste es einfach hinnehmen.
Meine Kindheit war nicht die Hölle,da gibt es unendlich andere Schicksale.
Meine Eltern hätten etwas besseres verdient,nicht ich.
Es ist keine Anklage,nur mein Leben,niemand müsste es lesen.

Am Tage der Hochzeit spielte ich zum ersten male an einem Geldspieler.
Am Tage an dem die Liebe meiner Eltern gefeiert wurde,sah ich in meine Zukunft.
Dieses Erlebnis hat absolut nichts mit meiner kommenden Sucht zu tun.
Komischerweise schmerzen mich diese 2 Mark auch heute noch.
Nicht mehr mein Problem,Jackys.

Bis zu seinem Tode nahm mich mein Stiefvater nur einmal in den Arm,es war mir unangenehm. 

Begierde.         


   

 
         
       
     
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« Letzte Änderung: 23.12.2016 21:07:20 von Jacky1 »
 
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Jacky1

Re: Jürgens Tagebuch
#6: 24.12.2016 22:35:23
Hallo,

Kälte

Jürgen:
Nach dem Umzug in ein neues Zuhause,ein neuer Anfang.
Neue Freunde und altes Leid,ohne fremde Fürsprecher hätten meine Eltern mich nie aufs Gymnasium gehen lassen.
Manchmal sagt mein Stiefvater zu mir,"du denkst wohl,du bist was besonderes".
Aber dies regelte ich von ganz alleine,mein Verhalten blieb das Gleiche.

Fußball spielte ich sehr gerne,ich konnte abschalten dabei und freute mich auf jedes Spiel.
Schon sehr früh spielte ich in einer überregionalen Auswahl,keiner wollte es bemerken.
Gemeinsame Urlaube waren keine für mich,zu sehr musste ich mich konzentrieren.
Nur nichts falsch machen,jeder Fehler kostete mich Kraft.
Jacky half mir immer sehr dabei,manipulieren.

Oft war ich unglaublich traurig,jeder kleinste Anlass berührte mich sehr.
Ein Wort,ein Blick,eine Geste.
Ich fühlte mich fremd in der eigenen Familie,Selbstmitleid kennt kein Mitleid.
Einige bemerkten es und so führte ich wieder Gespräche,mit qualifiziertem Personal.
Sie fragen dich Dinge die keinen Sinn ergeben,keiner kam auf die Idee zu fragen "wie geht es dir,was fühlst du."
Ihre bunt eingerichteten Praxen erinnerten eher an einen Zirkus,als an einen heilenden Ort.
Man drohte mir in eine Einrichtung für schwer Erziehbare zu kommen,Verhaltensstörung.

Das Schicksal wollte es wohl so,der Rhein war wieder in meiner Nähe.
Aber ich erinnerte mich an den Schmerz des Fallens von einst,so ließ ich mich lieber treiben.
Es führte mich in einen Abzweig zu einem Kraftwerk.
Unglaubliche Angst trat ein,so wusste ich von den Rechen die Dinge aufhalten sollten,um die Turbinen nicht zu beschädigen.
Ich gab alles,wie im Rausch des Lebens erreichte ich das Ufer,eine Wand aus Beton.
Zwischendrin eine Treppe zum Land,wohl für unentschlossene wie mich.
Der Rhein macht mir keine Angst mehr,gerne gehe ich noch dort spazieren. 

Kälte.

/ Mein Experiment droht zu scheitern,ich schreibe nur negatives aus meiner Kindheit.
Dies kommt vor allem meinen Eltern nicht gerecht.
Ich manipuliere mich wieder selbst,ich suche wohl Schuldige.
Entlasten wollte ich alle,belasten nur mich selbst.
Ein Selbstläufer sollte es werden,ich kann nicht mehr sicher sagen ob es so ist.

Ich schreibe mich ins Abseits,vor mir selbst.
Ich schäme mich unglaublich  meiner Worte (diesen Satz bitte nicht kommentieren).
Was mache ich nur,an einem heiligen Abend.   

           
 
   
               
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« Letzte Änderung: 24.12.2016 23:15:55 von Jacky1 »
 
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Re: Jürgens Tagebuch
#7: 24.12.2016 23:24:27
Lieber Jackson,

ich möchte gar nicht viel schreiben....ich lese Dich lieber!

Bitte höre auf dich belasten zu wollen, ich erkenne es eher (endlich) als entlasten...

Es scheinen die richtigen, wahren Augenblicke zu sein!

Ich bin bei Dir!

Liebe Grüße

MiLu
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R

Rainer

Re: Jürgens Tagebuch
#8: 25.12.2016 01:02:28
Mein lieber Freund Jacky,

Jahrzehnte lang konnte ich denen die mir unendliches Leid zugefügt haben nicht verzeihen.
Suchte und fand währenddessen zuflucht in einer eigens für mich geschaffenen Welt.
Die Welt jedoch drehte sich weiter..immer mehr immer weiter, ohne mich..Stillstand.
Gefangener meiner selbst, gefangen in meiner Welt, die Augen verschlossen..wohin?
Der Rhein, eine Brücke, ein Baum...nicht relevant, es gab mich nicht...Sinnlos.

Zeit für Veränderung, wer bin ich, wo bin ich, was was bin ich, wo möchte ich hin..Fragen.
Mühsam über den eigenen Schatten springen, über den Schatten der Vergangenheit...möglich.
Ein schwieriger Weg, sehr holperig, vorher konnte ich nicht, jetzt kann, jetzt darf ich stolpern...Schmerz, manchmal auch Leid.
Langsam wird es besser, die Augen nimmer zu.
Der Rhein, ein schöner Fluss.
Verzieh denen die ich eigentlich nicht verzeihen möchte....befreiend.
Mein Weg, heute nur meinen Weg, einer Straße entlang..niemand denen ich verzeihen konnte läuft mit...ein guter Tag.

Für mich geschrieben...nein, für Dich!
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« Letzte Änderung: 25.12.2016 01:35:54 von Rainer »
 

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Re: Jürgens Tagebuch
#9: 25.12.2016 11:57:37
Lieber Jacky,

ich bin mit meinen Gefühlen ganz bei dir und wenn du dich selber nicht verstehen kannst...ich kann es.

Ich fühle mit dir, und dies ist alles andere als leicht ! Doch diese Gefühle wollen auch angesehen werden...ja auch angenommen und nicht für wertlos und unangebracht gehalten werden. Sie geben keine Ruhe, bevor sie Anerkennung erfahren dürfen. Sie haben ein Recht darauf !!!

Natürlich sind es ""nur"" Teile /Ausschnitte (aber ganz entscheidende ud prägende) ....Doch da gibt es auch andere Momente...Erfahrungen im Leben...
Diese gab /gibt doch die Kraft und Hoffnung zum weiter leben....Was sonst ???

Aber diese guten Teile /Ausschnitte ...Erfahrungen waren/sind eben gerade in Moment nicht DAS Thema gewesen. Alles zu seiner Zeit.

Ich bin bei dir, bitte fühl dich nicht allein

lg Karo
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Ich glaube an das Gesetz der Resonanz
und Alles fängt in mir an und hört in mir auf.
 

J

Jacky1

Re: Jürgens Tagebuch
#10: 25.12.2016 14:44:27
Hallo,

Flucht.


Jürgen:
Selbstverständlich wurde ich auch für eine Woche von der Schule verwiesen.
Eine Flasche Sekt,auch an einem Geburtstag,gebührt sich nicht.
Die Obrigen schwelgen gerne in ihrer verlogenen Nostalgie,lachen über ihre alten Streiche und würdigen sich,als wären sie die Hauptdarsteller der "Feuerzangenbowle" (ein alter Film über die Schülerzeit).
Doch Strafen und Sanktionen sind ihr eigentliches Vergnügen.
Meine Eltern sprachen mit mir darüber,sprechen schmerzt manchmal mehr als schlagen.
So war ich also immer wohl behütet in meiner Familie,sie waren großzügig zu mir.

Ich entdeckte Dinge die alles in einem sanftem Lichte spiegelten.
Ein Mädchen.Zu lieben mehr als es ein Erwachsener jemals vermag,stiehlt einem die Zeit.
Wir waren so abhängig voneinander,dass die Zeit ohne Gemeinsamkeit keinen Sinn mehr hatte.
Wir beide planten jedes Treffen bis ins Detail,nur glücklich wenn wir uns sahen.
Ein kritischer Zustand,für uns Beide!
Auch später,nach Jackys erster Hochzeit trafen wir uns,...immer seltener.

Meine Eltern fingen an zu spüren,der "Sklave" schrie nach Freiheit.
Eltern haben es nicht leicht,es gibt kein wirkliches Nachschlagewerk für eine gute Erziehung.
So sind sie ja selbst gefangen,in ihren Gefühlen und Gedanken,Sorgen,Kummer.
Für meinen Stiefvater war ich eine gute Arbeitskraft,man soll sich ja auch helfen.

Eine Schwester bekam ich,sie war immer da für mich.
Sie war nicht so wie ich,sie war so real.Sie liebte ihren Vater sehr,zurecht.
Oft stellte sie sich an meine Seite,ein Vater kann oft seine Gefühle nicht verbergen.
Schreien begleitete eh mein ganzes Leben,ich kannte es ja schon gut,ich hörte nicht mehr hin.
Nie mehr hörte ich hin.

Flucht.     


 
             
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« Letzte Änderung: 25.12.2016 19:09:35 von Jacky1 »
 

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Jacky1

Re: Jürgens Tagebuch
#11: 26.12.2016 13:44:36
Hallo,

Realität.


Jürgen:
Das Abitur nicht mit links geschafft,mehr Schein als Sein.
Die Ansage meiner Eltern mich nicht zu unterstützen bei einem Studium,im Ohr.
Einen anständigen Beruf zu erlernen,den letzten Gefallen den ich ihnen tat.
Meine Oma bezahlte den Führerschein,einen Wagen,arm war sie nicht,arm war keiner.

Meine erste Frau kennen gelernt,sie war wesentlich älter,ich gerade erst achtzehn Jahre alt.
Zuhause war ich kaum noch,doch eine Wohnung wurde mir dort weiterhin gewährt.
Ich wendete mich ab,von meiner Familie und auch von mir selbst.
Beschreiben kann ich nicht mehr wie ich zum Spielen kam,es hat halt einfach begonnen.

Sicherlich hatte ich auch weiterhin guten Kontakt nach Hause,Anrufe und Besuche zu den jeweiligen Anlässen.
Man sollte so etwas nicht über sich schreiben,doch Jürgen war ein Mensch der niemals an jemanden vorbei gehen konnte,der Hilfe brauchte.Es war im wichtig etwas zu geben,welches er auch immer gerne erfahren hätte.
Ein anständiges Leben wollte er führen,man ließ ihn nicht.

Ab nun hörte ich nur auf Jacky,wir bildeten einen Pakt.
Jürgen sorgte für Dinge wie Freundschaft,Vertrauen und eine Bindung zur realen Welt.
Und ich?
Ich führte ein Leben,dass meines echten Vaters würdig wäre.
Ihre kennt so etwas alles ja,es steht überall in Suchtforen wie diesem.

Als kleines Fazit:
Nicht alles war natürlich schlecht in meiner Kindheit,ich hatte schon auch viel Freude.
Millionen Dinge über mich wollte ich schreiben,eigentlich habe ich nicht einmal damit angefangen.
Doch ich möchte dieses Fenster erst einmal wieder schließen.
Am Tage bevor mein Stiefvater starb,fand ich den Frieden mit ihm,wir beide fanden ihn.
Niemals werde ich jenen Tag vergessen,keinen Tag werde ich jemals vergessen.
Es ist eingeritzt in den Tiefen meines Ichs,wenn man dort verweilt kann man es immer sehen.
Selten bin ich dort,es ist ein heiliger Ort.

Wenn ich eines Tages sterbe,dann bitte in den Wogen des Rheins.
Er spült alles weg,den ganzen Dreck.

Realität.       
 
   
 
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« Letzte Änderung: 26.12.2016 15:04:33 von Jacky1 »
 

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Olli

Re: Jürgens Tagebuch
#12: 26.12.2016 17:01:04
Frohe Weihnachten!

Zitat
Wenn ich eines Tages sterbe,dann bitte in den Wogen des Rheins.
Er spült alles weg,den ganzen Dreck.

Ich glaube, das willst Du nicht wirklich!
Dienstlich habe ich erst kürzlich zwei Kläranlagen besichtigt.
Die von Bergisch Gladbach und eine von Zweien in Düsseldorf.
Am Ende der Klärung blieb eine leicht gelbliche Flüssigkeit übrig - noch weit entfernt von Trinkwasser - und sie wurde eigeleitet in den Rhein ...
Wie viele Kläranlagen stehen wohl an dessen Ufer?

Entschuldige dieses kleine Intermezzo - eigentlich wollte ich etwas Anderes schreiben:
Vor nicht ganz fünf Minuten habe ich erst aufgehört meiner kleinsten Nichte Rebäckchen (Rebecca) aus Wilhelm Busch vorzulesen.
Da las ich von Max und Moritz, von Paulinchen, Hans guck in die Luft, vom Mohr und vielen anderen Gestalten dieses Genies des 19. Jahrhunderts.

Und als ich so die Anfänge Deines Beitrags nun las, verfiel ich innerlich in die Art zu lesen, wie ich vorher vorgelesen hatte ...
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Jacky1

Re: Jürgens Tagebuch
#13: 27.12.2016 01:02:33
Hallo Olli,

Vor nicht ganz fünf Minuten habe ich erst aufgehört meiner kleinsten Nichte Rebäckchen (Rebecca) aus Wilhelm Busch vorzulesen.
Da las ich von Max und Moritz, von Paulinchen, Hans guck in die Luft, vom Mohr und vielen anderen Gestalten dieses Genies des 19. Jahrhunderts.

Und als ich so die Anfänge Deines Beitrags nun las, verfiel ich innerlich in die Art zu lesen, wie ich vorher vorgelesen hatte ...

In der Regel nahmen die Hauptfiguren bei Wilhelm Busch ein grauseliges Ende.
Einst hat man mir auch daraus vorgelesen,geholfen hat es wohl nichts.

".....
Der Vogel, welcher sonsten fleucht,
Wird hier zu einem Tier, was kreucht.

Und Übermut kommt zum Beschluß,
Der alles ruinieren muß.

Er zerrt voll roher Lust und Tücke
Der Tante künstliches Gestricke.

Der Tisch ist glatt ? der Böse taumelt ?
Das Ende naht ? sieh da! Er baumelt.

Die Bosheit war sein Hauptpläsier,
Drum,spricht die Tante,hängt er hier!"


Wilhelm Busch: Hans Huckebein


Liebe Grüße
 
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Re: Jürgens Tagebuch
#14: 27.12.2016 16:51:22
Momentaufnahme, bezugnehmend auf deinen letzten Beitrag fiel mir folgendes ein:

Erste Rosen erwachen,
und ihr Duften ist zag
wie ein leisleises Lachen;
flüchtig mit schwalbenflachen
Flügeln streift es den Tag;

und wohin du langst,
da ist alles noch Angst.

Jeder Schimmer ist scheu,
und kein Klang ist noch zahm,
und die Nacht ist zu neu,
und die Schönheit ist Scham.

zt. von Rainer Maria Rilke 1909

Weiter so, lieber Jackson!


..... Fortsetzung (Suche) gemäß MiLu folgt ....


Liebe Grüße

MiLu

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